Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Jack war ein Filmstar, was bedeutete, dass man ihm im Hinblick auf sein ungehobeltes Benehmen ein gewisses Maß an Freiheit zubilligte. Trotzdem, als er stoned und verschwitzt auf Lindseys Party anlässlich ihres dreißigsten Geburtstags aufkreuzte, dem übereifrigen Oberkellner mit der Faust auf die Nase schlug und sich in die eingetopften Gladiolen übergab, die im Torre's die kniehohen Fensterbretter säumten, bevor er an unserem Tisch auf einem Stuhl bewusstlos in sich zusammensank, war niemand amüsiert. Lindsey nicht, die »Ach zum Teufel!« sagte und hinüber an die Bar ging, um sich noch einen Wodka geben zu lassen. Chuck nicht, der das Eis aus seinem und meinem Drink auf seine Serviette kippte und, während er leise auf Jack fluchte, in die Küche stürmte, um den Oberkellner zu verarzten. Alison nicht, die von ihrem Platz aufsprang und sich eifrig bemühte, Jack wiederzubeleben, indem sie ihm sanft das Gesicht tätschelte, einen nassen Lappen auf die Stirn legte und immer wieder eindringlich flehte: »O mein Gott, Jack, wach auf.« Und ich nicht, der ich - da ich mir nicht besser zu helfen wusste - vom Tisch aufstand und unter dem missbilligenden Schweigen gut gekleideter Dinnergäste an die Bar schritt, um Lindsey Gesellschaft zu leisten.
Na ja, um ehrlich zu sein, irgendwie war ich schon amüsiert. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass man im wirklichen Leben etwas Derartiges geboten bekommt.
»Alles okay mit dir, Lindsey?«, fragte ich in genau dem Augenblick, in dem sie den Kopf zurückwarf und den Wodka hinunterkippte. Irgendwo im Hintergrund rieselte Musik - Yanni oder sonst irgendeine Musik, die unter Schlafmitteleinfluss steht - leise aus unsichtbaren Lautsprechern.
»Im Vergleich zu anderen, würde ich sagen, es geht mir hervorragend«, sagte sie mit einem Blick in Jacks und Alisons Richtung. »So ein Arschloch.«
»Noch zwei«, rief ich dem Barmann zu, dem es tatsächlich gelang, den Blick, mit dem er Lindsey unter den Augenbrauen hervor anstarrte, lange genug abzuwenden, um meiner Bitte nachzukommen.
»Meinst du, es hat ihn jemand erkannt?«, fragte ich mit einem Blick ins Restaurant.
»Und wenn schon.«
»Auf dich, Geburtstagskind.« Wir stießen an und leerten die Gläser.
»Ich glaube, die würden weitaus mehr dabei rausschlagen, wenn sie wüssten, wer er ist«, meinte Lindsey. »Schließlich bekommt man nicht alle Tage die Gelegenheit, zuzusehen, wie ein echter Filmstar sein Leben zerstört.«
»Er kann von Glück reden, dass sie ihn nicht festgenommen haben.«
»Die Nacht ist noch jung.«
»Ich hoffe, dem Oberkellner ist nichts passiert«, sagte ich. Ich verzog das Gesicht bei dem Gedanken an den plötzlichen Faustschlag, an das knackende Geräusch, das zu hören war, als Jacks Faust und das Gesicht des Oberkellners aufeinanderprallten. Jacks Faust schläge hatten im Allgemeinen den Vorzug, von THX-Soundeffekten begleitet zu werden. Im wirklichen Leben verblüffte das Geräusch durch die fehlende Resonanz, wodurch noch weitaus mehr Gewalt in ihm zu stecken schien.
»Wäre es Ihnen vielleicht möglich«, wandte sich Lindsey an den Barmann, »eine Zeit lang nicht auf meine Brüste zu starren?«
Der Barmann, ein Typ in den Vierzigern mit einem Kropf und einem langen Schnauzer, stöhnte und entfernte sich rasch ans andere Ende der Bar. Er zog ein Geschirrtuch hervor und begann, peinlich genau auf einem unsichtbaren Schmutzfleck herumzureiben. »Bist du sicher, dass mit dir alles okay ist?«, fragte ich.
»Er hat sich nicht einmal bemüht, es unauffällig zu machen«, empörte sie sich.
»Also ist es gar nicht die Tatsache, dass er dich angestarrt hat, die dich ärgert, sondern nur, wie schlampig er es ausgeführt hat.«
»Ach, halt den Mund, Ben.«
In diesem Augenblick kam Chuck aus der Küche zurück, die Stirn unter dem sich lichtenden Haar mit Schweißtropfen besprenkelt. »Du meine Güte, hier drin ist es vielleicht heiß.« Er bestellte sich ein Club-Soda auf Eis, was er immer trank, wenn er am nächsten Morgen operieren musste. Der Barmann bediente ihn, ohne Blickkontakt aufzunehmen, und zog sich dann rasch wieder ans andere Ende der Bar zurück.
»Wie geht's dem Oberkellner?«, fragte ich.
»Er wird's überleben. Er hat eine Quetschung auf dem Nasenrücken, und es wird ihm noch ein paar Tage wehtun, wenn er niesen muss. Ich hab ihm gesagt, ich geb telefonisch ein Rezept für ihn durch. Wie geht's Hollywood?«
Wir sahen alle hinüber zu dem Tisch, an dem Alison Jack inzwischen wiederbelebt hatte und ihm ein Glas Wasser einflößte, von dem das meiste in dunklen, feuchten Flecken auf seinem braunen Hemd endete. Die trübe Beleuchtung des Restaurants verlieh seiner ohnehin schon aschfahlen Gesichtsfarbe eine gelbsuchtartige Blässe, so dass er ausgezehrt und kränklich wirkte. »Er hat schon besser ausgesehen«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»O Mann, ich hab schon obdachlose Junkies zu Gesicht bekommen, die besser ausgesehen haben«, schnaubte Chuck verächtlich.
»Erspar uns bitte grässliche Details aus deinem gesellschaftlichen Umgang.«
»Hey, bleib cool«, sagte Chuck mit einem dämlichen Grinsen. Chuck hatte irgendwie die Phase verpasst, in der wir alle Anredefloskeln wie »O Mann« und »Hey, bleib cool« abgelegt hatten, und er hielt hartnäckig an diesen Anachronismen fest, als könnten sie seinen Haarausfall irgendwie verlangsamen.
»Das ist ein hübsches Bild für die Boulevardpresse«, unterbrach uns Lindsey, die sich in diesem Augenblick wieder zur Bar umwandte. Die Lichtstrahlen der Restaurantbeleuchtung ließen ihre blonden Strähnchen hell aufschimmern, als sie den Kopf bewegte.
»Ich denke, wir sollten ihn besser von hier wegschaffen«, sagte ich. »Wenn ihn irgendjemand erkennt, dann können wir uns das hier in Entertainment Tonight ansehen.«
»Recht geschehen würde es ihm«, sagte Lindsey, während wir uns von der Bar erhoben.
»Was hat man eigentlich davon, ein berühmter Filmstar zu sein, wenn einen niemand erkennt?«, brummte Chuck.
»Sieh ihn dir bloß an«, sagte ich. »Selbst ich erkenn ihn kaum wieder.«
Das stimmte. Jacks normalerweise hellblondes Haar war ein schmieriges, verfilztes Durcheinander über seiner Gucci-Sonnenbrille, und er trug einen Vier- oder Fünftagebart. Es fiel schwer zu glauben, dass das derselbe Mann war, dessen Gesicht (und Körper, immer der Körper) im Lauf der letzten Jahre auf jeder größeren Zeitschrift abgebildet war, derselbe Kerl, den Journalisten der Boulevardpresse auf abgedroschene Phrasen wie »Cooler Typ« und »Frauenschwarm« reduzierten. Doch sein verwahrlostes Erscheinungsbild an jenem Abend hätte keineswegs dazu beigetragen, an diesem Eindruck irgendetwas zu ändern. Wenn Jack ausging, sah er oft aus, als hätte er sich seit einer Woche nicht geduscht. Das war typisch Hollywood. Alle Stars benahmen sich in letzter Zeit genauso wie er, falls die heimlich aufgenommenen Schnappschüsse in Entertainrnent Weekly und Movieline als Indiz gelten konnten. Das war ihre Art zu sagen: »Selbst wenn ich beschissen aussehe, bin ich immer noch schön.« Was in Jacks Fall unbestreitbar stimmte. Sein eigentliches Wesen schien zwischen den Schmutzschichten hindurch - die perfekten grünen Augen, die schön geschwungenen Wangenknochen, die lässige, unbewusste Anmut, mit der er seinen schlanken Körper bewegte. Wenn man seinen besten Tag hatte, konnte man von Glück reden, wenn man so aussah wie Jack mit Pocken.
Als wir uns dem Tisch näherten, wandte Alison den Blick ab, aber erst, nachdem ich schon bemerkt hatte, dass sie Tränen in den Augen hatte. Ich stieß Lindsey in die Seite. »Geh mit ihr nach draußen.«
Nachdem die Frauen gegangen waren, nahmen Chuck und ich rechts und links von Jack Platz, der inzwischen wieder aufrecht saß, mit verschleiertem Blick zwar, aber ansonsten offensichtlich nur leicht benommen. »Meinst du, wir können jetzt ohne weitere Zwischenfälle von hier verschwinden?«, fragte ich ihn.
»Tut mir leid, Leute«, sagte Jack mit einem verlegenen Eine-Million-Dollar-Lächeln. Und dann, etwas besorgt: »Habe ich irgendjemanden erwischt?«
»Du hast den Oberkellner k.o. geschlagen«, sagte ich.
»Was hat er gemacht?«
»Geblutet, hauptsächlich.«
»Scheiße.« Er warf einen verächtlichen Blick auf seine Knöchel, als hätten sie ohne sein Zutun gehandelt. »Ich wusste, dass ich eigent lich zu fertig war, um noch hierher zu kommen, aber ich wollte doch unbedingt zu Lindseys Party.«
»Auftrag ausgeführt, Mann«, sagte Chuck.
»Scheiße, mein Kopf tut weh«, sagte Jack, lehnte sich zurück und rieb sich die Schläfen.
Auf einmal beugte sich Chuck vor und drückte Jacks Nase mit Daumen und Zeigefinger zusammen. Von Schmerz durchzuckt, schnellte Jack hoch und schlug Chucks Hand beiseite. »Arschloch!«
»Ich dachte mir schon, das würde vielleicht wehtun«, sagte Chuck mit einer gewissen Genugtuung.
»Kokain?«, fragte ich.
»Eindeutig, Mann«, sagte Chuck. »Macht die Nasengänge ziemlich wund.«
»Kein Heroin?«
»Könnte sein«, antwortete Chuck. »Aber sein Verhalten lässt eher auf Kokainsucht schließen.«
»Scheiße, Jack«, sagte ich. Ich fühlte mich plötzlich wie am Boden zerstört. »Koks?«
Es blieb ihm erspart, mir eine Antwort geben zu müssen, denn in diesem Augenblick kam der Geschäftsführer, begleitet von zwei stämmigen Küchenhilfen, um uns aus dem Restaurant zu werfen.
Das war der Zeitpunkt, als wir das erste Mal dachten, dass Jack vielleicht ein echtes Problem hatte.
Natürlich, es war nicht das erste Mal, dass...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.