Schweitzer Fachinformationen
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»¡Hola, chacho! Ich bin Candela«, sagte sie und hauchte ihm ein Küsschen auf jede Wange. »¡Bienvenido a Gran Canaria! Du musst unser Neuer sein.«
Felix starrte der jungen Frau verdutzt ins Gesicht. Und das nicht nur wegen der typisch spanischen Begrüßung, mit der sie ihn empfangen hatte. Vielmehr fühlte es sich so an, als hätte diese Frau ihn augenblicklich in ihren Bann gezogen.
Sollte tatsächlich sie seine Mentorin sein? Das versprach eine spannende Zusammenarbeit zu werden. Felix hatte sich eine ältere, vor allem aber nicht annähernd so attraktive Frau vorgestellt. Normalerweise mochte er keine unerwarteten Überraschungen. Doch gegen diese hatte er nichts einzuwenden.
»Sí, das bbbin ich«, stotterte er. Na toll, jetzt klang er auch noch wie ein Trottel. Eigentlich wollte er seiner knappen Antwort ein paar Wörter hinzufügen, aber sein Gehirn verfolgte offensichtlich einen anderen Plan. Dabei war ihm das Sprechen in dem Kurs immer leichtgefallen. Mit Señora Alvarez hatte er sich bestens unterhalten. Ausgerechnet in diesem Moment verweigerte sein Verstand ihm den Dienst. Wie war das doch gleich mit dem ersten Eindruck?
Zum Glück lächelte Candela gekonnt über die Situation hinweg. »Dann werden wir das hier wohl nicht mehr brauchen, was?« Sie zwinkerte und nahm das Namensschild herunter, das sie über ihrem Kopf gehalten hatte. Sie faltete es zusammen und klemmte es sich unter den Arm.
Nun musste auch Felix schmunzeln. Für ihn glich Candela einer Spanierin aus dem Bilderbuch. Klein und quirlig, mit kinnlangen schwarzen Haaren und einer Haut so braun wie ein Kamelhaarmantel. Sowohl ihr einnehmendes Lächeln als auch ihre dunklen Augen strahlten eine wohlige Wärme aus. Wie alt Candela wohl war? Besonders groß schien der Unterschied zwischen ihnen jedenfalls nicht zu sein. Felix schätzte sie auf Ende zwanzig. Außerdem versprühte seine Mentorin eine unglaubliche Energie. Wahrscheinlich die Sonne, dachte Felix. Ob er in ein paar Monaten auch so auf andere wirken würde? Oder würde es länger dauern? Egal, wie lange, alles war jetzt nur noch eine Frage der Zeit.
»Hattest du einen guten Flug?«, fragte Candela weiter. Entschlossen schnappte sie sich den Trolley und deutete mit ihrem Kinn zum Ausgang. »Mein Auto steht draußen auf dem Parkplatz. Du bist bestimmt erschöpft von der Reise. Am besten fahre ich dich direkt zu deinem Bungalow.«
Felix nickte. »Das ist sehr nett von dir.«
»De nada«, antwortete Candela.
Ohne ein weiteres Wort preschte sie voran. Ihre kürzere Reichweite glich sie mit einer hohen Schrittfrequenz aus, und Felix hatte Mühe, ihr zu folgen. Eigentlich wollte er sie ja zu ein paar Dingen befragen. Zum Beispiel zu dem Bungalow, den sie für ihn ausgesucht hatten, zu dem Ort, in dem er wohnen würde, oder zur Arbeit in der Redaktion, auf die er sich nun - seitdem er wusste, wer seine Mentorin war - noch mehr freute. Aber wie es aussah, musste er diese Fragen wohl während der Autofahrt stellen.
Sie verließen den Flughafen, und schon bei seinem ersten Schritt außerhalb des Gebäudes spürte Felix die wärmenden Sonnenstrahlen in seinem Gesicht. Interessiert schaute er auf seine Smartwatch: Jetzt, um zehn nach acht, waren es immer noch fünfundzwanzig Grad! Damit war es mehr als doppelt so warm wie in Kassel. Hierfür würde er sicherlich keine lange Eingewöhnungszeit brauchen. Trotzdem freute er sich darauf, so bald wie möglich aus seinen verschwitzten Sachen herauszukommen. Netterweise hatte Felix' neuer Arbeitgeber dafür gesorgt, dass seine übrigen Koffer bereits nach Gran Canaria transportiert worden waren.
»Ich stehe da drüben«, rief Candela ihm über die Schulter zu. Sie zückte einen Schlüssel, streckte ihn in die Luft und drückte auf einen Knopf. An einem dunkelroten Tourer leuchteten die Blinker auf. Felix steuerte direkt auf das Auto zu, das sich nicht nur wegen seiner strahlenden Farbe, sondern auch wegen seines noch unbeschädigten Lacks von den anderen abhob.
Candela verstaute den Trolley im Kofferraum. Mit einem Schnipsen bedeutete sie Felix, dass er auf der Beifahrerseite einsteigen sollte.
»Setz dich neben mich«, befahl sie, »wir müssen ein paar Dinge besprechen.« Sie startete den Motor, und erst nachdem sie auf die Autobahn aufgefahren waren, legte sie den Sicherheitsgurt an. Dann tippte sie auf dem Touchscreen in der Mittelkonsole eine Adresse ein. Für die Geschehnisse auf der Straße interessierte sie sich nur geringfügig.
Frau Alvarez hatte tatsächlich recht gehabt! Sie hatte öfter von der sportlichen Fahrweise ihrer Landsleute erzählt. Demnach galten Geschwindigkeitsbegrenzungen in Spanien eher als nett gemeinte Empfehlungen, und schon nach wenigen Minuten als Beifahrer konnte Felix bestätigen, dass die berühmte spanische Spontanität sich auch auf die Verkehrsregeln bezog. Die Hupe wurde nicht als Warnsignal, sondern zum Reklamieren der Vorfahrt oder zum Wutablassen genutzt. Von dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand schien Candela nicht sonderlich viel zu halten, und so zog sie beim Überholen so dicht an den Autos vorbei, dass Felix den anderen Fahrern durch die Fenster die Hände hätte schütteln können. Stattdessen klammerte er sich ängstlich an den Haltegriff. Hoffentlich würde er heil ankommen - wie lange auch immer die Fahrt dauerte.
»Wie heißt noch mal der Ort?«, versuchte er sich deshalb abzulenken.
»Du meinst, wo du wohnst?«, fragte Candela zurück. Felix nickte. »Der Ort heißt Playa del Águila. Er liegt zwischen Bahía Feliz und San Agustín.«
»Aha«, kommentierte Felix.
Viel anfangen konnte er mit dieser Information allerdings nicht. Alles, was er in Erfahrung gebracht hatte, war, dass er fürs Erste im Süden der Insel unterkommen würde. Mehr war Castillo nicht zu entlocken gewesen. Vermutlich hatten sie bis vor wenigen Tagen selbst noch nicht gewusst, wo Felix wohnen sollte. Möglicherweise ein Ergebnis der angespannten Wohnungssituation auf der Insel, von der er gelesen hatte.
Candela drehte sich zu ihm herum und winkte lässig ab. »No te preocupes. Ist ein gemütlicher Ort. Beschaulich, mit kleinen Buchten. Da kann man fantastisch entspannen und das Leben genießen.«
»Das hört sich gut an.«
»Und eine kleine Berühmtheit sieht man dort auch ab und zu.«
»Ach wirklich? Wen denn?«
Candela lächelte. »Das verrate ich dir nicht. Vielleicht findest du es ja schon bald selbst heraus.«
Während seine Mentorin sich nun wieder fluchend dem Verkehr widmete, schaute Felix nach draußen. Das Bild, das sich ihm vom Flugzeug aus gezeigt hatte, setzte sich auch hier am Boden fort. Er sah jede Menge Palmen an den zahlreichen Stränden, die zum Atlantik hin abfielen, und entlang der Autobahn als Begrenzung der Fahrstreifen. Doch da waren auch viel Schutt und Geröll. Eine steppenähnliche, wasserdurstige Landschaft, dazwischen Windkraftwerke und Gemüseplantagen. Einige von ihnen schienen jedoch nicht mehr genutzt zu werden, denn die Plastikplanen waren löchrig und flatterten im Wind. Ein Bild des Niedergangs, dachte Felix. In Teilen erinnerte ihn der Anblick an einen alten Western. Passend dazu verlief zu seiner Rechten in der Ferne eine lange Bergkette, mystisch und bedrohlich zugleich.
Die Städte, an denen sie vorbeifuhren, kannte Felix bisher nur von Google Maps: Carrizal, Arinaga, Vecindario, El Doctoral. Bei Letzterer verließ Candela die Autobahn und wechselte auf eine weniger befahrene Schnellstraße, die noch dichter an der Küste entlangführte. Doch auch jetzt blieben die Orte nur befremdlich klingende Namen auf den Straßenschildern.
Wohn- und Gewerbegebiete sausten an Felix' Fenster vorbei. Ihm fiel auf, dass die Häuser anders aussahen als in Deutschland. So gab es weder Schräg-, geschweige denn überhaupt geziegelte Dächer. Die Gebäude wirkten wie abgeschnitten, als hätten die Bauarbeiter nach dem obersten Stockwerk beschlossen, die Arbeit einzustellen. Zweifellos ein Ergebnis des trockenen Klimas auf der Insel, dachte Felix. In einem Reiseführer hatte er sogar von einer Sonnengarantie gelesen, mit höchstens zwanzig Regentagen im Jahr.
»Wir sind da«, sagte Candela plötzlich und holte ihn aus seinen Gedanken. Sie setzte den Blinker und verließ die Schnellstraße an der nächsten Ausfahrt. Ein Schild mit der Aufschrift »Playa del Águila« begrüßte sie an ihrem Ziel. Sie durchquerten einen Kreisel und fuhren einen kleinen Berg hinauf, vorbei an weinroten und himmelblauen Apartmenthäusern, in deren Innenhöfen kristallklares Wasser in gut besuchten Poolanlagen glitzerte. Wie ein Bewacher stach zwischen ihnen ein kleiner, strahlend weißer Leuchtturm mit einem Oberbau aus dunklem Holz heraus.
»Dann zeig ich dir mal dein neues Zuhause«, sagte Candela.
An der nächsten Kreuzung bog sie nach links in eine Sackgasse ab. Sie parkte den Tourer vor einem Holztor, durch dessen Staketen schemenhaft mehrere Bungalows und ein Palmengarten schimmerten. Sie stiegen aus, Felix hob seinen Trolley aus dem Kofferraum, und Candela strebte unmittelbar auf das Tor zu. Sie öffnete eine Klappe, die direkt neben dem Eingang in die Mauer eingelassen war. Auf dem nun zum Vorschein kommenden Tastenfeld tippte sie einen Code ein. Wenige Augenblicke später piepte es, und schon offenbarte sich eine Sammlung von Schlüsselbunden. Candela nahm einen von ihnen vom Haken, verriegelte anschließend wieder ordnungsgemäß den Safe und schloss die Klappe.
»¡Vamonos!«, sagte sie. Sie winkte Felix zu sich, drückte das Tor auf und ging voran in den dahinterliegenden Palmengarten. Felix traute seinen Augen nicht, als er das Gelände...
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