Schweitzer Fachinformationen
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In Montagnola steht die Weinlese an, ein geradezu festliches Ereignis, und auch Moira, Luca und Luna packen mit an. Doch als im Weinberg unterhalb der Kirche Sant'Abbondio ein menschlicher Schädel gefunden wird, ist das Vergnügen vorbei. Der Tote, ein Jugendfreund von Ambrogio, verschwand vor Jahrzehnten - und es gibt Hinweise darauf, dass Moiras Vater der Täter sein könnte. Sie beginnt zu ermitteln, um Ambrogio zu entlasten, doch dann gibt es einen zweiten Todesfall und sie muss Ereignisse aufklären, die beinahe fünfzig Jahre zurückliegen. Kann sie nach so langer Zeit noch die Wahrheit herausfinden?
Als gegen sieben Uhr Rebeccas Mann Nick mit einer großen Einkaufstüte aufgetaucht war, hatte Moira sich verabschiedet, obwohl die Bakers sie zum Essen eingeladen hatten. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Vater ganz alleine zu Hause saß. Selbst wenn die Katzen ihm Gesellschaft leisteten, würde er sich freuen, wenn er nicht alleine zu Abend essen musste.
Nach Sonnenuntergang stieg jetzt im Oktober bereits herbstliche Kühle auf, und Moira fröstelte trotz Strickjacke in ihrem Sommerkleid. Die Luft hatte diese gewisse Schärfe, die bereits den Winter ankündigte. Unterwegs begegneten ihr nur zwei Leute, die ihre Hunde ausführten, alle anderen saßen wohl beim Abendessen oder schon vor den Fernsehgeräten. Als sie an der Osteria Il Mulino vorbeikam, wo eine Menge los zu sein schien, spähte sie durch eines der Fenster. Zu ihrer Überraschung war ihr Vater weit davon entfernt, einsam in seinem Kämmerlein zu hocken. Er saß nämlich an einem der Tische und unterhielt sich mit zwei alten Herren, die Moira nicht kannte.
Sie drückte die Tür auf und betrat die Gaststube. Das warme Licht, der Duft nach Gewürzen und Bratensoße, leises Geschirrklappern und entspanntes Stimmengewirr empfingen sie. Die meisten der dunklen, massiven Holztische waren besetzt. Gabriella wusste, wie man eine gastliche Atmosphäre schuf - im Il Mulino fühlte man sich wie im eigenen Wohnzimmer, nur besser, weil man jederzeit nette Gesellschaft und gutes Essen vorfand.
Jetzt hatte Gabriella sie entdeckt und winkte. Moira schlängelte sich zur Theke und küsste die Wirtin auf beide Wangen.
»Carissima, schön, dass du den Weg in meine Osteria nicht vergessen hast.« Gabriella zwinkerte.
»Ich weiß, ich war länger nicht hier, aber das wird sich ändern. Ich habe meine Wohnung in Deutschland aufgelöst und bin jetzt dauerhaft im Tessin.«
»Ich freue mich! Komm doch mal nachmittags vorbei, dann habe ich mehr Zeit zum Plaudern.« Gabriella nahm ein Tablett mit Biergläsern und eilte zu einer lauten Tischrunde am Fenster. Moira ging zu ihrem Vater und seinen Freunden hinüber.
»Schön, dass du nicht alleine daheimsitzt.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Matteo, Bruno - das ist meine Tochter Moira«, sagte Ambrogio zu seinen beiden Gesprächspartnern. »Moira, das sind Matteo und Bruno Lanfranchi, Urgesteine, so wie ich - von uns gibt es nicht mehr allzu viele hier im Dorf, nicht wahr, Bruno?«
»Piacere, sehr erfreut«, sagte Matteo, der ungefähr im Alter ihres Vaters war, ohne aufzustehen oder ihr die Hand zu reichen. Es klang etwas verwaschen, seine schwammigen Wangen und trüben Augen verrieten, dass er regelmäßig viel Alkohol trank. Bruno, der wesentlich älter war, starrte Moira finster an. »Hast du den Hühnerstall geputzt, wie ich dir gesagt habe?«, sagte er mit herrischer Stimme, die seinem gebrechlichen Äußeren widersprach. »Wenn du dich nicht beeilst, setzt es was!«
»Papà, das ist nicht Daria, sondern Ambrogios Tochter.« Matteo sah entschuldigend zu Moira auf. »Er verwechselt manchmal Personen miteinander.«
»Das macht doch nichts.« Moira lächelte, wunderte sich aber insgeheim, was ihren Vater mit diesen beiden Männern verband.
»Bruno ist der Vater von Daria, du weißt schon, vom Hesse-Museum«, erklärte Ambrogio.
»Ja, natürlich. Dann sind Sie ihr Bruder?«
Matteo nickte. »So ist es und so bleibt es«, sagte er mit der feierlichen Ernsthaftigkeit des Angetrunkenen. »Setzen Sie sich doch zu uns.«
Zu Moiras Erleichterung schob ihr Vater seinen Stuhl zurück und erhob sich. »Nein, nein, Ich muss sowieso nach Hause, die Katzen warten auf ihre Gute-Nacht-Leckerchen.«
»Sind die beiden gute Freunde von dir?«, fragte Moira, während sie neben ihrem Vater in Richtung der Casa Rusconi schlenderte. Außer ihnen war niemand mehr unterwegs, und im orangefarbenen Laternenlicht wirkte das Dorf wie aus einer vergangenen Zeit.
»Wie man es nimmt«, brummte Ambrogio. »Matteo kenne ich schon aus dem Sandkasten. Ich schätze, wir waren Freunde.«
»Jetzt nicht mehr?«
Ambrogio schnaufte, als hätte man ihm eine schwere Rechenaufgabe gestellt. »Man lebt sich eben auseinander. Matteo wurde Klempner, ich ging studieren - wir hatten irgendwann nicht mehr viel gemeinsam.«
Moira hatte den Eindruck, dass das Thema ihm unangenehm war und drang nicht weiter in ihn.
Zu Hause angekommen verzog ihr Vater sich mit der Begründung, er sei müde, in sein Studierzimmer, das mit Büchern vollgestopft war. Er ließ die Tür gerade so weit geöffnet, dass die Katzen hindurchschlüpfen konnten. Moira wunderte sich darüber. Normalerweise saß er immer gerne zusammen mit ihr in der Küche oder im Wohnzimmer. Sie unterhielten sich, hörten alte Platten oder lasen jeder für sich in einem Buch. Hatte die Begegnung mit Bruno in ihm die Furcht geweckt, selbst dement zu werden? Doch Matteos Vater musste mindestens zwanzig Jahre älter sein, war sicher Anfang neunzig.
»Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein«, sagte Moira zu Marlen, der grauen Kartäuserkatze, die in der Hoffnung auf Streicheleinheiten in die Küche gekommen war. Die Katze sah sie mit ihren bernsteinfarbenen Augen an und maunzte.
»Du hast recht, ich sollte mir nicht ständig Sorgen um ihn machen. Na los, geh dir dein Leckerchen abholen.«
Marlen machte kehrt und verschwand mit erhobenem Schwanz in Richtung Studierzimmer.
Während sie im Gästehaus auf Luca wartete, sah Moira sich Videos auf ihrem Handy an. Im Kamin knackte ein kleines Feuer, und aus dem Haupthaus hatte sie sich eine Thermoskanne mit heißem Tee mitgebracht, da das Gästehaus keine Küche besaß. Elfriede lag heute auf Moiras Schoß. Sie war froh über die Gesellschaft. Seit sie und Luca zusammenwohnten, fühlte sie sich einsam, wenn sie alleine hier war. Manchmal machte sie sich Sorgen deswegen. War sie jetzt schon dabei, ihre Unabhängigkeit zu verlieren? Doch konnte sie etwas dafür, dass alles mit Luca schöner war als ohne ihn?
Gegen zehn hob Elfriede den Kopf und spitzte die Ohren, gleich darauf kam Luca herein. Die Katze sprang auf den Boden und rieb sich gurrend an seinem Bein.
»Sie liebt dich.« Moira stand auf und umarmte ihn.
»Und ich liebe euch beide. Aber dich ein bisschen mehr.«
Moira wartete, bis er seine Schuhe ausgezogen und sich Tee eingeschenkt hatte. Sie setzten sich an den Tisch, und Moira legte ihre Füße auf Lucas Oberschenkel.
»Und? Was hast du über den Toten herausgefunden?«
»Wir haben den Schädel gesäubert und dabei die wahrscheinliche Todesursache entdeckt: Der Person wurde der Kopf mit einem relativ kleinen, harten Gegenstand eingeschlagen. Wahrscheinlich einem Hammer oder etwas Ähnlichem.«
»Also weder ein Unfall noch ein natürlicher Tod.«
»Letzteres ist zumindest sehr unwahrscheinlich, ein Unfall wäre trotzdem denkbar. Er könnte oben an der Kirche gewesen und von der Mauer gestürzt sein. Aber die Tatsache, dass die Leiche vergraben wurde, lässt auf ein Tötungsdelikt schließen.«
»Ich mag, wenn du so wissenschaftlich klingst.« Moira bohrte einen großen Zeh in Lucas Bauch.
»Ach ja? Kann ich dich damit ins Bett quatschen?«
»Nicht bei diesem Thema. Erzähl weiter!«
»Dann habe ich mir seinen Zahnzement angesehen und unter dem Mikroskop genauer untersucht.«
»Moment: Was bitte ist Zahnzement? Die Füllungen?«
Luca schüttelte den Kopf. »Das ist grob erklärt das Material, das den Zahn mit dem Kiefer verbindet. Dort lagern sich jedes Jahr Wachstumslinien ab, ähnlich wie die Jahresringe bei Bäumen. Leider ist die Methode nicht ganz genau, aber der Tote muss zwischen siebzehn und neunundzwanzig Jahre alt gewesen sein.«
»So jung! Das macht es irgendwie noch trauriger. War es ein Mann oder eine Frau?«
»Das kann ich anhand des Schädels allein nicht beurteilen, aber die Kriminaltechnik hat weitere Knochen gefunden. Wenn das Becken noch intakt ist, kann ich das Geschlecht bestimmen, zusammen mit anderen Merkmalen ist das ziemlich zuverlässig.«
»Irgendjemand muss diese Person doch vermissen.« Moira starrte in ihren Tee als wäre darin die Antwort zu finden.
»Wenn sie nicht aus der Gegend stammt, wurde hier wahrscheinlich nicht nach ihr gesucht. Ein Landstreicher oder jemand, der auf der Durchreise war - da gibt es viele Möglichkeiten.«
»Und wie lange könnte das her sein?«
»Alle Hinweise zusammengenommen bin ich sicher, dass es vierzig Jahre oder mehr sein müssen.«
»Damals war ich noch nicht mal auf der Welt. Und du hast noch Windeln getragen. Wie ist denn möglich, dass man die Leiche in all den Jahren nicht entdeckt hat? Werden Weinberge nicht regelmäßig umgegraben?«
»Schon, aber nicht sehr tief. Und das Grab lag dicht an der Mauer, da wurde das Erdreich vielleicht gar nicht aufgelockert.«
»Ich bin gespannt, ob bei den Befragungen der Anwohner etwas herauskommt.« Moira gähnte. »Wollen wir langsam mal ins Bett?«
»Erst müssen wir noch aufräumen. Schau dich mal um, wie es hier aussieht.«
Moira drehte den Kopf erst nach links, dann nach rechts. »So schlimm ist es auch wieder nicht, das erledigen wir morgen.«
»Das musst du dann alleine machen. Ich will morgen früh laufen gehen und muss dann ins Institut, um mir die Knochen anzusehen.«
»Kein Problem.« Moira nahm die Füße von seinem Schoß und reckte sich gähnend. »Wer geht zuerst ins...
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