Schweitzer Fachinformationen
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Im beschaulichen Luganer See wird eine Leiche gefunden, und die Tote ist niemand Geringeres als die einst berühmte Chansonsängerin Livia. Doch wer hatte einen Grund, die alte, zurückgezogen lebende Dame zu töten?
Wieder bitten Jugendliebe und Leiter der örtlichen Gerichtsmedizin Luca Cavadini und Ispettrice Moretti die Dolmetscherin Moira Rusconi bei dem Fall um Unterstützung. Die Ermittlungen führen sie in ein Geflecht aus dubiosen Geschäften, Rachegelüsten und Familiengeheimnissen. Und während ihr Vater Ambrogio sich in der Casa Rusconi mit ihrer anspruchsvollen Mutter abmüht, stellt Moira eigenmächtig Nachforschungen an und bringt sich dabei unwissentlich in Lebensgefahr.
Die Kuhglocke, die in der Casa Rusconi Besucher ankündigte, bimmelte.
»Luna, komm runter, Nelly ist da!«
Moira öffnete die Haustür, doch vor ihr stand nicht etwa ihre Mutter, sondern ein Hüne mit Rauschebart und buschigen Augenbrauen, bekleidet mit einer erbsengrünen Uniform aus kurzen Hosen, einem Poloshirt und einer Baseballkappe. Moira empfand spontanes Mitleid für den armen Menschen, der laut seines Namensschilds »D. Conti« hieß, und von seiner Firma gezwungen wurde, in diesem Aufzug fremden Leuten gegenüberzutreten.
»Paket für Luna Rusconi.« Der Riese hielt Moira einen Karton entgegen, der fast genauso groß war wie sie. Moira umfasste das Paket automatisch. Es wog beinahe nichts.
»Was ist denn da drin?«
Der Paketbote grinste. »Sie haben es doch bestellt.«
»Ist für mich!« Luna drängelte sich von hinten an Moira vorbei und schnappte sich das Paket.
»Halt, ich brauche noch eine Unterschrift!«
»Das übernehme ich.« Moira quittierte den Empfang.
»Kann ich Ihnen bei der Hitze eine gazzosa anbieten?«
Sein Gesicht hellte sich auf. »Das wäre sehr freundlich, ich habe mein Wasser schon aufgebraucht und keine Zeit, mir neues zu kaufen.«
Moira beeilte sich, ihm eine Flasche Holunderlimonade mit einem Strohhalm darin zu bringen. »Hier, die können Sie beim Fahren trinken.«
»Wenn mal alle Kundinnen so nett wären wie Sie!« Der Lieferant nahm die Flasche entgegen und tippte mit dem elektronischen Stift an seine Kappe. »Schönen Tag noch!«
Moira schloss die Tür und ging in die Küche, wo ihre Tochter auf dem Boden hockte und dabei war, den Karton aufzureißen. Ambrogios Katzen Luise, Herta und Ingeborg saßen im Halbkreis um sie herum und beobachteten mit zuckenden Ohren, was vor sich ging.
»Ist das ein Board zum Stand-Up-Paddling?«, fragte Moira.
»Viel besser.« Ihre Tochter warf einen Pappfetzen beiseite, und die drei Katzen stürzten sich darauf wie auf einen Streifen Speck.
Luna holte eine flache, unregelmäßige Form aus dem Karton. Moira hatte immer noch keinen Schimmer, worum es sich handeln mochte.
»Ta-daa!« Luna drehte das Ding um. »Sag Hallo zu Lady Gaga!« Sie präsentierte Moira ein lebensgroßes Bild der Sängerin, das auf eine Hartschaumplatte aufgezogen war. Die Ränder waren so geschnitten, dass sie dem Umriss der Figur folgten.
Moira lachte. »Fühlst du dich so einsam hier im Dorf? Du findest schon noch Leute, mit denen du etwas unternehmen kannst. Aber bis dahin ist Lady Gaga nicht die schlechteste Gesellschaft.«
Luna legte den Kopf schief. »Haha, sehr lustig. Das ist Nellys und mein neues Instagramprojekt. Unsere Follower brauchen was Neues, sonst gehen unsere Klickzahlen zurück. Wir fotografieren uns mit Gaga überall, wo wir hingehen.«
»Zum Lido nimmst du sie aber besser nicht mit«, antwortete Moira. »Die Gute sieht nicht besonders wasserfest aus. Hast du deine Badesachen gepackt?«
»Yes!« Luna deutete auf einen pinkfarbenen Rucksack, der zu ihren Haaren passte.
»Na, dann los. Wir holen deine Großmutter im Hotel ab. So, wie ich sie kenne, ist sie noch nicht mal losgelaufen.«
Luna lehnte Lady Gaga ans Küchenbuffet, schnappte ihren Rucksack und folgte Moira. Sie nahmen den alten Jeep von Moiras Vater.
»Schade, dass Opa nicht mitwill.«
»Ich verrate dir ein Geheimnis: Er kann nicht schwimmen. Als kleiner Junge ist er mal in den See gefallen und fast ertrunken. Seitdem hält er sich von Wasser lieber fern.«
Moira manövrierte den Wagen durch den Dorfkern, wo die Straße so eng war, dass entgegenkommende Autos warten mussten. Nur zwei Minuten später hielten sie vor dem Stella della Collina, das sich äußerst großspurig »Hotel« nannte, aber in Wirklichkeit eine bescheidene Pension war. Im Bellavista, dem wesentlich besseren Hotel im Dorf, war so kurzfristig kein Zimmer mehr frei gewesen.
Nelly trat gerade aus dem Haus, in ein buntes Batikgewand gehüllt und von einem wagenradgroßen Strohhut gekrönt. Luna stieg aus, gab ihrer Großmutter einen Kuss und wechselte auf den Rücksitz.
Während die beiden Pläne für ihren gemeinsamen Instagram-Account schmiedeten, konzentrierte Moira sich auf den Verkehr. Sie fuhren hinunter nach Lugano und dann am See entlang, vorbei am städtischen Strandbad in Richtung des kleinen Ortes Castagnola, der beinahe mit Lugano zusammengewachsen war. Auf der Strecke hatte man einen herrlichen Blick über den See, bevor stuckverzierte Villen und moderne Wohnanlagen die Aussicht blockierten.
Moira hatte Glück und konnte den Jeep auf einem der wenigen Parkplätze abstellen. Von dort aus mussten sie noch zehn Minuten zu Fuß am See entlanglaufen und erreichten dann das kleine Strandbad, das noch immer ein Geheimtipp der Einheimischen war.
Moira, Luna und Nelly zahlten an der Holzhütte, die auch als Bar diente, und suchten sich einen Liegeplatz auf der Wiese direkt am Seeufer. Luna warf sich sofort begeistert in eine Hängematte, die zwischen zwei Bäumen baumelte.
»Willst du nicht ins Wasser?«, fragte Moira.
»Den Platz gebe ich nicht wieder auf.« Luna steckte sich Kopfhörer in die Ohren und tippte auf ihrem Smartphone herum.
Auch Moiras Mutter war nicht dazu zu bewegen, ins Wasser zu gehen.
»Ich schwimme nur in Pools, mein Schatz«, sagte sie liebenswürdig. »Wenn ich nicht sehe, was unter mir herumkreucht, grause ich mich. Wer weiß, was da alles herumschwimmt! Ich arbeite lieber an meiner Sonnenbräune.« Sie zog sich das Batikkleid über den Kopf, stopfte es in ihre Tragetasche und breitete ein Strandhandtuch aus.
»Aber creme dich gut ein«, sagte Moira, bevor ihr einfiel, dass ihre Mutter erwachsen war. Was sie nicht davon abhielt, den Rat ihrer Tochter zu ignorieren. »Früher haben wir auch keine Sonnencreme benutzt.«
Moira betrat den Steg, der am Ufer entlangführte, und von dem aus man direkten Zugang ins Wasser hatte. Eine junge Frau stieß sich gerade vom Sprungbrett ab und hechtete mit einem eleganten Köpfer ins Wasser. Moira kam sich ein wenig bieder vor, weil sie die sichere Leiter wählte und sich Stück für Stück ins Wasser hinabließ, das sogar jetzt im Juni noch so kalt war, dass es im ersten Moment beinahe wehtat.
Doch war man erst einmal drin und hatte sich an die Temperatur gewöhnt, fühlte es sich herrlich an. Moira schwamm vom Ufer weg, wo sich weniger Badegäste tummelten. Die weite Wasserfläche, die sich vor ihr ausdehnte bis zum gegenüberliegenden Ufer, wo grüne Hügel steil anstiegen, berauschte sie geradezu. Sie drehte sich auf den Rücken, spreizte Arme und Beine ab und ließ sich treiben. Mit den Ohren unter Wasser wurde es ganz ruhig und still in ihr. Es war ein wunderbares Gefühl, so ganz bei sich zu sein. Die Wellen, die Berge, der Himmel - so konnte man sich eins mit der Welt fühlen und alle Probleme vergessen. Wobei Moira nichts einfiel, was sie hätte vergessen wollen. Es sei denn, man betrachtete die Sache mit Luca als Problem. Musste ihre Jugendliebe ausgerechnet der leitende Rechtsmediziner des Kantons sein? Auch wenn es spannend gewesen war, ihm als Dolmetscherin bei der Aufklärung des Eiskeller-Mordes zu helfen. Sie seufzte und überlegte, ob sie auf seine Liebeserklärung vor einigen Wochen hätte eingehen sollen. Andere Frauen hatten auch keine Skrupel, Affären mit verheirateten Männern zu unterhalten. Und Luca war seit Javiers Tod der erste Mann, bei dem sie sich so fühlte, wie sie sich bei einem Mann fühlen wollte. Martin, mit dem sie die letzten Jahre zusammengelebt hatte . der war im Nachhinein betrachtet eine Vernunftentscheidung gewesen, auch wenn ihr das erst nach der Trennung bewusst geworden war.
Sie drehte sich wieder um und schwamm mit kräftigen Zügen eine Runde an der weiß-roten Begrenzungskette entlang, die den Badebereich vom Rest des Sees trennte. In einiger Entfernung fuhr ein mit jungen Leuten besetztes Motorboot vorbei, einem auffälligen Modell aus glänzend lackiertem Wurzelholz, das sicher ein Vermögen wert war. Moira wunderte sich immer wieder, wie viele reiche Leute es anscheinend in Lugano gab. Doch fühlte sie keinen Neid, sondern war vollkommen zufrieden damit, sich mit Muskelkraft fortzubewegen und das Wasser um sich herum zu spüren.
Als sie genug hatte, schwamm sie zurück zum Steg und kletterte an Land. Sie wollte gerade zum Liegeplatz zurückkehren, als sich das Tuckern eines Bootes näherte und sie lautes Rufen hörte. Moira wandte sich um. Das elegante Boot von vorhin steuerte gerade die Anlegestelle des Strandbads an. Ein Junge, der kaum älter als siebzehn sein konnte, warf hektisch ein Tau um den Poller und zurrte es fest. Auch die anderen Passagiere waren sehr jung und in heller Aufregung. Seltsamerweise lachten sie nicht, wie man erwartet hätte, wenn eine Clique einen Ausflug unternahm. Eine Jugendliche kauerte im Heck, hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und weinte laut, eine weitere stand neben dem Bootslenker und schwenkte die Arme. »Wir brauchen Hilfe!« Der zweite Junge sah blass und verstört aus. »Da treibt jemand im See!«, rief er den Leuten auf dem Steg mit Panik in der Stimme zu. »Ich weiß nicht, ob sie noch lebt!«
Sein Freund stieg eilig die Treppe an der Anlegestelle zur Terrasse hinauf. Sofort versammelte sich eine Traube Badegäste um ihn. Stimmen wurden laut, man rief und redete durcheinander.
Moira wandte sich dem Jugendlichen zu, der auf dem Boot geblieben war. »Was ist passiert?«
Er hob verwirrt die Schultern. »Keine Ahnung, aber da hinten treibt jemand mit...
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