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Zum 100. Geburtstag von Siegfried Unseld
Für Siegfried Unseld waren Briefe nicht nur eine Arbeits-, sondern auch eine Lebensform. In ihnen ordnet er seine Gedanken. Sie begleiten und festigen Freundschaften. Sie helfen auf seinem beispiellosen Weg. Wichtige Förderer wie Hermann Hesse oder Peter Suhrkamp lernen ihn zunächst schriftlich kennen. Auch später, als das Reisen und Telefonieren leichter, üblich wird, legt der berühmte Verleger größten Wert auf seine Korrespondenz.
Über ein halbes Jahrhundert hinweg verschickte Siegfried Unseld täglich zahlreiche Briefe. So finden sich in den Archiven heute über 50.000 eigenhändig geschriebene oder auch diktierte Schreiben. Aus dieser Fülle haben die Herausgeber 100 exemplarische Briefe ausgewählt und kenntnisreich kommentiert. In dem, was Siegfried Unseld Ingeborg Bachmann, Samuel Beckett, Ignatz Bubis, Hans Magnus Enzensberger, Max Frisch, Henry Kissinger, Autorinnen wie Autoren, Verlegern, Journalistinnen mitteilte, spiegelt sich nicht nur Unselds Denken. Diese Briefe dokumentieren eindrucksvoll und vielfältig die intellektuelle Geschichte der Bundesrepublik.
[2] Aus Blaubeuren oder Tübingen an Walter Fritz in Stuttgart
16. November 1948
Lieber Herr Fritz!
Für Ihren Brief vom 11. d.??M.[onats], den ich gestern erhielt, danke ich Ihnen sehr. Er ward mit einiger Spannung erwartet. Sie hatten ja mit Ihrer Antwort auf sich warten lassen und ich musste schon annehmen, Sie seien unseres Planes überdrüssig geworden.1 Sie dürfen überzeugt sein, und hiermit greife ich zuerst den letzten Punkt Ihres Briefes auf, dass ich über die Pläne im allgemeinen und über Ihre Person im besonderen Stillschweigen wahre.2 Ausserdem wissen Sie ja, dass es gewisse Leute gibt, denen ich dies nur schonend beibringen könnte. Der einzige mit dem ich eigentlich näher darüber sprach, war mein Freund Ehrlich - jedoch ebenfalls ohne Ihre Person zu nennen. Mit ihm - er ist der Geschäftsführer des Tübinger Verlagshauses und wohl einer der gerissensten Verleger - habe ich den ganzen Plan kalkulatorisch durchgesprochen. Nach anfänglichem Zögern konnte ich ihn durchaus überzeugen und wir sind zu einer nicht unerfreulichen Bilanz gekommen.
Auch er wunderte sich über die angebahnten Autorenverbindungen. Damit könnten wir einen Start wagen. Ich habe das letzte Börsenblatt für den Weihnachtsmarkt - ein Schmöker mit ca. 500 Seiten [-] genau studiert und kann füglich behaupten, dass eine Verlagsneugründung nicht immer mit solchen Autoren aufwarten kann. Und dass uns auch späterhin die Autorenmangelkrankheit nicht befällt, lassen Sie mich sorgen. Ich muss mich schon jetzt im Zaume halten, dass ich nicht noch weitere Verbindungen anbahne. Ich habe schon wieder Einiges erfahren können.
Nun aber zu Ihren Fragen: 1. Das Problem der Papierbeschaffung ist natürlich schwierig. Hier ist jedoch noch grundsätzlich zu klären: Sie sprachen bei unserer Unterredung von einer schwedischen Papierquelle. Wie ist diese realisierbar? Bei einem einigermassen erschwinglichen Preis könnte ich Ihnen jede Menge abnehmen. Wenn nicht für uns, so zum Zwischenverkauf. Die Handhabung in der französischen Zone ist z.??Zt. folgendermassen geregelt: Die Verlage reichen ihre voraussichtlichen Halbjahresprogramme ein (das nächste am 1.??4.!) und erhalten der Bedeutung des Programms entsprechend ihre Papierschecks, die z.??Zt. von den hiesigen Papierfabriken mit einer Lieferzeit von 2-4 Monaten gedeckt werden. Ein anderes Werk als das auf dem Halbjahresverzeichnis genannte, darf nicht veröffentlicht werden, auf der anderen Seite besteht keine Verbindlichkeit, die eingereichten Werke auch tatsächlich zu veröffentlichen. Sie sehen also hier die Möglichkeiten, durch Maschen zu schlüpfen. Als Papierlieferant käme m.??E. in erster Linie die Firma Schachenmayr in Mochenwangen in Frage. Sie fertigt z.??Zt. in der franz. Zone das beste und billigste Papier an. In Stuttgart S?[?üd], Sonnenbergstr. 24 sitzt ihr Vertreter Herr Arthur C. Schultz. Ein sehr netter Herr. Er kennt mich vom Verlage her gut und ich habe ihm auch schon die meisten Mohraufträge zugeschanzt. Er kommt des öfteren hierher. Leider konnte ich ihn in dieser Angelegenheit noch nicht sprechen, d.??h. wollte es zunächst auch nicht, bis sich die Angelegenheit weiter geklärt hat. Vielleicht suchen Sie ihn einmal auf. Wenn Sie wollen, bezw. in nähere Unterhaltung mit ihm treten wollen, beziehen Sie sich natürlich auf mich.
Im übrigen wäre das Schwedenpapier halt der beste Ausweg. Dann wären wir u.??a. Umständen konkurrenzfähig, denn bis nächsten Herbst wird wohl Österreich und die Schweiz mit Büchern auf holzfreiem Papier aufwarten. Ausserdem wäre eine Lizenz, die man sans papier einreicht, wohl innerhalb 4 Wochen zu erhalten.3 Ich bin im übrigen mit Ihnen der Ansicht, dass die beste Ausstattung für uns gerade gut genug ist, wobei die beste nicht immer die teuerste sein muss.
Die Frage der Buchbinderei scheint mir deshalb nicht so vordringlich zu sein, da ich über gute Beziehungen verfüge. Bei meiner freund-nachbarschaftlichen Verbindung mit Herrn Dahm, dem Inhaber der Grossbuchbinderei Koch[,]4 kommen wir im 1. Jahr gut mit den vorgesehenen Büchern unter. Koch ist eine ausgezeichnete Buchbinderei, die ihre Aufträge sehr gut ausführt. Leinen ist zunächst nicht zu liefern. Ausserdem sind den Druckereien, mit denen ich zu verkehren gedenke, Buchbindereien angeschlossen, so dass wir hier nicht sonderlich besorgt sein müssen. Wesentlich ist hier ja auch die Gestaltung des Einbands. Ein schöner Pappband muss oft schlechten Leinenbänden vorgezogen werden.
Die Buchbinderpreise liegen nach den neuesten Aufschlägen
Bogen
Pappband pro Exempl-
Leinen pro Exemplar
10
-. 50
60 - - .70
20
-. 60
-. 80-90
30
-
1.10
Werten Sie diese Angaben bitte nicht als aus dem Handgelenk geschüttelte Preise. Sie sind sorgfältig erwogen und stimmen genau. Broschuren kommen m.??E. zunächst nicht in Frage.
Was den Fall Zuckmayer5 angeht, müssen wir hier überlegt vorgehen. Ich halte es zunächst für das Beste, wenn Sie ihm unterhaltender Weise Interesse für eine Verlagsgründung abgewinnen könnten. Ich komme selbstverständlich gerne, nur müssen Sie dann selbst das Gefühl haben, dass dies Z. dann nicht ungelegen kommt. Im übrigen würde ich mich auf die Unterredung sehr freuen. Vielleicht kann er uns, wenn er nicht ganz von Suhrkamp abgehen will, ein Verlagsrecht wenigstens für einen gewissen Zeitraum verschaffen, das nach Ablauf dieser Zeit automatisch wieder an Suhrkamp übergeht. Auch damit wäre uns sehr geholfen.
Was den Termin der Lizenzierung angeht, möchte ich natürlich keinesfalls voreilig drängen. Unter allen Umständen sollten wir jedoch bis zum 1.??4. die Lizenz haben um noch zu der Einreichung der Halbjahresverzeichnisse und zum Weihnachtsgeschäft 1949 zurecht zu kommen. Ich verstehe natürlich auch, dass Sie sich vor dem Lastenausgleich nicht festlegen wollen. Wäre denn eine rasche Geldanlage in unserem Unternehmen keine Möglichkeit, wenigstens mit einem Teil des Kapitals durch Maschen zu schlüpfen?6 Aber dies werden Sie ja besser als ich beurteilen können. Teilen Sie mir doch gelegentlich mit, ob Sie eine Möglichkeit befürchten müssen, sich nach einer ev. besonderen Belastung nicht mehr beteiligen zu können. Bei meiner Endkalkulation kommt die Herstellung 1 Buches (einschl. sämtlicher Unkosten, die das junge Unternehmen erfordert) auf ca[.] DM 10??000.-, so dass das Kapital von DM 30??000, das Sie einlegen wollten, ausreichen würde.
Das rasche Aufgeben der Studentischen Blätter hat mich in der Plötzlichkeit doch etwas überrascht.7 Was wird dann übrigens aus Ihrem Tübinger Zimmer? Sie wissen ja, dass ich an einer ständigen Bleibe sehr interessiert bin.8
Soviel nun für heute. Ich hoffe schon so, Ihre Fragen zu ausführlich beantwortet zu haben.
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