Schweitzer Fachinformationen
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In den 1940-er Jahren finden die Geschwister Will und Alice Zuflucht in Cornwall, wo sie auf Skylark Farm Freundschaft mit Maggie schließen, der Tochter des Eigentümers. Es dauert nicht lang, bis Will und Maggie ihre Liebe zueinander entdecken. Nach einer leidenschaftlichen Begegnung, die von Alice beobachtet wird, verlässt Maggie das Anwesen. Erst sechzig Jahre später wird ihre Enkelin Lucy das herzzerreißende Geheimnis ihrer Großmutter lüften.
Es ist erschreckend, denkt Lucy später, als sie versucht, vernünftig zu sein. Wie sich das Leben innerhalb eines Moments vollkommen ändern kann! Als hinge es vom Fall einer Münze ab, ob es fröhlich oder taumelnd weitergeht - oder ob es zum Sturz kommt.
Als Krankenschwester weiß sie das. Sie hat gesehen, wie es sich auswirken kann, wenn jemand auch nur eine Sekunde lang unaufmerksam ist: zerquetschte Gliedmaßen und Lähmung, wenn auf der Autobahn zwei Fahrzeuge aufeinanderprallen; wenn bei einem Streit unter Betrunkenen zuerst geschubst und dann das Messer gezogen wird; wenn die Mutprobe, die zuerst so spaßig erscheint - freihändig über den Dachfirst laufen oder mit dem Kopf voran in einen flachen See springen -, mit einem Unglück endet.
Auch als Tochter weiß sie das. Ein Unfall, tragisch, unnötig und vermeidbar, hat ihr den Vater genommen. Fred Petherick, zu Tode gekommen, weil er auf den Steilfelsen beim Joggen ausrutschte.
Trotzdem hat sie die Launenhaftigkeit des Lebens noch nie so deutlich gespürt wie heute. Ein simpler Fehler - ein »Beinahe-Schaden«, wie es in der Klinik heißt - hat ihre Welt zum Einsturz gebracht und die schmerzliche, grausame Fragilität offengelegt, weshalb sie jetzt im Badezimmer heulend auf dem Boden sitzt und sich mit geröteten verquollenen Augen im Spiegel sieht.
Über eine Katastrophe kann man hinwegkommen, denkt sie, als sie die Knie an die Brust zieht und die Arme darum verschränkt. Aber zwei? Zuerst eine Entdeckung, die alles auf den Kopf stellt, und dann ein Fehler bei der Arbeit? Zwei sind zu viel. So kommt es ihr vor. Denn es ist diese Kombination, durch die ihre Welt aus den Fugen geraten ist und sich ihr glückliches Leben in London als Illusion erwiesen hat. Es ist zerstoben wie reifer Löwenzahn im Wind.
Lucy drückt die Knie noch fester an sich, da sie von neuen Schluchzern geschüttelt wird. Sie muss sich wieder einkriegen. Ihr schwirrt der Kopf, ihr Herz setzt aus, macht einen Satz, rast. Aufgedreht von Koffein, Zucker und Kummer, hat sie zwei volle Tage lang kein Auge zugetan. Und jetzt liegt ihr Leben zerbrochen vor ihr, höhnischen Blicken ausgesetzt, als wäre ihr ein Koffer voll anstößiger Kleidung aufgegangen und jeder könnte die sehen.
Gestern Morgen fing es an. Sie kam von der Nachtschicht auf der Neugeborenenstation nach Hause, todmüde, mit brennenden Augen, und ging nach oben duschen. Das Döschen mit Einmalkontaktlinsen, das auf dem Waschbecken lag, irritierte sie, denn Matt hat sehr gute Augen. Da beschlich es sie schon kalt.
Vielleicht war einer ihrer Freunde über Nacht geblieben, der Kontaktlinsen trug? Beim Abtrocknen und Anziehen ging sie in Gedanken durch, wer es sein könnte, aber ihr fiel keiner ein. Statt mich davon beunruhigen zu lassen, sollte ich lieber ein paar Stunden schlafen, dachte sie. Sie streckte sich im Bett aus und versuchte, sich zu entspannen. Stell dir vor, du bist jetzt auf der Farm. Sie dachte an die Landzunge, sah sich dort oben auf dem Steilfelsen stehen, genau am Rand, nahm die Aussicht in sich auf, linker Hand Land's End, rechter Hand Devon und vor ihr der Atlantik, aquamarinblau, dann blaugrün und am Horizont dunkelblau. Sie fühlte den steifen auflandigen Wind im Gesicht, der die Kraft der Sonne vergessen macht, sah die Möwen aufsteigen und auf den Steinen unten zwei Seehunde liegen.
Es war zwecklos. So müde sie war, sie rätselte immerfort weiter. Selbst der Zustand ihres Bettes störte sie. Die Wäsche sollte gewechselt werden. Matts Kopfkissen roch leicht nach Schweiß. Vielleicht sollte sie das mal eben erledigen. Sie schlug die Decke zurück, und dabei sah sie weiter unten in der Mitte ein langes Haar, nur eines, harmlos und leicht abzutun. Doch sie selbst war blond und dieses war dunkel. Es war ein prächtiges Haar, das von einer Spanierin stammen konnte, zum Beispiel von Matts Kollegin Suzi. Und in dem Moment sah sie die beiden zusammen auf der Weihnachtsfeier der Werbeagentur. Suzi lachte schallend über eine Bemerkung von Matt und tippte ihm an den Unterarm, um etwas zu betonen. Ihr ganzes Verhalten verströmte sexuelles Selbstbewusstsein. »Sie frisst Männer mit Haut und Haaren«, meinte er später lachend, als Lucy ihn darauf ansprach. »Erschreckend.« Und jetzt stellte sich heraus, wie gern er sich erschrecken ließ.
Sie sprang aus dem Bett. Das war derart klischeehaft und vorhersehbar, die Grausamkeit so beiläufig. Es war fast, als wollte Matt es sie merken lassen. Sie dachte an ihre Ehe - für ihn war die Leidenschaft vergangen, ja. Aber war das nicht normal im siebten Jahr einer Beziehung, wenn beide so hart arbeiteten? Jetzt fragte Lucy sich, ob sie ihn überhaupt richtig kannte. Wer war dieser Werbemensch eigentlich? Ein angeblich einfühlsamer Guardian-Leser, der die Romane von Hilary Mantel mochte, der lieber Vietnamesisch als Thailändisch aß, Zimt statt Kakao auf den Cappuccino streute, der sein schweres Brillengestell hochschob, wenn er nervös war, und sich ärgerte, wenn sie ihm sagte, er sei beinahe zu schön für einen Mann. »Also . nicht gut aussehend?«, hakte er nach. »Doch . ja, natürlich . aber auf eine zierliche Art.« Dabei knöpfte er sich seine schmale Strickjacke zu.
Er ist kein aggressives Alpha-Männchen, aber ihr Freund, der Mensch, der sie nach dem Tod ihres Vaters im Arm hielt und ihr sechs Monate später einen Heiratsantrag machte, der sie wieder aufrichtete.
Dieses Haar, die Tatsache, dass er nicht nach verräterischen Spuren geschaut hat, dass er in ihrem Ehebett mit seiner Geliebten geschlafen hat, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob seine Frau es merkte, führt ihre Ehe ad absurdum.
Und dann stritt er es nicht einmal ab. Als er am Montagmittag nach Hause kam - sie hatte ihn angerufen und gesagt, sie müssten miteinander reden -, stand sie in der Küche und schnitt aus einem unerfindlichen Grund Paprika klein. Bei jedem energischen Schnitt des Messers überstürzten sich ihre Gedanken. Als er hereinkam, legte sie es mit zitternder Hand hin. Bitte, streite es ab, dachte sie, als er ihre Augen in Tränen schwimmen sah. Sag mir, es sei ein Missverständnis, ich bilde mir das nur ein. Gib mir eine plausible Erklärung.
Stattdessen: »Ich brauche Zeit zum Nachdenken.« Das sagte er geradezu aufreizend ruhig, während sie weinend dastand und sich wünschte, er möge es irgendwie wiedergutmachen.
Kannst du mich einfach in den Arm nehmen?, hätte sie gern geschrien, obwohl sie wusste, wenn er das täte, würde sie ihn wegstoßen. In dem Moment wünschte sie sich eine der innigen Umarmungen ihres großen breitschultrigen Vaters, bei denen sie sich immer gefühlt hatte, als könnte ihr nichts Schlimmes passieren, als wäre sie gegen die Welt geschützt. Matt konnte ihr das nie geben. Sie passten körperlich nicht zusammen - sie rundlich, weich, er zu schmal und dünn.
An der Tür blieb er noch einmal stehen. »Ich melde mich.«
An dem Abend musste sie zur Nachtschicht. Es war die letzte von fünf. Sie hatten auf der Station zu wenig Personal, als dass sie sich krankmelden konnte. Aber sie war erschöpft und abgelenkt. Sie verloren beinahe einen Patienten. Einen äußerst schwachen Säugling, geboren in der fünfundzwanzigsten Woche, der sich seit drei Wochen ans Leben klammerte. Lucy betrachtete dieses Kind, das sie reanimieren mussten. Der Kleine war nur Haut und Knochen, er verschwand fast in seiner Windel und dem Mützchen. Und obwohl es unprofessionell war, sich zu Gefühlen hinreißen zu lassen, rang sie mit den Tränen.
Doch für so etwas war keine Zeit. Sie hatte noch zwei andere Säuglinge zu versorgen und zu überwachen, Medikamente zu verteilen, Schläuche abzusaugen, Beatmungsparameter zu modifizieren. Der kleine Jacob Wright hätte längst sein Morphium bekommen müssen - und da machte sie den Fehler.
»Ähm, Lucy?« Emma Parker, die jüngste ihrer Kolleginnen, wurde rot, als sie die Dosis überprüfte, die Lucy gerade abgemessen hatte, bevor die Infusion verabreicht wurde.
»Sie haben einen ganzen Milliliter Morphin, nicht null Komma eins in die Salzlösung gegeben. Ist das nicht die zehnfache Menge dessen, was er bekommen darf?«
Ihr wurde schwindlig. Die stets stickige Luft auf der Säuglingsintensivstation machte ihr zu schaffen. Lucy sah Sterne.
»Ich . das kann doch nicht sein, oder?«
Und dann blickte sie auf die leere Ampulle, und in der Sekunde wurde ihr schlagartig kalt im Bauch, und sie sah ihre Welt einstürzen, unwiederbringlich.
Denn Emma hatte recht. Natürlich. Sie hatte schon länger keine Infusionen mehr zurechtgemacht und nun 1,0 ml aufgezogen, anstatt nur 0,1 ml und den mit 0,9 ml Natriumchlorid zu mischen. Solch eine kleine, aber tödliche Differenz, solch ein schrecklicher Fehler, der schnell passiert war.
»Bin ich froh, dass wir das noch bemerkt haben!« Emma lachte beklommen, um ihrer selbst willen verlegen. »Es ist nichts Schlimmes passiert.« Sie schaute ihre Vorgesetzte an, die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen.
Oh, wäre es aber beinahe! Und wie! Hätte sie Jacob die Dosis gegeben, wäre er gestorben. Gar keine Frage. Es wäre zum Herzstillstand gekommen. Ihr wurde eng in der Brust, wenn sie daran dachte. Es den Eltern beizubringen, seinem Vater, der immer wieder sagte, sein Sohn sei ein Kämpfer, und seiner schönen, zierlichen Mutter. Wie hätten die beiden reagiert, wenn sie begriffen hätten, dass ihr Söhnchen durch einen Fehler des Personals - durch ihren Fehler - gestorben war?
»Ich fülle gleich ein Datix-Formular aus und teile es der Leitung mit.« Lucy räusperte sich, versuchte, tief zu atmen, klar zu denken. Ihre Hände waren feucht von...
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