Schweitzer Fachinformationen
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Papa, ich hab das feuchte Toilettenpapier benutzt, und jetzt fühlt sich mein Hintern ganz kamillig an.
Grayson Goldbach (5), während der Großen Toilettenpapier-Knappheit im März 2020
Vor der Pandemie haben Sie Toilettenpapier wahrscheinlich als eine Selbstverständlichkeit betrachtet. Und das mit Recht. Klopapier gehört zu den vielen Dingen, die wir tagtäglich ohne viel bewusstes Nachdenken verwenden. Es gehört zu den Dingen, bei denen wir davon ausgehen, dass sie einfach für uns da sind - bis das auf einmal nicht mehr der Fall ist. Und dann geraten die Menschen in eine Art Mini-Panik. Vielleicht haben Sie zufällig die Episode der Fernsehserie Seinfeld gesehen, in der die gerade aktuelle Widersacherin zu Elaine sagt: »Ich habe nicht ein einziges Blatt übrig!« Die Pandemie bot uns einen Ausblick darauf, wie die Menschen sich verhalten würden, wenn Toilettenpapierknappheit ein ständiges Problem wäre.
Nach unserer Überzeugung ist das menschliche Verhalten das grundlegendste »subatomare Element« der Wirtschaft. Die Pandemie gab uns reichlich Gelegenheit, das menschliche Verhalten in der Phase einer schweren Disruption zu beobachten. Und es zeigte sich, dass angesichts einer derart enormen Disruption Klopapier zu den Dingen gehört, die den Menschen ein Gefühl der Sicherheit geben, wenn es in großen Mengen verfügbar ist. Außerdem haben wir gelernt, dass die Menschen tatsächlich keine Vorstellung haben, wie viel Toilettenpapier sie wirklich brauchen . das ging so weit, dass in Internet-Werbeanzeigen Anfang 2020 plötzlich überall Seiten zur Berechnung des Klopapierverbrauchs aufploppten - etwas, von dem zuvor keiner von uns geahnt hätte, dass man es einmal brauchen würde.
Die Kombination aus Furcht und schlechtem Schätzvermögen führte zu einem recht interessanten Hamsterverhalten und einem daraus resultierenden Run auf Toilettenpapier. Rational oder nicht, Tatsache war: Wenn man versuchte, Klopapier zu kaufen, war das schwer zu bekommen.
Bevor wir jetzt weitermachen, möchten wir lieber von vornherein klarstellen: Wir beabsichtigen, einen nicht unerheblichen Teil des 2. Kapitels auf Verhaltensweisen rund ums Thema Klopapier zu verwenden. Und warum müssen wir hier nun gerade über ein Thema reden, bei dem sich doch alle so ein klein bisschen unwohl fühlen? Nun ja, es war einfach das beste Beispiel für eine Sache, mit der buchstäblich jeder zu tun hat, und außerdem hat sich herausgestellt, dass es wirklich eine Menge neue und interessante Vorgehensweisen gab, wie die Menschen mit potenzieller Knappheit umgehen. Und neue und interessante Verhaltensweisen sind die Bausteine für neue geschäftliche Chancen.
In einem Fall sahen wir, wie Konsumenten modernste Technik nutzten, um sich Toilettenpapier zu teilen. In San Francisco, dem Technology-Zentrum der Welt, wurde filmisch festgehalten, wie jemand einem Freund in Not per Drohne Klopapier zukommen ließ. (Es lohnt sich, das Lesen hier kurz zu unterbrechen, um sich dieses Video anzuschauen: https://mashable.com/article/drone-delivery-toilet-paper-san-francisco-coronavirus/.) Könnten Sie sich das als Geschäft in großem Maßstab vorstellen? Statt Mitfahrgelegenheiten anzubieten also ein lokaler Klopapier-Mitnutzungsdienst mit On-Demand-Lieferung per Drohne? Na ja, vielleicht eher nicht. In einem anderen Fall sahen wir, wie Polizisten in South Carolina zu Beginn der Pandemie als Geste des guten Willens anstelle von Strafzetteln Klopapier verteilten.1
Wie sich zeigt, ist das eigentliche Thema jedoch gar nicht der tatsächliche Bedarf an Klopapier. Es ist vielmehr die Furcht, ohne Klopapier dazustehen, die zum Verhalten des Hortens führt. Wir würden ja gern behaupten, dass wir selbst »aufgeklärte Konsumenten« waren und nicht gehortet hätten, aber das wäre gelogen. Wir sind genauso durchgedreht wie alle anderen auch. Steve erledigte während der Pandemie die Haushaltseinkäufe (ein Verhalten, bei dem es auch blieb, nachdem die ersten Lockdowns aufgehoben wurden) und war instruiert, bei jeder Einkaufstour sämtliches Toilettenpapier zu kaufen, dessen er habhaft werden konnte. Seine Familie bestellte zur Sicherheit auch noch Toilettenpapier über den Großhandel mit sechs Wochen Lieferzeit. Und sie bestellte auch online gefundene feuchte Toilettentücher, als sie sah, dass da die Lieferzeiten kürzer waren.
Es ist bekannt, dass die Menschen in Zeiten dramatischer Veränderungen ihre Verhaltensweisen ändern, was auch zu dauerhaften Verhaltensänderungen führen kann. Zur Zeit des Schreibens ließ sich noch nicht eindeutig sagen, welche Verhaltensweisen bleiben werden, wenn wir die Pandemie einmal hinter uns haben, klar war aber bereits, dass viele lang gewohnte Verhaltensweisen infrage gestellt werden dürften. So wird sicher ein größerer Teil der Menschen häufiger von zu Hause aus arbeiten können, auch wenn die Büros wieder geöffnet sind. Die Menschen werden wahrscheinlich stärker darauf achten, sich häufig die Hände zu waschen. Und vielleicht werden die Menschen auch weiterhin regelmäßig zu Hause Sauerteig herstellen.
Gewohnheiten sind eine entscheidend wichtige Grundlage für alle Unternehmen. Denken Sie an all die Marken, die Sie immer kaufen ohne nachzudenken - wozu beispielsweise höchstwahrscheinlich Ihre Milchmarke, Ihr Waschmittel und Ihr Deo gehören. Und auch rund um Ihren morgendlichen Kaffee haben Sie wahrscheinlich Ihre festen Gewohnheiten, sei es, dass Sie ihn zu Hause kochen, ihn unterwegs kaufen oder gern hohe Preise für Premiummarken bezahlen. Und bevor Sie diesen Absatz gelesen hatten, haben Sie wahrscheinlich noch nie viel darüber nachgedacht.2
Während der Pandemie wurden nun viele dieser Gewohnheiten infrage gestellt. Wir beide waren zum Beispiel gewohnt, uns morgens einen »Coffee to go« zu holen, und mussten uns während des Lockdowns umstellen. Als die Geschäfte dann wieder öffneten, ging Geoff wieder dazu über, sich seinen Kaffee außer Haus zu besorgen, während Steve, der zum Profi an der French Press (oder »Cafetière«) geworden war, nur zu gern dabei blieb, sich seinen eigenen Kaffee aufzubrühen. Gewohnheiten sind zwar sehr hartnäckig, aber wenn sie sich einmal ändern, hat das erheblichen Einfluss auf die Unternehmen.
Und haben wir angesichts der Größe der Herausforderung auch tatsächlich Verschiebungen auf dem Markt für Toilettenpapier und verwandte Produkte gesehen? Wie sich herausstellt: Ja, tatsächlich! Eine kleine Gruppe von Konsumenten traf die Entscheidung, sich nicht länger vom Angebot an Toilettenpapier abhängig zu machen, und installierte Bidets in ihren Wohnungen.
Um uns nicht dem Vorwurf auszusetzen, wir hätten nur den US-Markt im Blick, müssen wir einräumen, dass Bidets in vielen Ländern der Welt sehr verbreitet sind, zum Teil sogar vorgeschrieben. In Italien zum Beispiel fordert ein Hygiene-Gesetz von 1975, dass in jedem Haushalt zumindest in einem Badezimmer ein Bidet vorhanden sein muss. In Asien beförderte ein Unternehmen namens Toto das Bidet mittels elektronischer Bedienungspulte ins Digitalzeitalter, und so wurde es zur Grundausstattung japanischer Wohnungen. Und im März 2020 stiegen dann auch in den USA die Verkaufszahlen für Bidets dramatisch an. Bei manchen Unternehmen wuchsen die Verkäufe auf mehr als das Zehnfache des Normalen.3
Die Frage, die sich nun für Papierhersteller, Produzenten weißer Ware und Verbraucher auf der Suche nach dem richtigen Kaufzeitpunkt stellt, lautet: Ist diese Verschiebung wohl ein einmaliger Ausreißer bei den Umsätzen oder ein anhaltender Trend hin zur Verbreitung von Bidets in den USA?
Wir verlassen jetzt einmal das Badezimmer, um das Konzept, das wir im Rest des Buchs besprechen wollen, etwas allgemeingültiger darzustellen. Grob gesagt gibt es bei jedem Trend zwei Phasen, die jeweils durch die Natur der Ungewissheit in Bezug auf diesen Trend gekennzeichnet sind. In der anfänglichen »Ob«-Phase ist noch ungewiss, ob der Trend zur Entfaltung kommen wird; in der anschließenden »Wenn«-Phase (oder »Sobald«-Phase) ist der Trend fortgeschritten, hat Schwung aufgenommen und einen wichtigen Wendepunkt passiert, von dem an nicht länger ungewiss ist, ob er sich entfalten wird. Die Frage ist jetzt nur noch, wann, und mitunter, in welchem Umfang.
Unsere Kernhypothese in diesem Buch lautet, dass sich an dem Zeitpunkt, zu dem aus einem »Ob« ein »Wenn« wird, die Art der Reaktion von Führungskräften ändern muss. Als Führungskraft besteht Ihre Chance nun darin, dass Sie sich auf Schritte konzentrieren, mit denen Sie den Trend so gestalten können, dass eine bessere Zukunft geschaffen wird - eine Zukunft, in der Ihr Unternehmen im Vorteil ist.
Der Wechsel vom »Ob« zum »Wenn« (oder »Sobald«) erfolgt, wie bereits in der Einleitung geschildert, ähnlich wie bei der Achterbahn. Der große Anstieg zu Beginn, wenn ein Kabel die Wagen bergauf zieht, das ist die »Ob«-Phase. Die Wagen der Achterbahn bauen dabei eine...
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