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Ich bin Iulia Livilla, Tochter des Germanicus und Schwester des Kaisers Gaius, den sie Caligula nennen. Und wenn ich in dieser Geschichte an einer sinnvollen Stelle einsetzen möchte, dann sollte ich mit meiner ersten Erinnerung an meinen Bruder beginnen.
Mein Vater, der große, von Rom geliebte Eroberer und Feldherr - auch wenn sein Kaiser ihn nicht liebte -, hatte ein Jahr als Statthalter in Syrien verbracht, ehe er aufgrund einer Krankheit plötzlich aus dieser Welt schied. Oder durch Gift des Kaisers, wie manche, etwa meine Mutter, mich glauben machen wollten. Ich selbst habe natürlich keinerlei Erinnerung an dieses staubige Land. Ich war noch ein schreiendes Kleinkind, als mein Vater starb und anschließend meine Mutter mit uns Kindern nach Rom zurückkehrte, mit der Asche ihres Gemahls und der großen Leere im Herzen.
So gelangte ich also im Jahr der Konsuln Silanus und Balbus mit den anderen nach Rom, geborgen in den Armen meiner Mutter - wir waren ein Tross des Todes, zurückgekehrt aus fernen Landen in eine trauernde Stadt mit einem niederträchtigen Kaiser. Wir kamen im Hafen von Ostia an und setzten von dort unsere Reise nach Rom fort, wo wir uns gemessenen Schrittes in der Stadt fortbewegten: eine traurige Familie inmitten einer wehklagenden Menge, die zusammengeströmt war, um den geliebten Germanicus bei seiner letzten Heimkehr in Empfang zu nehmen. Wir schwiegen und trauerten - Drusilla und Agrippina, Gaius und ich, Mutter und die zahllosen Sklaven und Bediensteten. Ich war natürlich noch zu klein, um mich tatsächlich erinnern zu können, aber ein Bild aus jenen Tagen hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt: Mein Bruder nahm unsere traurige, erschöpfte Schwester Drusilla auf den Arm, um ihre kleinen, müden Füße zu schonen, und trug sie über das Forum, unter einem herrlichen Regenbogen, der sich unpassend über einen klaren, blauen Himmel spannte.
Ein einziger bildhafter Eindruck aus frühester Kindheit: ein Regenbogen, die lärmende Menge, ein Begräbnis, und allen voran mein Bruder, der sich von seiner besten Seite zeigte.
Danach verstrichen vier Jahre, in denen wir als eine große Familie friedlich in Rom lebten, auch wenn es bei uns nicht immer harmonisch zuging. Abgesehen von dem ansehnlichen Stadthaus auf dem Palatin, in dem mein Vater aufgewachsen war, unterhielt meine Mutter eine prächtig ausgestattete Villa mit ausgedehnten Gärten, die sich bis zum Ufer des Tibers erstreckten. In Sichtweite ragte das Mausoleum auf, in dem die Asche unserer Familienangehörigen in Urnen aufbewahrt wurde, und genau diesen fast ländlich anmutenden Ort bevorzugte meine Mutter. Es mag daran gelegen haben, dass ich damals noch ein naives Kind von fünf Jahren war, aber ich stellte mir immer vor, dass meine Mutter diese Villa gewählt hatte, da sie den Rest ihres Lebens nahe bei der Ruhestätte ihres Gemahls zu verbringen gedachte. Agrippina und Caligula, die beide immer schon feinsinniger und intuitiver waren als ich, behaupteten hingegen, der wahre Grund habe darin bestanden, dass unsere Mutter hartnäckig der Überzeugung war, Tiberius habe befohlen, ihren Gemahl töten zu lassen. Daher, so behaupteten meine Geschwister weiter, würde sie nicht einmal im Traum daran denken, auf dem Palatin in unmittelbarer Nähe zum Palast des Kaisers zu leben.
Im zarten Alter von fünf Jahren erfreute ich mich an den weitläufigen Gartenanlagen und der verhältnismäßig sauberen Luft auf jener Seite des Flusses, weitab von Roms engen, belebten Straßen, in denen besonders im Sommer der Gestank unerträglich wurde. Ich war zu einem glücklichen Mädchen herangewachsen, das mit den kleinen Hunden der Familie herumtollte und sich immer wieder in anderen Spielen verlor, was zur Folge hatte, dass meine Kleidung oft zerrissen und schmutzig war. Aber natürlich waren auch meine Brüder und Schwestern größer geworden. Nero und Drusus hatten während unserer Zeit in Rom beide die Toga Virilis erhalten, waren damit in den Augen der Stadt zu Männern geworden, und so schlenderten sie beide, jeder für sich, nachdenklich durch die Gänge der Villa und warteten voller Ungeduld darauf, den Posten eines Militärtribuns in einer der Legionen zu bekommen. Agrippina, inzwischen acht, ließ bereits in diesen jungen Jahren erkennen, dass sie mühelos bei den Machtspielen der Erwachsenen mithalten konnte. Ständig spielte sie Sklaven, Diener oder ehemalige Klienten unseres Vaters gegeneinander aus, weil es ihr Spaß machte, aber stets auch, weil sie sich Vorteile davon erhoffte. Drusilla, die ein Jahr jünger war, begnügte sich mit einem kleinen Freundeskreis und hielt sozusagen Hof, als wäre sie eine Kaiserin. Oft war Marcus Aemilius Lepidus, der Sohn des früheren Konsuls, bei uns zu Gast und blickte Drusilla immer so verträumt nach, als würden aus dem Boden, über den sie wandelte, Rosen wachsen. Obwohl ich noch sehr jung war, kann ich mich gut erinnern, dass sich in mir die ersten Anzeichen von Eifersucht regten, wenn ich meine gelassene Schwester sah. Denn sie brauchte so gut wie nichts zu tun, um die Aufmerksamkeit anderer zu erregen, wohingegen ich oft übersehen wurde. Ich wünschte, ich wäre damals vertrauter mit Drusilla und mehr auf der Hut vor Agrippina gewesen.
Eine Weile ging es recht angespannt zu, als Caligula, inzwischen ein schlanker Junge von elf Jahren, damit begann, um Lepidus herumzuschleichen und mit unserem gut aussehenden Gast um die Aufmerksamkeit unserer Schwester zu buhlen. Agrippina und mir stockte bei jedem Besuch der Atem, rechneten wir doch jeden Moment damit, dass sich unser jüngster Bruder auf Lepidus stürzen würde, um eine Beziehung zwischen ihm und Drusilla zu verhindern. Caligula hatte immer schon ein hitziges Gemüt, muss man wissen, aber das war nur eine Facette seines Wesens. Er lebte jede Gefühlsregung leidenschaftlich und offen aus: Schnell geriet er in Zorn, konnte aber auch sehr liebevoll und mitfühlend sein und hatte einen scharfen, bissigen Humor. Letzten Endes erwiesen sich unsere Befürchtungen aber als unbegründet. Als Lepidus nämlich eines Morgens unser Haus betrat, brachte er Caligula ein Geschenk mit - einen mit Edelsteinen besetzten Dolch. Es war zwar nur eine kleine Waffe, dafür war sie jedoch teuer und dekorativ und wies einen versilberten Griff auf; für einen Jungen durchaus gedacht als handliches Schnitzmesser. Es sollte ein Freundschaftsbeweis sein und wurde von unserem Bruder auch als solcher erkannt. Danach sah man ihn nur selten ohne diesen Dolch. Von jenem Tag an teilte er sich Drusilla mit unserem Freund, und die Sache war aus der Welt - auch wenn dies kaum dazu beitrug, meine gelegentlichen Anfälle von Eifersucht zu verringern, weil meiner hübschen, zierlichen Schwester ständig mehr Aufmerksamkeit gewährt wurde als mir.
Das waren glückliche Zeiten, aber die Situation begann sich im Jahr der Konsuln Pollius und Vetus zu verändern. Eines Tages, als die älteren Jungen sowie unsere Mutter in der Villa ihren Beschäftigungen nachgingen und wir jüngeren Geschwister zusammen mit unseren Freunden im Innenhof der Springbrunnen spielten, wurde der schwere Klopfer aus Bronze am Tor zweimal geräuschvoll betätigt und kündigte mit seinem Klang Besucher an. Der krummbeinige Torwärter schlurfte aus seiner Behausung, trommelte mit den Fingern seiner linken Hand auf den robusten Stock aus Eschenholz, der im Gürtel steckte, ging hinüber zum Tor und zog es einen Spaltbreit auf. Kurz darauf - und nach einem knappen, scharfen Wortwechsel - musste er das Tor weit öffnen, um die Soldaten hereinzulassen.
Es war das erste Mal, dass mir Männer der Prätorianergarde begegneten; jedenfalls war ich alt genug, um zu begreifen, um wen es sich handelte. Und sie waren offensichtlich Soldaten, auch wenn sie in ziviler Kleidung erschienen. Jeder Mann trug die Toga wie eine Rüstung, undurchdringbar und weiß wie Marmor, und hielt eine Hand nahe der verräterischen Ausbeulung, die verriet, dass sich darunter ein Schwertknauf befand. Die grimmigen, kantigen Gesichter passten zu hartgesottenen Männern, und die genagelten Sohlen ihrer Caligae knirschten auf den kleinen Steinen der Gartenwege. Ich kannte diese Geräusche gut. Soldaten statteten einer Villa nicht ohne Grund einen Besuch ab - was also mochte es mit dem Besuch der Prätorianergarde auf sich haben?
Bei dem Anblick der Männer stellte sich bei mir ein Gefühl von Panik ein. Alles, was unsere Mutter über den Tod unseres Vaters gesagt hatte, erschien mir mit einem Mal nachvollziehbar, als die Leibgarde des Kaisers durch unseren Garten marschierte. Mag sein, dass ich kreischte, denn Caligula schnappte mich, zog mich an sich und legte schützend beide Arme um mich, während er beruhigende Worte murmelte, die ich nicht mit Sinn füllen konnte, da ich nur auf den Klang seiner Stimme achtete. Seine Stimme hatte immer schon eine hypnotische Wirkung gehabt - wenn er nicht gerade zornig und aufbrausend war.
Unsere Spiele waren vergessen, und so verfolgten wir stumm, wie die Soldaten das Gebäude betraten. Die Stiefel erzeugten ein Klacken auf dem Marmorboden. Die Männer waren nicht lange im Haus, nur für die Dauer weniger Herzschläge. Die Nachricht, die sie überbrachten, war offenbar so kurz und knapp wie ihr...
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