Schweitzer Fachinformationen
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Drei Tage stehen an, in denen sich Gail und Max, beide Ende fünfzig und seit Längerem getrennt, anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter Debbie zusammenfinden. Max reist, nichts ahnend von der Allergie des Bräutigams, überraschenderweise mit einer Katze an, weshalb er statt bei seiner Tochter bei Gail wohnen muss. Obwohl diese Vorstellung für Gail zunächst kaum auszuhalten ist, willigt sie ihrer Tochter zuliebe zähneknirschend ein. Doch schnell zeigt sich: Die alte Verbindung ist immer noch da. Gemeinsam müssen sie sich mit der Frage nach der Treue des Bräutigams auseinandersetzen, und damit, ob Vertrauen auch nach Jahren wiederhergestellt werden kann. Sie blicken aus belustigter Distanz auf die etwas zu traditionellen Feierlichkeiten, erinnern sich an Vergangenes und stellen sich Fragen nach der Zukunft - was hält das Leben noch für sie bereit?
Debbie meldete sich dann doch noch.
Sie rief uns am Morgen ihres Hochzeitstags an. Rief Max an, um genau zu sein. Wir waren in der Küche. Max stand am Herd und wendete ein Omelett, und als sein Handy klingelte, zog er es aus der Tasche, warf einen Blick darauf und sagte: »Debbie«, während er auf das Display tippte. »Hallo?«
Ich stellte eine Schale Trockenfutter für die Katze auf den Boden, ging zu Max und blieb neben ihm stehen.
»Ja, hatte ich vor. Warum fragst du?«, sagte er in sein Handy. »Nein. Der Einzige, den ich habe, ist aus Wollstoff für den Winter.« Er sah zu mir und formte mit den Lippen lautlos das Wort »Anzug«.
»Was?«, fragte ich.
»Sie will wissen, ob ich heute bei der Hochzeit das Sakko von gestern trage oder ob ich einen Anzug mitgenommen habe.«
»O-oh.«
Debbie sagte noch etwas.
»Ganz lieb von dir, Schatz«, erwiderte Max, »aber du hast einen wichtigen Tag vor dir! Ich bitte einfach deine Mom, mein Sakko ordentlich aufzubügeln. Das müsste genügen.«
Ich konnte nicht hören, was Debbie erwiderte, und fragte Max: »Was sagt sie?«
»Sie möchte zusammen mit uns einen Anzug kaufen.«
»Oh! Gut, sag ihr, dass wir mitkommen!«
»Wirklich?«, fragte er.
»Dann sind wir nur zu dritt!«, erwiderte ich fast flüsternd. »Nimm das Angebot an. Sag ihr, dass wir das machen.«
»Deine Mom meint, wir sollen es machen«, sagte er ins Handy. »Gut. Nein, das ist nicht nötig. Ich kann -. Okay, bis dann.«
Er steckte das Handy zurück in die Tasche. »Sie kommt um Viertel vor zehn. Pünktlich zur Öffnungszeit sind wir bei Lerner Brothers, kaufen einen Anzug von der Stange und fahren sie rechtzeitig für die Kosmetikerin wieder zu ihr nach Hause.«
»Und was ist nicht nötig?«, fragte ich.
»Dass sie bezahlt.«
»Auf gar keinen Fall! Sag mal, begreifst du nicht? Das ist perfekt! Unsere letzte Chance, in Ruhe mit ihr über die Sache zu reden, auch wenn es vielleicht nur ein, zwei Stunden sind!«
»Gail«, sagte er. »Nein.«
»Ich setze sie nicht unter Druck, versprochen! Ich mache es ganz diskret. Ich sage ihr nicht, dass sie ihn nicht heiraten soll, sondern nur, dass sie mehr Zeit für die Entscheidung braucht.«
»Was ist mit dir, Gail? Warum mischst du dich ein?«
»Aus demselben Grund, aus dem ich mich einmischen würde, wenn mein zweijähriges Kind am Rand einer Klippe stünde.«
»Hier geht es nicht um eine Zweijährige, Gail. Sie ist eine erwachsene Frau und will einen Mann heiraten, der ein einziges Mal einen Fehler begangen hat.«
»Na bitte, na bitte - du glaubst ihm auch nicht! Du hast gerade zugegeben, dass er es getan hat!«
»Ich habe mich falsch ausgedrückt«, widersprach er. »Du hast mich durcheinandergebracht.«
»Genau das macht mich so sauer - dass er ihr nicht die Wahrheit sagt.«
»Nein, es hat dich schon >sauer< gemacht, wie du es nennst, als er ihr noch gar nichts gesagt hatte.«
Ich hasse es, dass Max jede Auseinandersetzung bis zum Gehtnichtmehr treibt. Das hatte mich in unserer Ehe total zermürbt. »Können wir das Thema beenden?«, sagte ich.
»Du hast damit angefangen.«
»Gut, dann wechsle ich jetzt das Thema. Hast du gut geschlafen?«
»Ich hatte einen wahnsinnig peinlichen Traum.«
Ach ja, ein weiteres Manko von Max: Er erzählte gern seine Träume, und die waren ausnahmslos ellenlang. Nun sagte er, während er mir eine Omeletthälfte servierte: »Ich habe geträumt, ich hätte meinem Schuldirektor ein Beileidsschreiben geschickt, und dann wurde mir klar, dass gar niemand gestorben war.«
»Wer war denn deiner Meinung nach gestorben?«, fragte ich ihn.
»Seine Frau. Ich hatte den Brief in einen Briefkasten geworfen und um ihn wieder rauszuholen eine Art Angel mit einem Stück Schnur und einem Batzen gekauten Kaugummi gebastelt.«
Ich seufzte und kostete von dem Omelett. Es schmeckte gar nicht übel.
»Und als das nicht funktioniert hat, kam mir eine Idee. Wenn sein Briefkasten außen angebracht wäre - an der Außenseite der Haustür -, könnte ich mich hinter einem Gebüsch verstecken und den Briefträger abpassen und .«
Wegen der Sorgen, die ich mir um Debbie machte, hatte ich mich nicht mehr um das Problem meiner beruflichen Situation gekümmert. Nun überlegte ich, was ich unternehmen könnte. Max hatte recht mit seinem Hinweis auf die Schüler, die Mathe nicht mochten: Es hatte mir immer Spaß gemacht, diese Kinder zum Umdenken zu bringen. Ich wartete, und als Max Luft holen musste (er hatte inzwischen die völlig absurde Phase erreicht, die es in Träumen oft gibt, und befand sich plötzlich auf einem Kreuzfahrtschiff), fragte ich: »Glaubst du, dass es mit großem bürokratischem Aufwand verbunden wäre, wieder eine Stelle als Lehrerin zu bekommen?«
»Wie bitte?«
»Ich würde gern wieder unterrichten, aber geht das noch? Ich weiß gar nicht, ob ich das noch dürfte.«
Er musterte mich. »Weißt du, was du brauchst? Du brauchst einen Donnermantel.«
»Einen was?«
»So ein eng anliegendes Mäntelchen, das man Hunden anzieht, die sich vor Donner fürchten. Meine Güte! Führst du eine Liste, auf der jede Sache, um die du dich sorgst, einzeln aufgeführt ist? Und wie merkst du dir das alles?«
»Aber das Mäntelchen hätte vier Ärmel«, sagte ich. »Was mache ich mit den zwei überflüssigen?«
»Setz das gleich auf deine Sorgenliste«, schlug er vor.
Ich lachte und stand auf, um die Kaffeekanne zu holen.
»Würdest du an meiner Schule unterrichten?«, fragte er.
»Du weißt, dass ich nicht aus Baltimore wegziehen kann. Schließlich lebt meine Mutter noch hier.«
Und Debbie. Aber das sagte ich nicht.
»Mein Schulleiter ist wirklich nett«, sagte Max. »Zu den wichtigen Feiertagen laden mich seine Frau und er immer ein.«
»Jetzt vielleicht nicht mehr, nachdem du ihm das Beileidsschreiben geschickt hast.«
»Nein, das Beileidsschreiben habe ich dem Direktor geschickt. Der Direktor und der Schulleiter sind an meiner Schule zwei verschiedene Leute.«
Ich steckte die Kaffeemaschine ein, setzte mich wieder und sagte: »Wir müssen entscheiden, was wir Debbie sagen.«
»Wir sagen ihr überhaupt nichts.«
»Ich bin wirklich froh, dass sie uns diese Chance gibt, mit ihr zu sprechen«, erwiderte ich, »aber dass sie es nur tut, weil ihr plötzlich so wichtig ist, was du trägst, finde ich schlimm. Dahinter stecken garantiert die Baileys! Debbie hat sich nie für unsere Kleidung interessiert. Vielleicht stammt der Vorschlag, mit ihr shoppen zu gehen, auch von den Baileys! Und der Schönheitstag womöglich auch! Sie war zuvor noch nie in einem Spa!«
»Sie hat auch nie zuvor geheiratet.«
»Meinst du, sie läuft zu ihnen über?«
»Wer ist >ihnen<?«, fragte Max.
»Na, du weißt schon. Die anderen eben. Nicht wir.«
Er hatte seine Kaffeetasse zum Mund geführt, hielt nun aber mitten in der Bewegung inne. »Du hast gerade zum ersten Mal seit sehr langer Zeit von einem >Wir< gesprochen.«
»Hm? Nein, ich dachte nur - ich denke daran, wie es mir ging, als ich jung war. Ich habe mich irgendwie für meine Eltern geschämt. Sie spielten nicht Golf oder Tennis und gingen auf keine Wohltätigkeitsbälle.«
»Meine Eltern mochten deine sehr gern«, sagte Max.
»Ich weiß. Die Einzige, mit der deine Eltern Probleme hatten, war ich. Ich war ihnen nicht knuddelig genug, zu wenig berührungsfreudig.«
»Ach was - sie mochten dich sehr.«
Man beachte: Er sagte nicht »liebten dich«.
Die Art, wie Max mich ihnen damals vorstellte, hatte sie wahrscheinlich zusätzlich abgeschreckt. Wir waren eines Abends auf dem Weg in ein Lokal, da schaute er unangekündigt mit mir bei ihnen vorbei und rief: »Mom! Dad! Gail ist da! Jetzt lernt ihr sie endlich kennen!« Weiß der Himmel, wie heftig er zuvor Werbung für mich gemacht hatte. Und ich war natürlich so sehr darauf bedacht, einen guten Eindruck zu hinterlassen, dass ich mich wie eine Schildkröte in meinen Panzer zurückzog. Geradezu zwanghaft. Ich wusste es, konnte mich aber nicht anders verhalten.
Während meine Eltern die Heirat gutgeheißen hatten, weil Max mich so toll fand, hatten die Eltern von Max sie wahrscheinlich aus demselben Grund nicht gutgeheißen. Ihr Sohn hatte diese unnahbare junge Frau mit ihrer steifen Art nach Hause gebracht, von der er behauptete, dass sie perfekt sei, und bezeichnete sich als den glücklichsten Mann auf Erden, weil ihm ein solches Mädchen auch nur Beachtung schenkte. Jetzt konnte ich ihre Sichtweise nachvollziehen. Wenn nicht sogar schon damals.
Und ich bin mir so gut wie sicher, dass sie, wären sie nicht vor unserer Scheidung gestorben, zu Max gesagt hätten: »Uns wundert das nicht!«
Debbie kam Punkt Viertel vor zehn. Ich hielt am Fenster Ausschau nach ihr, damit sie nicht parken musste. »Du sitzt vorn«, sagte Max auf der Veranda zu mir, und ich widersprach nicht. Ich wollte sie aus nächster Nähe sehen; ich musste ihren Gemütszustand einschätzen.
Soweit ich es beurteilen konnte, war sie recht gut gelaunt. »Morgen, ihr zwei!«, sagte sie, als wir in ihren Wagen stiegen. Sie trug Jeans und eine Chambray-Bluse und war kein bisschen geschminkt; ihr Haar war noch offen. Normalerweise band sie es am...
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