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Harte Jahre ist ein vielstimmiges Romanepos über Macht, Verschwörung und Verrat - über die Fallstricke der Geschichte und die dreisten Machenschaften imperialer Politik. Und ein virtuoser literarischer Hochseilakt.
Im Jahr 1954 bringt ein Militärputsch die Regierung Guatemalas zu Fall, mit freundlicher Unterstützung des CIA. Und zwar vermittels einer dreisten Lüge, die als Wahrheit durchgeht: US-Präsident Eisenhower hatte in Umlauf gebracht, Guatemalas Präsident Árbenz billige und unterstütze die Ausbreitung des sowjetischen Kommunismus auf dem Kontinent. Eine Lüge, die das Schicksal ganz Lateinamerikas verändern wird. Diese folgenreiche historische Episode - die uns schmerzlich an unsere Gegenwart erinnert - greift Mario Vargas Llosa auf und erzählt sie lebhaft und packend in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit. Wer gründet welche Intrigen? Wer sind die Profiteure? Wer bleibt auf der Strecke?
Auch wenn sie einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt sind und in den Geschichtsbüchern allenfalls einen Platz am Rande einnehmen, waren die beiden Personen, die im zwanzigsten Jahrhundert das Schicksal Guatemalas, ja ganz Mittelamerikas am meisten beeinflusst haben, wahrscheinlich Edward L. Bernays und Sam Zemurray, zwei Männer, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Temperaments und ihres Wirkens nicht unterschiedlicher hätten sein können.
Zemurray wurde 1877 unweit des Schwarzen Meeres geboren und wanderte, als Jude in einer Zeit, da im Russischen Reich die Pogrome wüteten, mit nicht einmal fünfzehn Jahren an der Hand einer Tante in die USA aus, wo sie in Selma, Alabama, im Haus von Verwandten unterkamen. Edward L. Bernays gehörte ebenfalls einer Familie jüdischer Emigranten an, allerdings aus besseren Kreisen, sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch, außerdem gab es in der Familie eine berühmte Persönlichkeit: seinen Onkel Sigmund Freud. Abgesehen davon, dass beide Juden waren - so wenig eifrig sie ihre Religion auch praktizierten -, hatten sie praktisch nichts gemein. Edward L. Bernays rühmte sich, so etwas wie der Vater der Public Relations zu sein, die er zwar nicht erfunden habe, jedoch (auf Kosten Guatemalas) in die luftigsten Höhen katapultieren würde, bis er sie zur wichtigsten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Waffe des zwanzigsten Jahrhunderts gemacht hätte. Das zumindest sollte sich bewahrheiten, auch wenn seine Egozentrik ihn bisweilen zu maßlosen Übertreibungen anstachelte. Die erste Begegnung zwischen den beiden hatte 1944 stattgefunden, und in dem Jahr auch begann ihre Zusammenarbeit. Sam Zemurray hatte ihn um einen Termin gebeten, und Bernays empfing ihn in seinem damals noch kleinen Büro im Herzen Manhattans. Es ist anzunehmen, dass Zemurray, dieser große, schlecht gekleidete Kerl, unrasiert, ohne Krawatte, in einer verschossenen Jacke und rustikalen Halbstiefeln, Bernays mit seinen eleganten Anzügen, seiner gewählten Sprache, den Yardley-Parfums und aristokratischen Manieren auf den ersten Blick nicht sonderlich beeindruckte.
»Ich habe versucht, Ihr Buch Propaganda zu lesen, aber ich habe nicht viel verstanden«, stellte Zemurray sich dem Werbefachmann vor. Er sprach ein schleppendes Englisch, als wäre er sich bei jedem Wort unsicher.
»Dabei ist es in einer sehr einfachen Sprache geschrieben, jedem des Lesens Kundigen zugänglich«, kanzelte Bernays ihn ab.
»Dann wird es an mir liegen«, räumte sein Gegenüber ein, ohne sich im mindesten angegriffen zu fühlen. »Ehrlich gesagt, ich bin kein großer Leser. In meiner Kindheit drüben in Russland habe ich gerade mal die Schule hinter mich gebracht, und Englisch habe ich nie richtig gelernt, das wird Ihnen sicher aufgefallen sein. Wenn ich Briefe schreibe, ist es noch schlimmer, alles voller Rechtschreibfehler. Mich interessiert mehr die Tat als das Geistesleben.«
»Tja, wenn das so ist, dann weiß ich nicht, womit ich Ihnen behilflich sein könnte, Mister Zemurray«, sagte Bernays und tat schon, als wollte er aufstehen.
»Ich will Ihnen nicht die Zeit stehlen«, hielt Zemurray ihn zurück. »Ich leite ein Unternehmen, das Bananen aus Mittelamerika in die Vereinigten Staaten importiert.«
»Die United Fruit?«, fragte Bernays überrascht und musterte seinen unansehnlichen Besucher nun interessierter.
»Wie es aussieht, haben wir einen miserablen Ruf, sowohl in den USA als auch in ganz Mittelamerika, das heißt in den Ländern, in denen wir tätig sind«, fuhr Zemurray mit einem Achselzucken fort. »Und offenbar sind Sie der Mann, der das in Ordnung bringen könnte. Ich möchte Sie engagieren, als Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Unternehmen. Wie auch immer, wählen Sie die Bezeichnung, die Ihnen am besten gefällt. Und um Zeit zu sparen, bestimmen Sie auch gleich das Honorar.«
So hatte die Beziehung zwischen den beiden ungleichen Männern begonnen: zwischen dem feinsinnigen Werbefachmann, der sich für einen Wissenschaftler und Intellektuellen hielt, und dem ungeschliffenen Sam Zemurray, einem Selfmademan und draufgängerischen Unternehmer, der, angefangen mit einer Ersparnis von hundertfünfzig Dollar, eine Firma aufgebaut hatte, die ihn, auch wenn sein Äußeres dies nicht verriet, zum Millionär gemacht hatte. Natürlich hatte er die Banane nicht erfunden, aber dank ihm gehörte sie nun in den USA, wo zuvor nur sehr wenige diese exotische Frucht gegessen hatten, für Millionen von Menschen auf den Speiseplan und erfreute sich auch in Europa und anderen Regionen der Welt zunehmender Beliebtheit. Wie er es geschafft hatte? Niemand hätte das wirklich sagen können, denn Sam Zemurrays Leben verwob sich mit Mythen und Legenden. Dieser primitive Unternehmer schien mehr einem Abenteuerbuch entsprungen als der amerikanischen Welt der Wirtschaft. Und im Gegensatz zu Bernays sprach er, der alles war, nur nicht eitel, nie über sein Leben.
Auf seinen Reisen hatte Zemurray in den Urwäldern Mittelamerikas Bananen gesehen, und dank glücklicher Intuition zu dem kommerziellen Nutzen, der sich aus dieser Frucht ziehen ließ, begann er, sie auf dem Seeweg nach New Orleans und in andere nordamerikanische Städte zu spedieren. Der Zuspruch war von Anfang an groß. So groß, dass die zunehmende Nachfrage ihn von einem bloßen Händler zu einem internationalen Agrarunternehmer und Produzenten von Bananen machte. Es war der Durchbruch für die United Fruit gewesen, die zu Beginn der Fünfzigerjahre ihr Netz über Honduras, Guatemala, Nicaragua, El Salvador, Costa Rica und Kolumbien sowie mehrere karibische Inseln spannte und mehr Dollars einbrachte, als die allermeisten anderen Unternehmen in den USA und selbst im Rest der Welt verdienten. Dieses Imperium war ohne Zweifel das Werk eines einzigen Mannes: Sam Zemurray. Unzählige Menschen waren nun von ihm abhängig.
Für seinen Erfolg hatte er Tag für Tag von früh bis spät geschuftet und war unter widrigsten Bedingungen durch ganz Mittelamerika und die Karibik gezogen, hatte sich heldenhaft, Messer und Pistole im Anschlag, mit Abenteurern so wie er um Anbauland geschlagen, hatte hunderte Male in der Wildnis übernachtet, aufgefressen von Moskitos und immer wieder geplagt vom Sumpffieber, hatte die Obrigkeit bestochen, ahnungslose Bauern und Ureinwohner übers Ohr gehauen und mit korrupten Diktatoren verhandelt, mit deren Hilfe er - ihre Habgier oder Dummheit ausnutzend - nach und nach einen Grundbesitz erwarb, der sich bald auf mehr Hektar belief, als ein europäisches Land von ansehnlichen Ausmaßen sein Eigen nannte, hatte Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen, Schienenwege gelegt, Häfen eröffnet und die Barbarei mit der Zivilisation verbunden. Das zumindest sagte Sam Zemurray, wenn er sich gegen Angriffe wehren musste, denen sich die United Fruit - in ganz Mittelamerika La Frutera genannt und mit Spitznamen der Krake - nicht nur von neidischen Zeitgenossen ausgesetzt sah, sondern auch von der US-amerikanischen Konkurrenz. Tatsächlich hatte er nie zugelassen, dass andere mit seiner Firma in einen fairen Wettbewerb traten, vielmehr übte sie in dieser Region, was die Erzeugung und Vermarktung von Bananen anging, ein tyrannisches Monopol aus. In Guatemala zum Beispiel hatte er sich die vollständige Kontrolle über den einzigen Hafen des Landes an der Karibikküste gesichert - Puerto Barrios -, über die Stromversorgung und über die Eisenbahn, die die beiden Ozeane miteinander verband und ebenfalls seiner Company gehörte.
So grundverschieden Zemurray und Bernays auch waren, bildeten sie doch ein gutes Team. Ohne Zweifel verhalf Bernays der United Fruit in den USA zu einem besseren Image, machte sie in den Washingtoner politischen Kreisen salonfähig und brachte sie in Kontakt mit den Bostoner Millionären (die sich damit brüsteten, Aristokraten zu sein). Zur Werbung war er auf indirektem Weg gekommen, dank seiner guten Beziehungen auf allen Ebenen, vor allem aber zu Diplomaten, Politikern, Besitzern von Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsendern, zu erfolgreichen Unternehmern und Bankiers. Er war intelligent, sympathisch, überaus fleißig, und einen seiner ersten Erfolge konnte er verbuchen, als er für Caruso, den berühmten italienischen Tenor, eine Tournee durch die Vereinigten Staaten organisierte. Seine offene und kultivierte Art und seine umgänglichen Manieren gefielen den Menschen, so hatten sie das Gefühl, bedeutender und einflussreicher...
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