Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Es war Aufstehzeit. Protagonist rieb sich noch verschlafen die Augen und freute sich, dass er seine verdiente Nachtruhe bekommen hatte.
Es war kurz vor sechs Uhr morgens, so dass er noch Zeit hatte seinen Wecker abzustellen, bevor dieser sein gewohntes schrilles Klingeln intonierte, ein Geräusch, dass jeder normal veranlagte Mensch verabscheute. Er gähnte und streckte sich ausgiebig, um sich danach gemächlich aus dem Bett zu pellen und in Richtung Toilette zu schlurfen, so wie es nun mal vorgesehen war.
Diese Alltäglichkeit musste hier betont werden, denn in letzter Zeit waren die Nächte des Mittdreißigers nicht so harmonisch verlaufen. Und das lag garantiert nicht an einem möglicherweise stark unkonventionellem Sexleben voller Ausschweifungen lag. Nicht bei jemandem wie ihm.
Nein, er hatte sporadisch diese sehr merkwürdigen, befremdlichen Albtraum Attacken, die ihn stark mitnahmen, obwohl ihm am nächsten Morgen nur bizarre Fetzen davon im Gedächtnis blieben. Nun hat jeder Mensch von Kindesbeinen an hin und wieder Albträume, wobei Kinder Probleme haben, diese "Erlebnisse" von der Realität zu unterscheiden. Und exakt, das war es, was ihm nach jeder "Übertragen" zu schaffen machte. Diese blitzartigen Einschläge in seinen gewohnten Schlaf kamen wie aus dem Nichts - und hatten eine ganz anders geartete Qualität zu bieten, als der übliche Programm: Es war beängstigend lebensecht, hautnaher als mit einer Reality Brille anstelle einer drögen TV-Übertragung.
Trotz ihrer Kürze beeinträchtigten diese Schocks seinen gesamten Tagesablauf, so dass er sich nach getaner Arbeit genauso gerädert fühlte wie beim Aufstehen. Das war nicht gesund.
Dabei war er sich keiner Schuld bewusst. Er ging zu normaler Zeit ins Bett, nahm kein üppiges Abendmahl zu sich und führte auch sonst kein aufregendes oder riskantes Leben, was er als Buchprüfer auch schwer hätte bewerkstelligen können.
Protagonist war nämlich ein echter Langweiler, was bei seinem Faible für trockene Zahlen kein Wunder darstellte; und nicht einmal die Rechnerei selbst war ein "Lebenserfüllung" für ihn, welcher er sein Herzblut opferte. Er fand diese abstrakte Routine einfach ungemein beruhigend, beinah als eine Art von Meditation, denn die Zahlen mit denen er jonglierte waren für ihn absolut anonym. Und er verschwendete keinen Gedanken daran, dass sich hinter seiner peniblen Überprüfung vielleicht Menschenschicksale verbergen konnten. Seine Arbeit hatte etwas von der Lösung von Kreuzworträtseln an sich, denn es ging allein darum, Muster zu betrachten und Unregelmäßigkeiten im System aufzuspüren, was ihm mit traumhafter Sicherheit gelang. Er "sah" quasi, wo etwas nicht stimmt und war augenscheinlich mit einem besonderen Gespür oder Sinn für diesen Beruf wie prädestiniert.
Noch. Denn er selbst machte sich Sorgen über den Fortschritt der Technik, die mit überhöhter Geschwindigkeit Anlauf nahm, die Menschheit zu überholen. Wann würde eine zukünftige KI ihn mit Leichtigkeit deklassieren können, so dass er im Regen stehen stünde und sein ganzes Berufsmodell nur noch Makulatur war.
Sein nerdisches Talent war aber auch schon alles, was man ihm als außergewöhnliches Merkmal anschreiben konnte; ansonsten wirkte er blass und unauffällig, jemand den man gerne übersah, besonders bei Beförderungen.
Optisch gab er mit seiner wuchtigen Clark Kent-Hornbrille auch nicht viel her, obwohl er durchschnittlich groß und attraktiv war, ein durchschnittliches Gesicht hatte und durchschnittlich gekleidet war - eben zu viel Durchschnitt. Auch sein Gehalt war dementsprechend, so dass er sich nur einen Kleinwagen leisten konnte, der aber spritsparend seinen Zweck erfüllte. Das war doch die Hauptsache, oder.
Allein seine derzeitige Freundin war nicht durchschnittlich, sondern eher eine Rakete, was seine Bekannten und wenigen Freunde irritierte - was fand sie nur an ihm?
Sie war nämlich äußerlich aus der Model-Kategorie, die sich sonst nur wohlhabende Männer angelte und dem Luxus erlegen war. Aber diese feenhaften Wesen waren immer mehr Schein-werfen als Sein-werfer.
Innerlich dagegen schien sie wohl eher ängstlich und ohne großes Selbstbewusstsein zu sein, sonst hätte sie sich nicht an diesen aufrechten und allzu seriösen Biedermann gehängt. Und er war dazu auch noch gebildet, während sie im College allein von ihrem Aussehen hatte profitieren müssen. In punkto Intellekt und Allgemeininteresse konnte sie nicht wirklich mithalten, auch wenn sie nicht blöd war und als Barbie diskriminiert werden konnte.
Ansonsten konnte er ihr nun wirklich nicht allzu viel bieten, abgesehen von seiner Treue und Aufrichtigkeit - vielleicht genau das, was sie als Schönheit bislang an seinen etlichen männlichen Vorgängern vermisst hatte, die sich als schamlose Ausnutzer des brünetten "Dummchens" erwiesen hatten? Bei ihm fühlte sie wenigstens eine neue Art von Sicherheit und Verlässlichkeit, auch wenn er selbst an den Wochenenden nicht unbedingt die Partykanone war, mit denen sie sich sonst verlustiert hatte.
Aus diesen verständlichen Gründen machten sich seine neidischen Kollegen (Buchprüfung schien ein reiner Männerberuf zu sein) Gedanken darüber, wie lange das wohl gutgehen würde - und schlossen sogar Wetten darüber ab. Besonders beliebt schien er demnach auch nicht zu sein, aber das waren introvertierte Menschen nie.
Doch die unterschwellige Sorge um seine berufliche Zukunft war es nicht, die ihn nachts mit diesen ungewöhnlichen Horrorvorstellungen heimsuchte, denn diese ignorierte er gefälligst. Er besaß weder die Fantasie, sich einen neuen Job vorzustellen, noch war er bereit sich in diesem Punkt beraten zu lassen; er war doch genau da, wo er sein wollte.
Wenn er einen Traumberater aufgesucht hätte, hätte dieser allerdings genau in diese Kerbe gehauen, denn alles schien auf eine unbewusste Auseinandersetzung mit der futuristischen Zukunft hinzudeuten - Protagonist hatte nämlich ein "Alien-Problem"!
Zur Beruhigung, und um es gleich vorwegzunehmen - es war nicht, was Sie befürchten mögen. Er war keineswegs meschugge und bildete sich ein, von Aliens entführt oder unsittlich berührt zu werden. Und es waren auch keine richtigen Aliens, sondern eher Schnappschüsse von fremden Raumfahrern oder Raumschiffen, die in seinem nächtlichen Gehirn ohne Zusammenhang auftauchten und wieder verblassten.
Kein Grund zur Panik - er hatte nur zu viel Enterprise gestreamt? Fehlanzeige. Auch dieses Format war dem heimlichen Kontrollfreak wohl zu aufregend und unberechenbar, als dass er dieses zu seinem heimlichen Laster gemacht hätte. Natürlich, als Kind hatte er wie jedes Kind noch von E.T. und Spock geschwärmt - aber irgendwann musste doch jeder Buchprüfer erwachsen werden, oder? Also warum jetzt diese Flashbacks?
Das alleine wäre es ja nicht gewesen, wenn diese Trugbilder nicht solche gedanklichen Konsequenzen und Unsicherheiten nach sich gezogen und ihn zum Grübeln gezwungen hätten; das schätzte der Gradlinige nun gar nicht.. Warum sollten sie ihn ausgerechnet Schrecken starr aus dem Schlaf reißen und ihn mit hämmerndem Herzen nach Luft schnappen lassen?
Warum diese Schauer, die ihm danach noch lange den Rücken herunter liefen. Wieso war er schweißgebadet?
Sollten ihn nicht existierende Aliens doch verschleppt haben, was er aber aus seinem Gedächtnis verdrängt und gelöscht hatte?
So etwas machte Angst und ließ einen den ganzen Tag dann nicht mehr los, so dass Protagonist nach solchen Erlebnissen fahrig und unkonzentriert seine Arbeit verrichtete; er musste sich immerzu korrigieren, wobei sein Unbewusstsein ihn aber jedes Mal früh genug vor einem Fehler bewahrte. Trotzdem war dieser Zustand belastend und Stress pur.
Und auch die Kollegen schienen zu merken, dass er nicht ganz auf der Höhe war und rieten ihn, mal einen Arzt zu konsultieren.
Das nahm er aber gar nicht gut auf, denn er war besorgt, dass ihm vielleicht nur ein Psychiater aus dieser Misere heraushelfen könnte, was sein gesamtes ordentlich geregeltes Dasein ins Wanken bringen würde.
Übrigens hieß 'Protagonist' natürlich nicht mit bürgerlichem Namen so, denn kein Elternpaar wäre so unsensibel, ihr Baby mit einem derartigen Namens-Fluch zu belegen. Und 'Protagonist' war immer noch besser als "Der Simpel, der früher Prince geheißen hatte".
Bei dieser Bezeichnung handelte es sich natürlich nur um ein Pseudonym damit die wahre Identität des Protagonisten geheim bleiben konnte und seine Sicherheit oder nur seine Glaubwürdigkeit gewährleistet bleiben würde, man konnte ja nie wissen. Den hatte er sich zu Beginn seiner Aufzeichnungen aus reiner Übervorsicht zugelegt, so war er eben.
Jedenfalls war der gefestigte, brave Bürokrat, der stets den geraden Weg eingeschlagen hatte plötzlich ins Schlingern gekommen, weil sich seine Straße zu winden begonnen hatte, was...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.