Schweitzer Fachinformationen
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Die Schulung der neuen Angestellten, die am 1. April begonnen hatte, war endlich vorüber. In den ersten beiden Wochen hatte es theoretischen Unterricht gegeben, und wir hatten im Trainingszentrum gewohnt, aber in der dritten Woche waren wir in Gruppen aufgeteilt und nacheinander in die Zentrale, in Fertigungsbetriebe, Vertriebsbüros und in die Verwaltung geschickt worden, bevor wir unseren Trainee-Kollegen Vorträge über das halten mussten, was wir bei diesen Besuchen gelernt hatten.
Bei jedem neuen Ziel wurden diese fünfköpfigen Teams umorganisiert, um sicherzustellen, dass wir alle die Chance bekamen, allen zu begegnen, die in dieser Saison zur Firma gekommen waren.
Aber in jeder neuen Abteilung mit neuen Leuten umzugehen war ungeheuer stressig für einen schüchternen Menschen wie mich, und ich war erschöpft.
Hinzu kam, dass die Führungsstreitigkeiten - man könnte sagen, die Hahnenkämpfe - unter den neuen Angestellten rau waren. Die Personalabteilung hatte uns gesagt: »Die Ausbildung der neuen Mitarbeiter ist ein Raum zum Lernen, kein Ort zum Einschätzen von Fähigkeiten und Eignungen«, aber in diversen Situationen - in den Fragestunden bei unseren Exkursionen oder bei Diskussionen und Präsentationen innerhalb unserer Gruppen zum Beispiel - tat sich natürlich eine Kluft auf.
Mit der Zeit und durch ständige Wiederholung entstand so eine Rangordnung.
»Wie ist der Typ bloß hier gelandet?«
»Wahrscheinlich hat jemand ein paar Strippen für ihn gezogen!«
Die Atmosphäre hatte sich so weit verschlechtert, dass man im Pausenraum Lästereien hören konnte. Am Ende, noch bevor die Ausbildung zu Ende war, hatten drei Leute gekündigt.
Wir sind Kollegen. Wir sollten einander helfen und uns vertragen. Ein paarmal hätte ich es fast laut gesagt, aber die Worte kamen mir nicht über die Lippen.
So ging es mir immer. Selbst bei den wichtigsten Themen konnte ich nie Stellung beziehen. Und das, was ich nicht sagte und deshalb nicht vermitteln konnte, lastete für alle Zeit auf mir.
Wie soll ich bei diesem Tempo das Verkaufstraining überstehen, das nach der Pause auf uns zukommt? Auf dem Heimweg zu einem Apartment, in dem niemand auf mich wartete, hatte ich Herzklopfen vor lauter Unruhe, obwohl ich soeben meinen ersten Gehaltsscheck bekommen und ein gutes Stück Freizeit vor mir hatte.
Ich ließ mich von der U-Bahn schaukeln, und plötzlich fiel mir etwas ein, das eine ältere Angestellte in einer Trainingssession gesagt hatte.
»Wofür werden Sie alle Ihr erstes Gehalt ausgeben? Natürlich können Sie es ausgeben, wofür Sie wollen, aber ich empfehle Ihnen, ein Geschenk für jemanden zu kaufen, der Ihnen auf Ihrem Weg geholfen hat. Was wird ihn wirklich freuen?«
Genau. Morgen werde ich losziehen und etwas suchen, um es Natsuko-san zu schicken. Und noch etwas anderes von Bedeutung . Aber wo finde ich etwas, das ihr gefällt? Hier in Tokio liegt vermutlich das Stadtviertel Ginza auf der Hand.
Kijima-san begleitete mich bis zum Haupteingang des Kaufhauses Matsukiya an der Chuo Dori in Ginza. »Also, Sie werden in diese Richtung gehen wollen. Sind Sie sicher, dass Sie sich zurechtfinden? Ich könnte einen jüngeren Mitarbeiter beauftragen, Sie zu begleiten. Ich würde selbst mitgehen, aber ich habe einen Termin. Tut mir leid.« Sie sah besorgt aus.
»Ich habe den Stadtplan, den Sie mir gezeichnet haben, bei mir, also finde ich mich zurecht. Außerdem habe ich mein Telefon. Ich schaffe das schon.«
»Das hoffe ich. Oh, ich werde im Laden anrufen. Dann bin ich sicher, dass Sie gut behandelt werden.« Kijima-san sah mich so liebevoll an wie sonst nur Natsuko-san.
»Okay, dann gehe ich jetzt.«
»Lassen Sie sich Zeit! Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas brauchen. Ich finde schon einen Weg, Ihnen zu helfen.«
Sie war eine Mutter, die ihren Sohn zum ersten Mal allein losschickte. Es war erst zwei Stunden her, dass wir uns kennengelernt hatten, aber es kam mir viel länger vor.
Ich ging los und hielt mich an den Plan, den sie mir gezeichnet hatte. Ich konnte eine Zeitlang geradeaus auf der Chuo Dori gehen. Als ich mich nach einer kurzen Strecke noch einmal umdrehte, stand Kijima-san immer noch im Eingang des Kaufhauses. Als ich ihr dankend zunickte, winkte sie.
Wow, niemand hat jemals einen Plan für mich gezeichnet. Ich glaube, heutzutage nennen die Leute dir einfach eine Website, und das ist alles. Auf dem Blatt mit dem Plan standen der Name des Kaufhauses, die Adresse und Kijima-sans Telefonnummer.
Nach zwei Ampelkreuzungen bog ich kurz vor der dritten in eine Gasse ein. Im Gegensatz zu der schicken Hauptstraße standen in dieser Gasse die Häuser dicht an dicht, und man fühlte sich ein wenig wie in einem Labyrinth. Nachdem ich ein Stück weitergegangen war, bog ich um eine zweite Ecke und entdeckte einen zylindrischen Briefkasten.
Offenbar wurde er regelmäßig angestrichen, denn das leuchtende Zinnoberrot sprang ins Auge. Ich kannte solche Briefkästen nur aus Filmen oder alten Fernsehserien, und ich begriff, warum er eine gute Landmarke war. Dahinter lag das Geschäft, das ich suchte.
»Ich glaube, das ist es«, murmelte ich. Ich war vielleicht zehn Minuten unterwegs gewesen. Jetzt war ich angekommen, und ich konnte sehen, dass alles so war wie auf meinem Plan, aber weil ich noch neu in Tokio war, hatte das Ganze etwas von einem Abenteuer.
Kijima-san hatte mir erzählt, es sei ein ehrwürdiges altes Schreibwarengeschäft, aber obwohl das dreigeschossige Gebäude von einer historischen Aura umgeben war, wirkte es nicht heruntergekommen. Es hatte Stil, aber mit Zurückhaltung, und es verströmte eine geheimnisvolle Atmosphäre. Auf den Glastüren des Eingangs stand in goldenen Kanji-Lettern: SHIHODO.
Ein milder Duft begrüßte mich, als ich das Geschäft betrat. Vielleicht war es Weihrauch? Anders als ein aufdringliches Eau de Cologne umhüllte mich der Duft mit einer Zartheit, die inmitten all meiner Mühen, mich in Tokio einzugewöhnen, beruhigend wirkte.
Einen Augenblick später sandte eine Männerstimme ein Irasshaimase! aus dem hinteren Teil des Geschäfts in meine Richtung aus. Die Begrüßung war sanft, wie der Weihrauchduft es war, und ich hatte das Gefühl, er hieß mich vom Grunde seines Herzens willkommen. Es war das erste Mal, dass ich ein so angenehmes Irasshaimase! hörte.
Eins der Dinge, die mich in Tokio ratlos machten, als ich hier ankam, war Irasshaimase. Auf dem Land, wo ich geboren und aufgewachsen war, begrüßte man seine Kunden mit »Hallo«: Konnichiwa. Natürlich sagte man morgens »Guten Morgen« und abends »Guten Abend«. Ich bin sicher, es war eine regionale Eigenheit, weil alle einander kannten. Aber wenn jemand Irasshaimase sagte, würde die Antwort wahrscheinlich lauten: »Oho, du willst mir wohl etwas verkaufen?« Selbstverständlich mit einem Lächeln im Gesicht.
Natürlich begrüßten mich schrille Irasshaimase-Rufe in Supermärkten, Fastfood-Lokalen und Izakaya-Kettenrestaurants, aber selbst auf der Bank und in der Bezirksverwaltung waren sie hier zu hören, und es ging mir auf die Nerven.
Aber dieses Irasshaimase war kein bisschen unangenehm, denn dieses Geschäft hatte nichts Unangenehmes. Wieso nicht? Ich weiß es nicht genau. Vielleicht hatte meine Erleichterung darüber, dass ich den Weg hierher gefunden hatte, etwas damit zu tun.
Vielleicht erkannte der Eigentümer der Stimme, dass ich ziemlich unsicher war, denn er erschien sofort. Ein hellblaues Hemd über einer legeren grauen Hose, eine marineblaue Krawatte, schlichte Schnürschuhe aus schwarzem Leder. Sein Haar war nicht zu lang und nicht zu kurz und an der richtigen Stelle gescheitelt. Er musste ungefähr Mitte dreißig sein.
»Äh, ist das hier Shihodo?« Eine dumme Frage angesichts der Tatsache, dass ich den Namen des Geschäfts auf der Tür gelesen hatte, bevor ich eingetreten war.
»Ja, das hier ist Shihodo. Verzeihen Sie, aber sind Sie Nitta-sama?«
»J-ja, der bin ich.«
»Ich habe Sie erwartet. Haben Sie gut hierhergefunden?«
»Ja, es ging. Dank dem hier.«
Der Mann betrachtete das Blatt mit dem Plan, das ich ihm entgegenhielt, und nickte kurz. »Das freut mich. Ich habe vorhin einen Anruf von Kijima-san erhalten. Sie sagte, sie habe Shihodo einem wichtigen Kunden namens Nitta-sama empfohlen, und ich solle mein Möglichstes tun, um ihm behilflich zu sein, wenn er eintrifft.« Er zog eine Visitenkarte aus der Tasche und überreichte sie mir. »Ken Takarada aus dem Hause Shihodo, zu Ihren Diensten.«
»Oh, hm, äh, freut mich, Sie kennenzulernen .«
Nichts macht mich, schüchtern, wie ich bin, nervöser als meine erste Begegnung mit jemandem, den ich noch nicht kenne. Ob Takarada-san nun merkte, was in mir vorging, oder nicht, sein sanftes Lächeln jedenfalls ließ nicht nach, als er fortfuhr.
»Um gleich zum Geschäftlichen zu kommen - was kann ich für Sie tun? Kijima-san hat nur gesagt: >Ich verlasse mich auf Sie, Kan-chan<, und dann hat sie aufgelegt. So ist sie immer, aber . wie dem auch sei, sie hat mir nicht gesagt, was Sie wünschen.«
Rasch kam ich wieder zu mir.
»Ooh, äh, ich möchte ein wenig Briefpapier .«
Takarada-san nickte tiefsinnig, als wollte er sagen: Ganz, wie ich es mir gedacht habe, und einen Herzschlag später antwortete er: »Verstehe.« Lässig deutete er in den hinteren Teil des Geschäfts und fuhr fort: »Wenn...
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