Schweitzer Fachinformationen
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Das Beste, was einem Croissant passieren kann, ist dick mit Butter bestrichen zu werden. Ich erinnere mich, dass ich das dachte, während ich eines mit Pflanzenmargarine aus dem Sonderangebot beschmierte. Und ich weiß auch noch, dass ich gerade reingebissen hatte, als das Telefon klingelte.
Ich hob ab, obwohl ich wusste, dass ich mit vollem Mund sprechen musste:
»Mmmpf…?«
»Bist du da?«
»Nein, ich bin nicht zu Hause. Sprich mir eine Nachricht auf Band und lass mich in Frieden: Piiiiiiiiiiiiep.«
»Lass den Blödsinn. Was kaust du da?«
»Ich frühstücke.«
»Um ein Uhr mittags?«
»Ich bin eben heute früh aufgestanden. Was willst du?«
»Dass du ins Büro kommst. Es gibt Neuigkeiten.«
»Du kannst mich mal. Ich hab keine Lust rumzuraten.«
»Und ich telefoniere nicht gern. Es gibt Geld. Ich warte eine halbe Stunde auf dich, keine Minute länger.«
Er legte auf, und ich kaute weiter mein Croissant, während ich überlegte, ob ich mich duschen und rasieren oder meine erste Ducados rauchen sollte. Ich beschloss, beim Rasieren zu rauchen; die Dusche konnte warten, da mir wahrscheinlich niemand zu nahe kommen würde. Aber mit dem Dreitagebart sehe ich schon auf zehn Meter Entfernung aus, als hätte ich die Krätze. Doch sofort tauchten die ersten Probleme auf: Es gab weder Kaffee noch ein sauberes Hemd, dann musste ich das halbe Wohnzimmer auseinander nehmen, bis ich die Schlüssel fand, und als ich das Haus verließ, knallte mir die scheiß Sonne mitten ins Gesicht. Trotzdem mimte ich den Unerschrockenen und schaffte es bis zu Luigis Kneipe.
Für alle Fälle trat ich schwungvoll ein: »Luigi, mach mir einen Kaffee. Und heb mir zwei von den Croissants auf. Ich hab gerade das letzte gegessen. Lässt du die Dinger eigentlich Gewichte stemmen? Wenn dein Schwanz mal so hart wäre wie deine Croissants, wärst du besser drauf.«
»Hör zu, wenn du frische Croissants willst, dann zahl dafür den Thekenpreis, ansonsten hast du Pech gehabt und du isst die, die ich dir gnädigerweise schenke. Sind wir uns einig?«
»Pfff… weiß nicht, ob ich das Geschäft verstanden hab. Wenn ich wiederkomme, um den Kaffee zu bezahlen, erklärst du’s mir in Ruhe. Und gib mir noch ’ne Ducados, sei so nett.«
»Wieso jag ich dich eigentlich nicht auf der Stelle zum Teufel?«
»Weil ich in dieser versifften Spelunke zehn Mille lasse, wenn ich Kohle hab.«
»Ansonsten muss ich dir sogar die Zigaretten anschreiben… Ah, bevor ich’s vergesse. Fina war gestern hier und hat nach dir gefragt. Sie lässt ausrichten, dass du sie anrufen sollst. Hör mal, vögelst du Fina, oder was? Geile Titten hat die…«
»Du landest noch in der Hölle, du Ehebrecher.«
Die Sonne versuchte noch immer, den Leuten auf die Nerven zu fallen. Doch ich schaffte es, die Kneipe zu verlassen und die zwei Blocks zum Büro auf der Schattenseite der Bürgersteige zurückzulegen. Dreißig und ein paar Stufen später stand ich vor der Tür von »Miralles & Miralles, Finanzberater«. Der zweite Miralles bin ich; der Erstgeborene saß wohl seit sieben Uhr morgens da drin: rasiert, geduscht und mit Schlips. Ich warf ein »Hallo« in die Runde und fragte María, wie es so ging. »Wie du siehst, mein Lieber, im steten Kampf mit den Telefonen… Huch, bist du dick geworden…« – »Ich achte eben auf mich. Viel Fett und so wenig Bewegung wie möglich.« Ich sah, dass in den hinteren Büroräumen zwei Paare im Beratungsgespräch waren, und beschloss, bei den anderen Mitarbeitern keinen Aufruhr zu machen. Nur Pumares, der zwischen den Tischen hin und her ging, hob zum Gruß die Augenbrauen. Ich erwiderte den Gruß mit gleicher Mimik und begab mich direkt in das Büro von Miralles The First.
Er hatte mich bereits durch die verglasten Trennwände gesichtet. Es ist nicht einfach, ihn unvorbereitet zu erwischen.
»Willst du nicht mal die Klimaanlage einschalten, die Belegschaft krepiert sonst noch«, sagte ich gleich beim Eintreten, falls sich mein toller Bruder irgendeine Impertinenz als Begrüßung zurechtgelegt hatte.
»Das ist der Brand von deinem Kater, deshalb ist dir so heiß.«
»Schön wär’s, wenn du mich bei den Bilanzen nicht betrügen würdest.«
»Umso besser. Ich hab einen Auftrag für dich.«
»Ich dachte, du genügst dir selbst.«
»Einer muss ja die Drecksarbeit machen, und dir lag das schon immer.«
»Lässt du dich scheiden, ziehst du um…?«
»Ich lach später darüber, wenn’s recht ist. Du sollst für mich etwas herausfinden.«
»Ich nehme an, du gibst mir einen Tipp. Hat das, was ich herausfinden soll, vielleicht die Farbe Blau?«
»Ich suche den Eigentümer eines Grundstücks…, ein altes Gebäude in Les Corts. Fünfzigtausend Peseten, wenn du’s vor Montag weißt.«
Eines war klar: Wenn The First für einen Namen fünfzigtausend locker machte, dann war die Information so viel wert, dass das Geschäft ein paar Millionen abwarf. Illegal war es wohl nicht – The First machte nie etwas Illegales –, aber eins stank zehn Kilometer gegen den Wind: Der Geschädigte musste ein Rentner, ein Waisenkind oder die letzte Mönchsrobbe des Mittelmeers sein.
Ich versuchte mehr rauszuholen. Das schlechte Gewissen hat schließlich seinen Preis:
»Ich bin zurzeit ziemlich beschäftigt, weißt du?«
»Lässt du dir die Augenbrauen wachsen? Fünfzigtausend für einen Vornamen und die beiden Nachnamen, keinen Fünfer mehr. Sind wir uns einig?«
In einer halben Stunde zweimal das gleiche Ultimatum. Was für ein beschissenes Leben!
»Ich brauche einen Vorschuss.«
»Ich hab dir die Mieteinnahmen am Zehnten ausgezahlt. Erzähl mir nicht, dass du die Hundertfünfzigtausend bereits versoffen hast…«
»Ich hab auch noch die Zeitung und ‘ne Tube Zahnpasta gekauft. Ich will fünfundzwanzig jetzt.«
»Fünfzehn.«
Das ging in Ordnung; ich verzog das Gesicht und stimmte scheinbar widerwillig zu. Er rollte den Drehstuhl zurück und nahm aus der Schreibtischschublade die Kasse mit dem Bargeld. Fünfzehntausend war viel, mehr als ich für diesen Tag erhofft hatte. Ich überlegte, wie ich sie am besten investieren konnte, während Miralles The First die Summe in Geldstücken zu fünfhundert abzählte. Abgesehen von der im nobelsten Fitness-Studio des Viertels geformten Figur und dem Anzug eines Herrenausstatters mit dem Namen eines urspanischen Provinzlers war er der gleiche Geizhals wie der bei Dickens.
Ich trat auf die andere Seite des Schreibtischs und stellte mich neben ihn, um das Geld einzustecken.
»Danke, Tete«, sagte ich so deutlich, wie ich konnte, und das konnte ich gut.
»Ich hab dir schon tausendmal gesagt, du sollst mich nicht ›Tete‹ nennen.«
»Glaubst du, mir gefällt das? Ich mach das nur, um dich zu ärgern.«
Er reichte mir die Adresse auf einem Post-it und rümpfte dabei angewidert die Nase:
»Dusch dich mal. Du stinkst.«
Ich wartete mit der Antwort, bis ich an der Tür war:
»Das ist der Muff der Familie Miralles, Tete; der klebt auch an dir.«
Ich ging hinaus, so schnell ich konnte; sollte er doch allein unter seinem Prêt-à-porter von Prudencio Botijero toben. Irgendetwas hörte ich noch, doch seine Stimme blieb hinter mir zurück.
Eins zu null für mich. Und fünfzehntausend Peseten in der Tasche.
Als nächstes ging ich in den Supermarkt, um einzukaufen. Ich hatte Lust, eine große Schüssel Spaghetti mit viel Sahnesoße zu verdrücken. Und natürlich musste ich ein echtes Stück Butter kaufen, um die Croissants von Luigi damit zu bestreichen. Alles zusammen konnte man für tausend Peseten kriegen. Der Rest von den ersten fünftausend reichte für Kartoffeln, Eier, Schweinefleisch mit Clembuterol und Kalbfleisch vom Schwammhirn. Weitere zwei Scheine waren am Abend bei Luigi fällig; wenn ich abzog, was ich ihm schuldete, blieben mir noch viertausend zum Versaufen. Bei Luigi kann man sich mit dieser Summe ganz gut betrinken, eher als in jeder anderen Spelunke des Viertels mit den gesamten fünf Mille (und noch dazu kann man bei Luigi die letzten Gläser immer anschreiben lassen). Mit dem Rest der Fünfzehntausend würde ich mir Stoff besorgen. Ich hatte seit mindestens achtundvierzig Stunden keine einzige armselige Tüte mehr geraucht.
Nachdem ich überlegt hatte, was vorrangig war, ging ich in den Park an der Calle Ordina. Ich wollte sehen, ob Nico da war und damit als Erstes die Frage der Medikamentierung lösen. Ich hatte Glück und fand ihn, was am Vormittag nicht so einfach ist – ich nehme an, weil die Vormittage nicht meine Stärke sind. Er saß auf einer Parkbanklehne, die klobigen Stiefel auf dem Sitz. Ich erkannte seinen Freund, der neben ihm saß und aussah, als käme er gerade aus Mauthausen. Die Leute haben kein Maß; entweder ein Prêt-à-porter von Silverio Montesinos oder ein Nike-Jogginganzug, bei dem man vor lauter Firlefanz das Logo nicht mehr erkennen kann.
»Was willst du, Pisser?«
»Ein Piece für drei Mille.«
Nach einer Pause, die mich einen autistischen Anfall vermuten ließ, ging er mit der Bedächtigkeit eines Peripatetikers zum Rand des Parks. Ich blieb allein mit dem Kumpel aus Mauthausen, der nicht gerade gesprächig war.
»Sag mal, wie viel sind fünf Mille eigentlich in Euro wert?«, fragte ich den Typen, vor allem, um zu sehen, ob er noch am Leben...
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