Der Sage nach soll der König von Syrakus mit seinem Diener Damokles, der den König für den glücklichsten aller Sterblichen hielt, den Platz getauscht und ihm den Thron überlassen haben. Zuvor aber hängte er ein schweres Schwert über dem Thron auf, das nur an einem Pferdehaar befestigt war. Niemand wusste, ob und wann es reißen würde. Mit dieser Prüfung wollte der König Damokles klarmachen, dass überall Gefahren lauern und das Glück an einem dünnen Faden hängt.
Nichts beschreibt das Leben des Menschen auf der Überholspur besser. Täglich fordern wir das Glück heraus, sehen keinen Zusammenhang zwischen dem, was wir essen und trinken, und unserer Darmgesundheit, atmen lungenschädlichen Zigarettenrauch ein, zerstören unsere Haut mit krebserregenden Farbstoffen und nehmen unkontrolliert Medikamente zu uns. Wir haben das rechte Maß im Umgang mit unserem Körper verloren, missachten jedes Warnsignal und leben in der Hoffnung, ohne eigenes Zutun davonzukommen. Nicht krebskrank zu werden, ist jedoch keine Glückssache. Längere Zeit gegen die biologische Vernunft unserer Regelkreise zu verstoßen, in Ernährungsfallen zu tappen, Medikamentenmissbrauch zu betreiben und dem Körper keine Auszeit zu gönnen, kann fatal enden. Wir brauchen einen neuen Gefahrenkatalog für das tägliche Leben. In diesem Kapitel möchte ich von Risiken sprechen, die wir selbst geschaffen haben, die uns täglich bedrohen und zur tödlichen Falle werden können.
Es durchbohrt uns alle
Man würde meinen, der moderne Mensch, der täglich seine elektronischen Telekommunikationsgeräte verwendet, besitze ein Mindestmaß an Wissen darüber. Aber mal ehrlich, können Sie erklären, wie Ihr Mobiltelefon funktioniert? Wenn wir jedoch die Funktion nicht verstehen, können wir auch mögliche Risiken nicht sehen. In diesem Wissensvakuum und gefördert durch den schier unstillbaren Spieltrieb des Menschen wurde uns eine Gerätschaft in die Hand gegeben, deren Nutzen wir mit Feuereifer verteidigen, deren mögliche Gefahren wir aber nicht erkennen. Man kann es mit einem Fallschirmspringer vergleichen, der den schwerelosen Flug zwar über alles liebt, aber keine Ahnung hat, wie sich sein Schirm für eine sichere Landung öffnet.
Im Herbst 2019 war das neue mobile Datennetz 5G in aller Munde. Dann, mit Beginn der Krisenmeldungen zur SARS-Corona-Pandemie, war abrupt Schluss. Es war unglaublich still geworden um den nächsten »Meilenstein der digitalen Kommunikation«. Mir schien, angesichts des 2019 aufkeimenden Widerstandes in einigen Teilen der Bevölkerung, eine willkommene Pause für alle übereifrigen Telekommunikationsgurus. Schweigen ist Gold, und die Vorbereitungen, 5G einzuführen, wurden ja nicht gestoppt, sondern nur verschleiert.
Ich möchte hier keine polemische Diskussion entfachen, sehe mich aber aufgrund meines Wissensstands dazu verpflichtet, den durch 5G erzeugten Elektrosmog als möglichen Auslöser von Krebs anzusprechen. Was hat mich dazu bewogen? Es begann ja bereits vor 20 Jahren. Alarmiert durch vereinzelte Meldungen zu möglichen gesundheitlichen Störungen, wurde von der EU-Kommission ein Forschungsprogramm gestartet, um eventuelle Risiken zu testen, die von niedrigen elektromagnetischen Feldern ausgehen. Der Einfachheit halber vorerst nur an Zellmodellen. Die Ergebnisse dieser REFLEX-Studie, die negativen Einflüsse auf das menschliche Erbgut betreffend, waren besorgniserregend (Adlkofer, 2006).
Bei diesen Untersuchungen wurden in Kulturschalen menschliche Zellen elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, die dem normalen Stromnetz (Niederfrequenz, 50 Hertz), sowie dem 1800-Megahertz- oder GSM-900-Frequenzband (Hochfrequenz) der Mobiltelefone entsprachen. Dabei wurde die Funktion der Gene überprüft und untersucht, ob sie sich verändern. Unser gesamtes genetisches Material ist in unserer DNS gespeichert, eigentlich muss man sagen, in unseren Genen. Sie stellen ja die Matrize dar. Teilt sich eine Zelle, wird diese Matrize kopiert und die Information verdoppelt, um sie an die Tochterzellen weitergeben zu können. Dazu muss man Gene »ablesen«, das heißt ihre Information für die Verdoppelung freigeben. Die Forscher waren also daran interessiert, ob sich, ausgelöst durch den Mobilfunk, bei diesem Ableseprozess Fehler einschleichen.
Zusammenfassend kann man sagen: Hochfrequente elektromagnetische Felder können DNA-Strangbrüche induzieren. Dabei spielt die Auswahl der Kultur-Zellen eine wichtige Rolle. Die Forscher der Reflex-Studie erhielten darüber hinaus auch Hinweise darauf, dass die Strahlung die Genexpression beeinflusst. Rein physikalisch reicht die Energie eines hochfrequenten Elektromagnetfeldes bei 1800 MHz jedoch nicht aus, um chemische Atombindungen aufzuspalten, deshalb müssen andere, indirekte Ursachen verantwortlich sein. So vermutet man freie Sauerstoffradikale als Ursache. Von freien Radikalen weiß man, alle Regulationsebenen, von der Zellhülle bis zum Zellkern, können beeinflusst werden. Ein weiteres Experiment zeigte, dass elektrische Netze von 50 bis 60 Hertz (Wechselstromversorgung) eine Gruppe von Proteinen aktiviert, die auch beim Tumorgeschehen von großer Bedeutung sind. Besonders eine unrhythmische Erregung des Herzmuskels birgt Gefahren.
Auf welchen Druck hin, wissen wir nicht, doch die Studienergebnisse verschwanden alsbald wieder aus dem Internet. Danach schienen die Bedenken verblasst, Warnhinweise waren verschwunden. Bis im Jahre 2017 eine Veröffentlichung der schwedischen Wissenschaftler Carlberg und Hardell die Gesellschaft aufrüttelte und die Wende brachte (Carlberg & Hardell 2017). Ihre Analyse des Zusammenhangs zwischen Mobilfunkstrahlung und der Entstehung von Gehirntumoren lieferte die Grundlage für ein aufsehenerregendes Gerichtsverfahren. Unter der Schlagzeile »Tumor durch Handy als Berufskrankheit anerkannt« berichteten Medien am 21. April 2017 weltweit über ein Gerichtsurteil aus Italien. Ein Arbeitnehmer konnte plausibel nachweisen, dass er, ausgelöst durch tägliches mehrstündiges Telefonieren am Arbeitsplatz, an einem Gehirntumor erkrankt war. Das Urteil war brisant und richtungsweisend. Dem Kläger wurde vom Gericht eine monatliche Rente von 500 Euro zugesprochen. Die Unfallversicherung musste zahlen. Der Richter betonte in seiner Entscheidung: »Gleich wie bei der Vergiftung durch Asbest, sei beim Mobilfunk das Vorsorgeprinzip anzuwenden.« Dieses Urteil wirkte wie ein Tsunami und löste eine Lawine von Klagen aus. Seitdem wurden auch in anderen Ländern, beispielsweise am Supreme Court in den USA, Klagen auf Entschädigung eingebracht, wie der Film Thank you for Calling von 2016 dokumentierte.
Die Reaktion auf Elektrosmog ist individuell sehr unterschiedlich. Und von den Telekommunikationsriesen wird bewusst eine mit herkömmlichen technischen Einrichtungen nicht messbare Bewusstseinsveränderung, die für den Betroffenen jedoch ein reales Ausmaß annimmt, bagatellisiert und verharmlost. Ich teile die Meinung der Autoren Carlberg und Hardell. Schon allein die Annahme, dass Mobilfunkstrahlungen als krebsauslösend eingestuft werden können, erfordert zwingend aktiven Verbraucherschutz zur Nutzung von Smartphones, Tablet-PCs und WLAN-Stationen. Nicht polemisch, sondern sachlich und neutral. Zumindest müssten Endgeräte einen eindeutigen Warnhinweis tragen, wie das in Berkeley, USA, fu¨r Smartphones bereits gesetzlich angeordnet wurde. Es darf nicht sein, dass das schwächste Glied der Kette, der Konsument, den Schuldbeweis erbringen muss und, völlig rechtlos, sein Anspruch auch noch ins Lächerliche gezogen wird. Doch die Realität sieht, trotz dieser Urteile, anders aus.
Der Fortschritt ist verführerisch. Die Zahlen hinter der neuen Mobilfunktechnologie, die Physiker und Elektrotechniker entwickelt haben, sind gigantisch. Bis zu 100 Milliarden Geräte täglich sollen weltweit über hochfrequente elektromagnetische Wellen simultan steuerbar sein. Die Datenübertragung wird dadurch beinahe dimensionslos beschleunigt. In einer Minute können bis zu 60 Kinofilme heruntergeladen werden, in Echtzeit autonom fahrende Automobile und Fluggeräte ihre Navigationssignale beziehen. In der Zeit eines Wimpernschlags kann das menschliche Genom auf Mutationen analysiert werden. Als Krebsforscher sage ich jedoch: Man muss befürchten, dass mit der gleichen Geschwindigkeit auch unsere Zellkommunikation zusammenbricht. Da es sich bei 5G nicht um ionisierende, wärmeerzeugende Strahlung handelt, lässt dieser neue Mobilfunk keine direkten erbgutschädigenden Wirkungen erwarten. Die hochfrequente Strahlung wird aber massiv jene Prozesse betreffen, die vorgeschädigtes Erbgut auffinden und zu reparieren versuchen. Damit steht auch die geordnete Fortpflanzung aller Säugetiere und Insekten auf dem Spiel.
Lassen Sie uns, um keine unsachliche Diskussion zu begünstigen, die Fakten zusammentragen, die mich besorgen. Unsere Zellen kommunizieren über Kanäle und Antennen an der Zelloberfläche. Um mit dem Zellinneren Informationen austauschen zu können, müssen Signale, die von außen kommen, die Zellmembran passiv durchdringen oder aktiv ein molekulares »Tor« öffnen und eintreten. Neben einfachen Öffnungen gibt es in der Membran auch noch spezialisierte Tore, sogenannte spannungsabhängige Natrium- und Kaliumkanäle (Romanenko et al. 2017). Die meisten dieser Kanäle sind im Ruhezustand geschlossen. Um geöffnet zu werden, braucht es einen chemischen Reiz, einen entsprechenden Stimulus. Dabei spielen elektrisch geladene Aminosäuren die Hauptrolle. Sie stellen den Sensor dar, der den »Toröffnungsmechanismus« betätigt. Hochfrequente elektromagnetische Felder, wie sie bei 5G entstehen, zerstören diesen Sensor und halten die...