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Oberhausen, November 2006
Aufwachen, mein Jung. Es ist keine Fußball-WM mehr. Keine Gauchos an der Abfahrt Gelsenkirchen-Buer, keine Alphornbläser an der B1, keine Sambatrommeln mehr am Dortmunder Kreuz, keine Wikinger mehr auf der A1. WM im eigenen Land, war das ein Spektakel. Die Welt zu Gast bei Ballautisten, hätte man zumindest vorher gedacht. Was waren die Diskussionen im Vorfeld doch eloquent. Die Abwehr ist nun mal unsere Achillesferse, gut Mittelfeld und Angriff auch. Und spannend war es. Der Ball wurde blind nach vorne gekickt. Die Kamera suchte erst mal wie wild den Ball. Dann die Frage: Steht da überhaupt jemand - und wenn ja, wie hölzern bis hüftsteif wird er den Ball unter Kontrolle bringen? Nein, nein, unsere ungraziösen elf Balltreter haben es allen gezeigt. Eine WM der Gefühle. Das Schönste daran war, dass sich diese Gefühle auf eine lockere, ungetrübte, fröhliche Art zeigten, die Fanmeile zum Wahrzeichen für Lebensfreude wurde. Ein Land färbte sich plötzlich schwarz-rot-gold, wie ein stolzer Pfau vor einem weltweiten Publikum präsentiert, angestrengte Patriotismusdebatten fanden, wenn überhaupt, nur noch in den Feuilletons statt. Auf der Straße und in den Stadien ist die verdruckste Scham im Umgang mit nationalen Symbolen offenbar einem unverkrampften Verhältnis gewichen. Dazu Grillgeruch, der überall wabert, Deutschland präsentiert sich unverkrampft und cool, fast hätte es zur ganz großen Heldentat gereicht.
Apropos Heldentat: Es ist der 1. November 2006, auf geht's Richtung Norden. Mein Roadster ist präpariert auf Winter und vollgestopft bis unters Dach. Die 5-kg-Hanteln (wer wird schon gleich nach den Sternen greifen) dabei fachmännisch auf dem DVD-Recorder platziert.
Nun war es so weit. Meine Eltern winkten wie die Marshaller auf dem Vorfeld, als müssten sie den neuen Airbus A380 am Düsseldorfer Flughafen in die endgültige Parkposition einweisen. Ich starrte auf einen Zettel, klebend an meiner Mittelkonsole, beschriftet mit dem isländischen Sprichwort: »Nur dumme Kinder bleiben zu Hause.« Peu à peu servierte ich mir gedanklich alle Lebensweisheiten, die mir seit meinem Dänemark-Entschluss in meinem systemischen Umfeld feingeistig entgegengebracht wurden.
»Wer niemals losfliegt, wird nirgends landen«, »Will man zu neuen Ufern, muss man den Hafen verlassen«, »Die größte Sehenswürdigkeit ist die Welt, sieh sie dir an«. Oder um es gleich mit den Worten des berühmten dänischen Märchenerzählers H. C. Andersen zu sagen: »Meine Erziehungsschule ist das Leben und die Welt - ich muss reisen.«
Meine Innovationstour konnte beginnen, meine sechsmonatige Entdeckungsreise, auf nach Dänemark in das urbane Schaufenster Skandinaviens. Zu diesen Design-Dänen, diesen erstaunlichen Glückspilzen. Dafür, dass die Dänen gleich nebenan leben, wissen wir von ihnen eigentlich ziemlich wenig, außer dass sie laut World Happiness Report gefühlt die letzten 20 Jahre hintereinander zum glücklichsten Volk der Erde gekürt wurden. Zugeschrieben wird dieses Lebensglück der international bekannten Hygge, mit Sicherheit eine perfide Erfindung der dänischen Tourismusindustrie.
Ich habe dieses Land schon immer geliebt. Das fing bereits 1990 an, als ich mich als damals 13-Jähriger in die 14-jährige Pernille aus Herning verliebte (Camping-Romantik machts möglich). Dänemark war schon immer wie Seife für meine Seele - die Abgründe der dänischen Sprache mal ausgeklammert.
Meine Auswanderung auf Zeit steht bevor und ich bezeichne meinen Aufenthalt nicht nur als Triathlon aus »Feiern, Schlafen und Fastfood«, nein, ich möchte lernen, meinen Horizont zu erweitern, möchte die sozialen sowie gesellschaftlichen Strukturen Dänemarks kennenlernen.
Gestern Abend beim Abschiedsessen mit der Verwandtschaft erwähnte ich noch pflichtbewusst, dass ich einerseits das dänische Leben kennenlernen, andererseits aber auch das universitäre System in Skandinavien erleben möchte. Ein Leben, das wahrscheinlich um einiges aufregender und spannender ist als das Leben daheim. Alle Verpflichtungen und Rollen, die ich normalerweise in meinem Leben habe, bleiben daheim. Solche Abenteuer fordern Eigeninitiative, es bildet, führt uns an neue Orte, zu anderen Menschen. Vieles ist neu, manches anders, alles interessant.
Klammheimlich denke ich dabei an Tequila-Shots aus Bauchnabeln und durchtanzte Nächte - ein prototypisches Partysemester eben. Das Zelebrieren der »besten Zeit des Lebens«, der »Keiner kennt mich!« - Mentalität. Fernweh, Spontanität, Abenteuer - der ganze Spirit ungezügelter Freiheit lief als Film vor meinem geistigen Auge ab. Ich sehe es als echtes Privileg, eine Zeit lang ohne Probleme in einem fremden Land leben zu dürfen, das Leben vor Ort richtig authentisch kennenzulernen und jede Facette der Stadt abseits der Touristenorte zu erleben. Fremde Länder bereisen kann man sein gesamtes Leben, aber tatsächlich im Ausland wohnen, diese Möglichkeit bietet sich vielleicht nie wieder. Mein tollkühner Plan: So gut es geht die Sprache lernen, internationale Bekanntschaften knüpfen und ein bisschen Globetrotter-Lifestyle leben - und jede Menge Bock im Handgepäck. Irgendwann im Leben beginnen die ewigen Wiederholungen, und aus früheren Highlights werden allmählich funzelige Gewöhnlichkeiten. Es war Zeit für die Highlights. Ich bin der Kapitän meiner eigenen Reise. Der Reise nach Dänemark. Mein Land! Auf nach Odense, um das Meer, die Menschen, die dänische Kultur zu genießen und unentdeckten Spaßwelten zu begegnen.
Nach einigen Minuten Fahrt hatte ich Oberhausen, die Blume des Reviers, in diesem eigentlich nichtsnutzigen Monat November (es sei denn, man hat ein Faible für Orkantiefs und Grippewellen) auf der A2 Richtung Norden verlassen. Ich passierte ein Museum für Baustellenbedarf nach dem anderen. Lässig und voller Ignoranz für neugierige Blicke erreichte ich wie geplant nach knapp sechs Stunden kultivierten Fahrstils die deutsch-dänische Grenze. Zielsicher zog ich meinen neuen Personalausweis hervor, um ihn stolz dem dänischen Zollbeamten unter die Nase zu halten. Er schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an, als hätte er sich soeben einen siebenfachen Espresso direkt in die Augen geschüttet. Möglicherweise irritierte ihn der im November bis unters Dach vollgestopfte schönste Roadster der Welt, möglicherweise gehören hervorstehende Augen zu den Symptomen seiner Arbeit. Vergleichbar mit einem Reh, kurz bevor der 30-Tonner drüber rauscht. Vielleicht verwirrte ihn auch mein Anflug von Oberlippenbart, dieser erscheint mir selbst oft wie eine postpubertäre Auflehnung. Oder roch er meinen Restalkoholpegel des französischen Weinberges, den wir gestern pflichtbewusst noch weggenippt hatten? Wie der Stadtteilfürst hielt ich ein kurzes vertrautes Pläuschchen, schilderte mein Anliegen, mit der Bitte, passieren zu dürfen. Der pummelige Grenzbeamte brabbelte irgendwas mit einem unverwechselbar-sympathisch-melancholisch dänischen Akzent. Ich gab dem Uniformierten großzügig die Möglichkeit, noch mal zu zeigen, was er auf der Polizeischule gelernt hatte. Allein seine Erscheinung, sein Auftreten - welch eine Performance! Prädikat: sehenswert. Eine unvergessliche Perle der Mittagsunterhaltung. Andächtig schaute ich ihm zu, wie er mich ungelenk in sein kleines Königreich durchwinkte. Dieser Dokumentenprüfer - ein Juwel im Morast der November-Langeweile. Mit den kulturellen Unterschieden ist das so eine Sache: Nur weil ein Land gleich um die Ecke liegt, heißt das noch lange nicht, dass man es auch wirklich kennt.
Nun war es also so weit, dänischer Boden unter meinem Z3. Und es ist wie immer, wenn ich diese Stelle passiere. Ich fühle mich von jetzt auf gleich unheimlich entspannt und relaxed, nichts könnte mich in dem Moment aus der Ruhe bringen. Als wäre ich in eine andere Welt eingetaucht, von Hektik keine Spur. Der Himmel empfängt mich in einem Blau, wie es allenfalls Verliebte in den Augen ihrer Angebeteten erblicken. Selbst an die Geschwindigkeitsbegrenzung, max. 130 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen, hat man sich schnell gewöhnt. Aber bei Geldbußen, angefangen bei ca. 150 Euro bei geringen Geschwindigkeitsüberschreitungen, sollte man sich besser daran halten. Ich erblicke das erste Werbeplakat für einen Hot Dog, was mich nur daran erinnert, dass ich von nun an ein halbes Jahr auf Currywurst verzichten muss.
Kurze Zeit später liegt sie vor mir, die Lillebæltsbroen (Kleine-Belt-Brücke), die Jütland und die Insel Fünen verbindet. Best of Hygge? Ab aufs drittgrößte Eiland Dänemarks! Zwischen Kleinem und Großen Belt begeistern vor allem Dünen, märchenhafte Schlösser, hübsche Hafenstädtchen, Reetdachhäuser und ganz viel Natur. Fünen wirkt wie ein best of Dänemark und strömt Gemütlichkeit pur aus. Die Insel hat sich ihre ländliche Idylle bewahrt und gehört zu den eher unbekannten Regionen Dänemarks. Dabei lebt jeder zehnte Däne auf dieser Ostseeinsel. Eines von Fünens Wahrzeichen ist aus Beton und Stahl und liegt auf der Ostseite der Insel, die Storbæltsbroen (Große-Belt-Brücke), die viertlängste Hängebrücke der Welt, eine 18 Kilometer lange Überquerung der Meerenge zwischen Fünen und Seeland. 254 Meter hoch sind die zwei Pylone, gleichzeitig auch der höchste Punkt in Dänemark. 1998 eingeweiht, soll die Brücke mindestens 100 Jahre halten. Bis zu 36000 PKWs überqueren die Brücke täglich. Fünen liegt somit märchenhaft eingerahmt von den Meerengen Kleiner und Großer Belt. Die Lage, umgeben vom Meer, fördert ein besonders mildes Klima mit höheren Temperaturen und wenig Frost....
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