Schweitzer Fachinformationen
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Die Banshee saß an einem der Zuflüsse zum See und weichte ihren Lappen ein. Aufgrund ihres ausgeprägten Waschzwangs hatte Mylo ihr bereits vor Wochen einen ausgebleichten Lumpen überlassen, der nachweislich nie von einem lebenden Menschen am Leib getragen worden war, denn jedes Kleidungsstück verwandelte sich in ihren Händen zum Totenhemd. So wie die Redcaps und Baobhan-Siths lieber echtes Menschenblut gehabt hätten, verlangte es die Banshee dauerhaft nach einem Hemd, das noch warm vom Körper seines Trägers war. Aus diesem Grund musste man in ihrer Nähe stets auf der Hut sein und durfte niemals eine Tunika oder ein Unterkleid unbewacht herumliegen lassen.
Also schrubbte die Todesfee nun tagein, tagaus in gebückter Haltung ihren Ersatzlappen. Ihr Rücken war entsprechend krumm, und ihre Hände sahen bleich und aufgequollen aus, aber wenigstens war sie beschäftigt. Wenn sie nämlich nichts zu waschen hatte, fing sie zu klagen an, was sich kaum aushalten ließ. Ihr durchdringendes Geschrei schallte dann durch den ganzen Wald, machte das Seemonster aggressiv, verschreckte den armen Urisken und raubte Mylo den letzten Nerv.
Dem »todsicheren« Plan von Broc folgend, trat Mylo nur mit seiner Hose bekleidet vor die Todesfee. Die graue Kutte und den Umhang hatte er zusammengerollt zwischen die Weinfässer geschoben, wo sie im Zweifelsfall unerreichbar sein sollten. Schließlich konnte niemand wissen, wie die alte Moira auf das außergewöhnliche Mahl reagieren würde, das er ihr heute überbrachte.
»Sei gegrüßt, Gevatterin«, sprach Mylo die Banshee an, der er aufgrund ihrer Gefährlichkeit mit mehr Respekt begegnete als allen anderen Waldbewohnern.
Die Todesfee hob den Kopf und musterte ihn durchdringend. Sie war eine Greisin mit schlohweißem Haar, hervorstehenden Zähnen und nur einem Nasenloch. Ihre ausgeprägten Hängebrüste waren unbedeckt, nur um den Unterleib trug sie eine fleckige Schürze, die eindeutig seltener gewaschen wurde als ihr geliebter Lumpen. »Ah, der zukünftige Druide«, lispelte sie. »Musst du immer noch die Bestien des Waldes pflegen, weil kein Gott sich deiner erbarmt und dir ein Fünkchen Magie zuspielt?« Ein leises boshaftes Lachen erklang, dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit, tauchte den Stoff ins Wasser, wrang ihn aus und tunkte ihn erneut unter.
Mylo ließ sich nicht provozieren. Mit dem Milchkrug in der Hand trat er an sie heran und stellte ihn neben sie ans Ufer. »Teile sie dir gut ein. Ich komme erst nächste Woche wieder.«
Er wollte sich eben abwenden und zurück zum Wagen gehen, da hievte die alte Moira sich hoch und richtete ihren stechenden Blick auf ihn. So abstoßend ihre sonstige Gestalt war - ihre Augen strahlten in einem leuchtenden tiefklaren Blau wie zwei kleine Gebirgsseen von unermesslicher Tiefe. »Wo sind deine Kleider, Bursche? Du wirst sie doch nicht vor mir verstecken?«
»Nein, Mütterchen. Aber innerhalb der Dämmerfeste wird von einem Anwärter erwartet, sich stets sittsam zu kleiden. Also habe ich beschlossen, dass wir beide kein unnötiges Risiko eingehen müssen und ich ein wenig Sonne an meine Haut lassen kann. So schlage ich zwei Fliegen mit einem Lappen, verstehst du?«
Sie kicherte. »Hast du auch die Baobhan-Siths ohne Hemd aufgesucht? Das grenzt an Vampirquälerei!«
Er antwortete nichts darauf, sondern setzte nur ein vielsagendes Lächeln auf, das ihn einiges an Überwindung kostete. Innerlich war er nur halb so gelassen, wie er sich gab.
»Lass dir deine Milch schmecken.« Er kletterte auf den Wagen und nahm die Zügel zur Hand. »Wir sehen uns nächste Woche.«
Noch während er das Maultier wendete, beobachtete er aus den Augenwinkeln, wie Moira nach dem Milchkrug griff. Sie entkorkte ihn, roch am Inhalt und setzte ihn dann an die Lippen. Mylo drehte sich nicht mehr um, sondern steuerte den Wagen in die Gegenrichtung. Dabei hielt er den Atem an und zählte innerlich jeden seiner Herzschläge mit, bis er schon glaubte, Brocs Plan wäre aufgegangen.
Mitten in seine Erleichterung hinein ertönte ein derart durchdringender Schrei, dass ihm das Blut in den Adern stockte. Es begann mit einem kehligen »Äääääähhhh!«, steigerte sich zu einem klirrenden »Iiiiiiieeeehhh!«, gefolgt von einem überdeutlichen »Komm sofort zurück, du Balg einer Aasnatter!«.
»O weh«, murmelte Broc vom Sitz nebenan. »Es hat ihr wohl doch nicht geschmeckt!«
Mylo schnalzte mit der Zunge, um das Maultier schneller voranzutreiben, da erscholl der Schrei der Banshee erneut: »Brollachan!«, kreischte sie. »Brollachaaaaaan!«
»Gar nicht gut!«, piepste Broc, während er auf seinem Sitz immer mehr zusammenschrumpfte und schließlich sogar unter dem Kutschbock in Deckung ging.
Verflucht!, schoss es Mylo durch den Kopf. Wenn er eines nicht brauchen konnte, dann eine Banshee, die sich mit einem Brollachan verbündete! Er hatte nicht einmal gewusst, dass sich eines dieser gestaltlosen Wesen im Druidenwald niedergelassen hatte. Kein Wunder, denn Brollachans waren so gut wie unsichtbar, solange sie nicht von einem anderen Geschöpf Besitz ergriffen. Lediglich ihre Augen und ihren Mund sah man manchmal durch aufsteigenden Nebel blitzen.
Das Maultier trabte so hastig von dannen, als wüsste es genau, dass Unheil blühte. Schnell genug war es indes nicht. Denn mit einem Mal schwebte von einer gewaltigen Eiche über ihnen ein Schatten auf die Ladefläche herab. Eine riesige Krähe nahm die Lücke zwischen den Weinfässern ins Visier und versenkte ihre Krallen in Mylos Kutte. Doch erst als sie mit ihrem Diebesgut wieder in die Lüfte stieg, konnte man ihre hell leuchtenden Augen sehen. Noch weitaus abscheulicher fand Mylo die Tatsache, dass der Vogel keinen Schnabel besaß, sondern eine Nase und einen menschlichen Mund. Damit schrie er triumphierend nur ein einziges Wort, aber dieses dafür gleich mehrfach hintereinander: »Ich! Ich! Ich!«
»Grauenvoll!«, stieß Broc bibbernd hervor.
Mylo brachte das Maultier zum Stehen. Hilflos sah er mit an, wie der Brollachan seine Kutte zur Banshee trug und in deren gierig ausgestreckte Arme fallen ließ.
»Monstermilch hast du mir gebracht!«, kreischte diese, wobei sie mehrmals hintereinander ausspie. »Bittere, scharfe Monstermilch, die in meiner Kehle brennt wie Feuer! Dafür wirst du büßen!«
»Du! Du! Du!«, krächzte der Brollachan.
Und ehe Mylo sich verteidigen, geschweige denn in irgendeiner Weise eingreifen konnte, hatte die alte Moira sein Kleidungsstück in den Bach geworfen und angefangen, es zu schrubben. Er spürte einen eisigen Schauder über seinen Rücken jagen, als hätte man ihn selbst ins kalte Wasser getaucht. Tausend kleine Nadelstiche fuhren auf seine Haut nieder, und für einen kurzen Moment fühlte er die Umklammerung frostiger Finger um sein Herz.
Ohne auf Broc, den Wagen oder das Maultier zu achten, sprang er vom Bock und rannte zum Bach. Die Todesfee sah ihn kommen und stieß ein unangenehmes Kreischen aus, während sie nur noch schneller weiterschrubbte. Gierig wie ein Raubtier zog sie das Gewand über ihren Waschstein, tunkte, scheuerte, wässerte wie von Sinnen, wobei der Geifer aus ihrem zahnlosen Mund rann. Als Mylo sie erreichte und ihr die Kutte entwinden wollte, krallte sie die gichtgeplagten Finger um den Stoff. Es kostete ihn einiges an Mühe, doch letzten Endes behielt er die Oberhand. Schwer atmend brachte er sein Gewand in Sicherheit. Dann stand er da und starrte darauf hinab, wie es tropfend in seinen Händen lag.
»Das hast du jetzt davon!«, keifte die Banshee.
»Ich . ich werde .«, setzte Mylo an, doch sie fuhr ihm sofort über den Mund.
»Gar nichts wirst du! Ein tragisches Unglück war das. Wer konnte schon ahnen, dass ein völlig unbekannter Brollachan sich deiner Kutte bemächtigen würde, um sie an eine arme ausgemergelte Banshee zu übergeben? Niemand wird mich dafür zur Rechenschaft ziehen, dass ich dieses unverhoffte Geschenk angenommen habe, ebenso wenig wie man den Wolf bestraft, weil er das Lamm gefressen hat, das sich in seine Höhle verirrte. Aber du, mein hinterlistiger Freund . wirst nun ste-her-ben!« Sie grinste so breit, dass er ihre wenigen verbliebenen Zahnstummel sehen konnte.
»Du!«, bestätigte die Krähe, die sich ganz selbstverständlich auf der Schulter der Banshee niedergelassen hatte.
»Nimm auf der Stelle diesen Fluch von mir!«, forderte Mylo.
»Ich?« Fragend richtete der Brollachan seine roten Augen auf die alte Moira.
»Nein, er spricht mit mir«, erklärte diese und streichelte dem Dämon übers Gefieder. Allein diese Geste machte klar, dass die beiden sich schon länger kannten. »Man merkt, dass der Bursche noch keine umfassende Ausbildung erhalten hat. Sonst wüsste er, dass ein einmal gewaschenes Totenhemd den Schmutz des Lebens für immer abstößt. Da ist nichts mehr zu machen!«
Ein dumpfes Pochen dröhnte durch Mylos Kopf. Wie hatte er sich nur in diese verfahrene Situation gebracht? Unermesslicher Groll gegen Broc stieg in ihm auf, zugleich mit einer Frage - der einzigen, die jetzt noch von Bedeutung war: »Wann?«
Moira zuckte mit den Schultern. »Sagen wir, in drei Tagen? Genau weiß ich es nicht. Lange hast du mir dein Kleidchen ja nicht gelassen. Wenn du willst, dass es schneller geht, gib es mir noch mal. Es wird eine Erlösung für dich sein.« Sie rieb sich die Hände.
»Und da ist nichts, was ich dagegen tun kann? Niemand, der es ungeschehen machen kann?«
»Nichts und niemand!« Kein Funken von Mitleid oder Reue schwang in dieser Aussage der Banshee mit, sondern einzig und...
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