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»ICH BIN VERLIEBT WIE EIN LEUTNANT UND glücklich wie ein Gott«, schreibt Franz Joseph seinem Freund Albert von Sachsen. Er ist jetzt von einer Mitteilsamkeit, die seinem Wesen bisher fremd gewesen ist. Nur ein lustvolles Erleben vermag den Panzer der angeborenen und anerzogenen Vereinsamung derart zu sprengen, dass der Beglückte dem Drang nicht widerstehen kann, andere an seinem Glück teilhaben zu lassen. Der junge Kaiser, von tausend Rücksichten eingeschnürt, war mutiger gewesen, als es, bei der Wahl der Frau, selbst die Mehrzahl der zahlreichen freien Bürger ist. Er fühlt seinen Mut, die Treue zum eigenen Willen belohnt an der Seite dieses edel veranlagten schönen Naturkinds, das ihm den Blick in eine neue Welt öffnet. Man merkt es ihm an, alle Zeugnisse bestätigen es, dass diese Bereicherung die helleren, freundlichen Seiten seiner Natur hervorkehrt, ihn freier, optimistischer macht.
Der kluge König Leopold von Belgien, der ihn in seiner Glückszeit wiedersieht, schreibt seiner Nichte, der jungen Königin von England, es sei erstaunlich, wie »herzlich und glücklich« der Kaiser geworden sei; man müsse ihn gern haben, »sein Gemüt und die Kühnheit«, die aus den »warmen blauen Augen« sprechen, wie die »liebenswürdige Fröhlichkeit«, die der »angeborenen Autorität« nichts nehme. Dieselbe Beobachtung, noch deutlicher, macht Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha, der Bruder des Gatten der Königin Viktoria. Er schreibt ihr im Mai 1854 aus Wien: »Ich finde den Kaiser, seit ich ihn zuletzt gesehen, außerordentlich vorteilhaft verändert; er ist kräftiger geworden, in seinen Bewegungen freier und bestimmter. Trotz der trüben Lage der Dinge und des Frostes der Situation war an dem jugendlich frischen Monarchen eine gewisse freudige Anregung zu erkennen; die Gründung des häuslichen Glücks scheint in wohltätigster Weise auf sein Gemüt gewirkt zu haben ...« Es ist Elisabeth, die es bewirkt, dass der Kaiser eine von allen kleinlichen Bedenken freie Amnestie erlässt. Alle Prozesse wegen Majestätsbeleidigung und Störung der öffentlichen Ruhe werden niedergeschlagen, fünfhundert sogenannte Hochverräter auf freien Fuß gesetzt, die Sequestrierungen in Lombardo-Venetien werden aufgehoben. Eine gütige Hand öffnet die Gefängnistore und entwindet dem Henker den unerbittlichen Strick. Die Aufhebung des Belagerungszustands in Galizien, in Ungarn und in der Vojvodina (alt: Wojwodina), die Überweisung der Strafgerichtsbarkeit an die ordentlichen Gerichte retten viele der Beschuldigten vor dem Tod oder vor langer Kerkerhaft.
Selbst den Unglücklichen, die dem Strang schon verfallen waren, wie jenen drei vom Hermannstädter Kriegsgericht verurteilten Damen, der Witwe des Gutsbesitzers Kenderessy zu Mikefalva, der Professorsgattin Török zu Maros-Vasarhely und der Pächterswitwe Szentkiretyi, wird sozusagen vor dem Galgen in letzter Sekunde die Freiheit wiedergegeben. Es ist keine Phrase, wenn die Gutgläubigen in der jungen bayrischen Prinzessin eine gütige Fee sehen, die ein glücklicher Zufall nach Österreich geführt hat. Es muss der sechzehnjährigen Kaiserin ein beseligendes Gefühl geben, dass sie durch ihr bloßes Dasein jene aus Erfahrung und Staatsräson geborene Meinung zu schwächen vermag, die in allen Regungen Böses wittert und nur der Gewalt vertraut. Sie erlebt das Wunder der geliebten Frau; sie euphorisiert den jungen Kaiser, sie beflügelt ihn, und es gibt Augenblicke, Stunden, da er ihr ganz nahe ist. Wird ihn die Erde nicht wieder an sich ziehen? Beim Zusammensein, wohin kein fremdes Auge dringt, meint Elisabeth ihn ganz zu besitzen. Sie ist zu jung und zu unerfahren, als dass sie eine Ahnung hätte von der Gefährdung dieses Glücks. Franz Joseph ist der zärtlichste Gatte, er gibt sich willig der Eigenart und dem Zauber Elisabeths hin. Er kehrt aber stets wieder in das Gehäuse seiner Natur zurück.
Der vierundzwanzigjährige Kaiser ist gefestigter als die meisten jungen Leute seines Alters. Der Begriff der Majestät ist ihm so zu eigen geworden, die Gewöhnung an das eigene Urteil und die Unbeschränktheit des Willens sind so selbstverständlich, dass ihn schon in diesen jungen Jahren weder Lust und Freude noch Unlust und Trauer zu erschüttern vermögen. Er hatte gleich bei Beginn seiner Regierung einen Mann neben sich, den Fürsten Schwarzenberg, dessen Persönlichkeit und fast geniale Begabung den jungen Kaiser gefangen nahmen; die Erfolge Österreichs in den ersten Jahren Franz Josephs waren Erfolge dieses Talents. Es ist aber ein jetzt schon deutlich wahrnehmbarer Wesenszug des jungen Kaisers, dass er starke Persönlichkeiten nicht erträgt. Den Fürsten Schwarzenberg empfing er sozusagen mit der Krone, er konnte sich ihm nicht entziehen. Nach dessen Tod jedoch wählte er den unbedeutenden Grafen Buol zum Nachfolger und wurde in einer schwierigen Zeit sein eigener Außenminister. Es ist ein ungleiches Spiel, auf der einen Seite das aufsteigende Genie Bismarcks, die Routine der westlichen Diplomatie, Russlands weite Slawenpolitik, auf der anderen Seite der Glaube des jungen Kaisers an die Vortrefflichkeit der eigenen Entschlüsse, und ein unzulänglicher Gehilfe. Die schwere Krise des Krimkriegs, deren Höhepunkt in Franz Josephs glücklichstes Jahr fällt, hat der Kaiser selbst verschuldet. Der Preis, den seine Zuneigung zur Mittelmäßigkeit kostet, ist sehr hoch: Buol hat in wenigen Monaten die ansehnliche Erbschaft, die Schwarzenberg dem Reich hinterließ, ohne Rest verspielt. Des Kaisers inneres Widerstreben vor genialen Naturen und eigenartigen Persönlichkeiten entspringt nicht einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, nicht einem cäsarischen Wahn. Davon ist Franz Joseph frei. Sein gänzlich nüchterner Sinn ist es, der ihn zur Nüchternheit und praktischen Mittelmäßigkeit zieht. Er ist in seinem Innersten davon überzeugt, dass Gott die Welt nach dem Prinzip des unmittelbar Zweckmäßigen eingerichtet hat, so etwa, wie er selbst sein Leben und sein Reich einzurichten wünscht. Einem solchen Sinn erscheint das Genie als ein Luxus und Feiertagsvergnügen der Natur; es ist, wie jede höhere fantasiereiche Begabung, gefährlich. Kehrt die Geschichte nach den Extratouren und Exzessen des Genies nicht immer wieder zur tüchtigen Mittelmäßigkeit zurück, zum Alltagsmenschen ohne Flügel? Franz Joseph wird niemals fliegen, er wird auch aus dem schönen Fantasiereich Elisabeths zurückkehren zu der strengen Nüchternheit seiner eigenen Welt, wo das unmittelbar Erfassbare, das Nützliche und allgemein Verständliche zugleich das Gute und das Wahre ist.
Kaiserin Elisabeth
Das Märchen ist nicht ganz wahr, das die Zaungäste der Österreichischen Geschichte erzählen, wonach Elisabeth, das ungebundene Kind der Natur, bei ihren ersten Schritten in Wien von den unpersönlichen Gesetzen der höfischen Ordnung, vom strengen Hofzeremoniell gequält und zerdrückt worden sei wie ein natürlich gewachsener Körper vom eisernen Schnürleib. Der Hof der Habsburger hat diese alte, zum Teil aus Spanien übernommene Ordnung, er lebt unter Gesetzen, die alle Beziehungen seiner Mitglieder zum Herrscher und untereinander regeln: Er ist in allen seinen Teilen, bei jedem Dienst, bei jedem Anlass an bestimmte Formen gebunden, die sich bis aufs Kleinste erstrecken. Die Geltung dieses Zeremoniells hinderte aber nicht, dass sich jeder Herrscher innerhalb dieser Ordnung das private Dasein nach dem eigenen Geschmack einzurichten vermochte. Maria Theresia, die große Kaiserin, war auch eine Wiener Hausfrau, ihr Sohn Joseph lebte, wenn es ihm gefiel, außerhalb jeder Etikette, den Kaiser Franz störte das Zeremoniell nicht in seinen kleinbürgerlichen Neigungen, und Ferdinand war erst recht nicht zum Statisten eines großartigen Zeremoniells geboren. Franz Joseph erhöhte mit dem Begriff der Majestät auch die Etikette, aber sein privates Leben war von keinem Zwang symbolischer Formen belastet. Elisabeth kam aus keinem Bauernhaus; sie war bei aller Freiheit, die sie als Kind genoss, doch wie eine Prinzessin erzogen worden, sie kannte den Münchner Hof. Es ist nicht die fehlende Vertrautheit mit dem Wiener Zeremoniell, was den Himmel des jungen Glücks verfinstert. Wie gerne verziehe man ihr die kleinen Verstöße gegen altertümliche Einrichtungen wie jene, da sie ihre Schuhe länger zu tragen wünscht, als es der Kaiserin erlaubt ist, die Üppigkeit der Mahlzeiten verschmäht, nach ihrem Wohlbefinden und Gutdünken den Tag einteilt, nicht immer die vorgeschriebene Distanz einhält. Der Kaiser selbst geht vom ersten Tag der Ehe darin sehr weit, das Geschmacksurteil Elisabeths, die Besonderheit ihrer Lebensweise zu respektieren und allen Normen voranzustellen. Er fährt mit ihr aus, er und sie steigen zu Pferd, ohne dass die Adjutanten und der Hofstaat der Kaiserin in Bewegung gesetzt werden. Graf Grünne, der Generaladjutant, vermerkt diese unvorbereiteten Ausflüge sehr übel, die es ihm unmöglich machen, den Apparat des Geheimdienstes und der Polizei zu alarmieren. Er und der Hof sehen es mit Erstaunen, dass der Kaiser jede Begleitung verschmäht, bei Ausfahrten mit Elisabeth allein bleibt. Der Geschmack der Kaiserin, so raunt die Schar der Domestiken, tritt allzu sehr hervor, er gewinnt die Führung, der Kaiser gerät »unter den Pantoffel«.
Niemals käme solcher Tratsch über die Lippen der Höflinge und Lakaien, wenn der Spürsinn ihrer Augen und Ohren nicht sähe und hörte, was die mächtigste Person am Hofe denkt. Des Kaisers Mutter hat in jener Nacht des Zweifelns, da sie den Kardinal um Rat und zu Hilfe rief, einen Entschluss gefasst. Nicht Besorgtheit um die eigene Macht hat ihr den Vorsatz eingegeben, die junge Kaiserin fest an die Hand zu nehmen. Mütter sind hellsichtig, wo es sich um das Wohl geliebter Kinder handelt; um wie viel klarer sehen sie als...
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