Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Bitte beachten Sie
Am Freitag, 03.10.2025 und am Sonntag, 05.10.2025 finden bei unserem externen E-Book Dienstleister jeweils zwischen 9.00 und 15.00 Uhr Wartungsarbeiten statt. Daher bitten wir Sie Ihre E-Book Bestellung außerhalb dieses Zeitraums durchzuführen. Möglicherweise kann die Zustellung des Download-Links auch außerhalb der Wartungsarbeiten an diesen Tagen zeitverzögert sein. Wir bitten um Ihr Verständnis. Bei Problemen und Rückfragen kontaktieren Sie gerne unseren Schweitzer Fachinformationen E-Book Support, der Ihnen am Montag, 06.10.2025 dann auf Ihre Nachricht antworten wird.
Sakura - Kirschblüte
Ich habe mir die Weisheit, die ich von dem buddhistischen Mönch unserer Familie gelernt habe, immer in meinem Herzen bewahrt.
Ich wurde in einer traditionellen Familie in der Präfektur Wakayama geboren und bin dort aufgewachsen - in einer Region, in der Natur und Spiritualität tief miteinander verwoben sind. In dieser Region mit ihren atemberaubenden Küsten und Bergpanoramen gibt es unzählige heilige Stätten wie den Berg Koya, der vor langer Zeit die Geburtsstätte des Shingon-Buddhismus war, und hier verläuft auch die uralte Pilgerroute Kumano Kodo, auf der nach der Shinto-Tradition die Natur und die Gottheiten der natürlichen Welt verehrt werden. Das Aufwachsen in einer solchen Umgebung hat meinen Lebensweg und mein Verständnis des Lebens tief geprägt.
Meine Kindheit war erfüllt von Feierlichkeiten und Ritualen, deren Ursprünge im Shinto und im Buddhismus liegen. Eines der wichtigsten dieser Ereignisse ist o-bon, ein traditionelles Fest zur Ehrung und Heilung des Geistes unserer Vorfahren, das jedes Jahr im August von Familien und Gemeinschaften zusammen gefeiert wird. Zu jedem o-bon kommt ein buddhistischer Mönch und führt eine spezielle Zeremonie für meine Familie und unsere Ahnen durch, und ich versuche bis heute, im August zu Hause zu sein, um daran teilzunehmen.
Die Präfektur Wakayama wird im Spätsommer häufig von Taifunen heimgesucht - die einem die Unkontrollierbarkeit der Kräfte der Natur eindrücklich vor Augen führen. In einem Jahr fiel die Zeremonie des Mönchs mit einem heftigen Sturm zusammen. Er rezitierte sein langes Gebet, beinahe übertönt vom Wüten des Sturms und vom Prasseln des Regens auf dem Dach. Nachdem er geendet hatte, nippte er an seinem Tee und sprach in aller Ruhe: »Denkt daran, im nächsten Frühjahr werden die sakura-Kirschbäume in all ihrer Schönheit erblühen. Wisst ihr, warum? Die Bäume können einem schweren Sturm widerstehen, auch einem Taifun. Sie werden davon sogar noch kräftiger. Um zu überleben, bilden sie mehr Wurzeln aus, und wenn die Bäume kräftiger sind, steigt auch ihre Lebensenergie - und im kommenden Frühjahr blühen sie dann umso schöner.«
Ich habe inzwischen gelernt, dass dies auch für uns Menschen gilt. Wir möchten auf unserem Lebensweg aufblühen und unsere Träume verwirklichen. Wir können aber auch in Schwierigkeiten geraten, den Mut verlieren und sogar ans Aufgeben denken. Dennoch sind solche Situationen Gelegenheiten für uns, unsere Kräfte zu sammeln und zu wachsen. Wir werden im Geiste stärker und erblühen danach umso schöner. Das ist ein wesentlicher Aspekt auf unserer Reise zur Verwirklichung unserer Träume.
Mit Anfang zwanzig zog ich zum Studium von Japan nach England, und danach ließ ich mich in Amsterdam nieder. Ich steckte mir Ziele und führte eine Liste mit meinen Wünschen, wie viele andere das auch tun.
Ich verwirklichte einen meiner Wünsche nach dem anderen. Im Alter von fünfundzwanzig hatte ich geheiratet und ein Haus gekauft; mit neunundzwanzig eröffnete ich mein erstes eigenes Unternehmen, und mit einunddreißig wurde ich Mutter. Mit zweiunddreißig schwamm ich im materiellen Überfluss. Neben diesem Wohlstand plagte mich allerdings eine chronische Autoimmunerkrankung. Ich kaschierte mein physisches und mentales Leiden und hielt daran fest, ein Leben im Luxus zu verwirklichen, das ich zu dieser Zeit mit meinem Ehemann teilte. Was wir gemeinsam erreichten - seine Karriere, meine Karriere -, sah von außen betrachtet phantastisch aus, aber insgeheim litt ich vor mich hin, und meine Ehe ging so langsam in die Brüche.
Und dann fegte ein Taifun durch mein Leben: Ich landete im Krankenhaus und kam nur knapp mit dem Leben davon.
In dieser abgrundtiefen Finsternis erfuhr ich satori, eine plötzliche Erleuchtung. Von allem »befreit« - meinem Besitz, Status und Ansehen - war ich gezwungen, mein wahres Selbst wiederzuentdecken, und ich fand ursprüngliche Erfüllung, Dankbarkeit und Glück. Ich erkannte, dass ich den Manifestationen1 nur nachgejagt hatte, um mir etwas zu beweisen, und dass ich von unbewusstem Haften an Status und Ego getrieben gewesen war. Im Krankenhausbett, bekleidet mit nichts als einem Patientenkittel, getrennt von meinen Besitztümern und meinem Haus, erkannte ich, dass meine größten Kräfte in mir selbst zu finden waren: meine innere Stärke und mein Vertrauen. Der wahre Wert des Lebens zeigte sich mir aus meinem Inneren heraus.
Einfach gesagt ist das, was das Leben lebenswert macht, nichts als das reine Dasein auf dieser Erde - erfüllt von Dankbarkeit und Liebe. Das ist der wesentliche Gehalt des japanischen Konzepts ikigai - dem Sinn im Leben.
In diesem Moment programmierte ich meine Denkweise grundlegend um: Ich konzentrierte mich nicht mehr auf das, was mir in meinem derzeitigen Zustand fehlte, sondern erkannte an, was ich hatte, und empfand Wertschätzung für alles - von meinem Körper, meiner Familie und den Menschen um mich herum bis hin zu meinen Vorfahren, der Natur und der Luft, die ich atmete.
Ikigai, der Sinn im Leben, ist nicht das Gleiche wie ein Lebensziel oder ein Daseinszweck. Der Begriff beschreibt ein Gefühl der Erfüllung und der Geborgenheit, des Friedens und des Glücks, das wir auch dann empfinden können, wenn wir keiner bestimmten Tätigkeit nachgehen oder bestimmte Dinge unser Eigentum nennen. Dieses Gefühl der Erfüllung kann entstehen, wenn wir einfach nur den Mond ansehen und das Einssein erfahren, indem wir die uns innewohnende Kraft anzapfen und unsere Fähigkeit nutzen, uns mit der göttlichen Energie zu verbinden - der Quelle, aus der wir in die Welt gekommen sind.
Während meiner Krankheit verlor ich fünfzehn Prozent meines Gewichts, und mir mangelte es an wichtigen Proteinen und Mineralien. Ich konnte nicht mehr gehen und war an einen Rollstuhl gefesselt. Als ich in den Fitnessraum des Krankenhauses kam, um mit meiner Reha zu beginnen, wurde ich von Mitpatienten begrüßt, die sich bereits an fortgeschrittenen Übungen versuchten. Ich dagegen konnte ohne Unterstützung nicht einmal stehen, und ich begann zu weinen.
Im Raum befanden sich noch etwa vier Leute im Rollstuhl. Sie kamen freudig zu mir herüber, um mich aufzumuntern. Und als ich mich umsah, stellte ich fest, dass ich die Einzige war, die noch beide Arme und Beine hatte. Den anderen fehlten Gliedmaßen, aber sie waren trotzdem fleißig dabei, ihre Körper zu stärken. Einer von ihnen, ein Niederländer, sagte mir mit einem Lächeln, dass alles gut werden würde.
Dann fragte er mich, was ich gerne tun würde, wenn ich wieder stehen und gehen könnte? Ohne zu zögern, antwortete ich: »Ich möchte mit meinem Sohn und meinem Hund spazieren gehen. Ich möchte wieder Tango tanzen. Ich liebe es zu tanzen. Ich möchte argentinischen Tango tanzen.« Während ich sprach, spürte ich Musik in meinem Körper, ich fühlte die Bewegung. Mein Geist begann zu tanzen.
Von diesem Moment an empfand ich meine Übungen als eine Vorbereitung auf die Zukunft, als eine Feier des Lebens. Jede Bewegung kam mir vor wie der Teil eines Tanzes. Ich war von völlig Fremden umgeben und spürte dennoch das Gefühl von nakama, einem japanischen Begriff, der am ehesten mit Kameradschaft zu übersetzen ist und weit über Freundschaft hinausgeht. Nakama ist eine Verbindung, die tief im Geist verwurzelt ist, meist ein gemeinsames Ziel oder eine gemeinsame Mission zum Ausgang hat und von Mitgefühl, Vertrauen und gegenseitigem Schutz getragen ist. Die Energie von Liebe und Frieden hüllte uns ein wie ein Licht und transzendierte diese physische Welt.
Obwohl mir das erst viele Jahre später völlig klar wurde, erlebte ich in diesem Moment genau das, was in Japan als yoshuku bezeichnet wird.
Die uralte Tradition des yoshuku ist die japanische Kunst des Manifestierens. Zu ihren Grundlagen gehören der Ausdruck von Wertschätzung und Dankbarkeit, das Einssein mit der Natur und das Wissen darum, dass der gegenwärtige Moment die Zukunft gestaltet. Einfach gesagt geht es darum, Dankbarkeit für unsere Existenz zu zeigen - für das, was bereits vorhanden ist, und für das, was noch kommen wird. Dabei geht es nicht nur um persönliche Ziele, sondern auch um die Menschen um uns herum, um Familie, Angehörige, Freunde, Kollegen, die Gemeinde, die Gesellschaft, die Nation, die Natur und das gesamte Universum.
Um wieder mein Leben führen zu können, musste ich also meinen Körper aufbauen - physische und mentale Stärke zurückgewinnen -, und ich begann damit, die Freude am Tanzen zu spüren, ohne jedoch wirklich zu tanzen. Manchmal ist alles, was wir wirklich brauchen, eine Frage, die uns ein Fremder stellt.
Damals, als der buddhistische Priester unsere Familie besuchte und ich inmitten des Taifuns seine Worte hörte, liefen mir die Tränen über die Wangen. Seine Weisheit ist mir geblieben - wie ein wunderschöner Regenmantel, den ich tragen kann, wenn ein Taifun kommt. Wie der Mönch es während des Sturms am Beispiel des Kirschbaums beschrieben hat, fühle ich mich seit meiner Krankheit stärker und empfinde mehr Mitgefühl. Und genau wie er es vorhergesagt hat, blühte ich danach auf wie niemals zuvor.
Die zwei Monate im Krankenhaus in Amsterdam im Jahr 2012 verhalfen mir zu einer neuen Sichtweise, und ich verließ das Krankenhaus in eine neue Welt. Mein Leiden endete, als ich aufhörte, Ziele und materielle Wünsche nur aus meinem Ego heraus zu verwirklichen. Ich...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.