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Bath, 1865: Jane ist eine begnadete Krankenschwester und findet die Aussicht, ihr Leben als Ehefrau und Mutter an der Seite des jungen Arztes Valentine zu verbringen, wenig reizvoll. Umso mehr, als sie bei einem Aufenthalt in Londons freizügiger Bohème die schöne Julietta kennenlernt . Während Jane mit ihrem inneren Konflikt ringt, zieht es Valentines Bruder Edmund an weit entfernte Orte: Auf der Suche nach exotischen Pflanzen und Tieren reist der Forscher in den tiefen Dschungel Borneos. Doch er hat die Gefahren der gewaltigen Natur und des drückenden Klimas unterschätzt - und so muss auch er sich fragen, was er sich von seinem Schicksal eigentlich erhofft .
Rose Tremains kühner und sinnlicher Roman erzählt mit unbändiger Abenteuerlust von Menschen zwischen Leidenschaft und Konvention, von Heils- und Glücksversprechen - und der Sehnsucht nach Erlösung.
Sie kam aus Dublin.
In dieser lebendigen Stadt hatte sie in einer Kurzwarenhandlung gearbeitet und den langsamen Tod ihrer Mutter begleitet, nach welchem sie in sich eine unerwartete Sehnsucht entdeckte, Irland zu verlassen und die Welt zu sehen. Ihr Name war Clorinda Morrissey, und sie war achtunddreißig Jahre alt, als sie in der englischen Stadt Bath ankam. Es war das Jahr 1865. Sie war nicht schön, aber sie besaß ein Lächeln von großem Liebreiz und eine weiche Stimme, die die Seele trösten und besänftigen konnte.
Clorinda wusste, dass Bath nicht gerade »die Welt« war. Aber man hatte ihr erzählt, es sei wie Rom auf sieben Hügeln erbaut, und in der Frühlings- und der Herbstsaison würden »Galas und Illuminationen« veranstaltet, und diese Dinge bekamen in ihrer Vorstellung etwas Glamouröses. Es sei außerdem, hörte sie, ein Ort, der sehr viele reiche Menschen anlocke, die sich einfach nur vergnügen oder aber einer Wasserkur unterziehen wollten; und wo die Reichen zusammenkamen, war Geld zu verdienen.
Anfangs sehr bescheiden in der Arvon Street am unteren Ende der Stadt logierend, wo die Gossen mit Unrat verstopft waren, in dem tagsüber Dutzende Schweine umherliefen, um sich nachts in ihrem eigenen Schmutz behaglich schlafen zu legen, begann Clorinda Morrissey ihren Aufenthalt in Bath als Hutmachergehilfin im kalten Keller eines Ladens in der Milsom Street. Eine Arbeit, die die Hände angriff. Obwohl sie sich immer wieder sagte, sie diene ihrem »Lebensunterhalt«, hatte Clorinda schon bald den Eindruck, dieser »Lebens«-Unterhalt ähnele sehr viel eher einer Art »Sterben«, und der Gedanke, dass sie Dublin verlassen hatte, nur um jetzt unter dem Gefühl zu leiden, dass dies ein gesellschaftlicher Abstieg war, machte sie wütend. Sie schwor sich, ihr Schicksal so rasch wie möglich in die Hand zu nehmen, damit ihr Unternehmungsgeist sie nicht vorschnell verließ.
Der einzige Wertgegenstand, den sie besaß, war eine Rubinhalskette. Es war ein schönes Stück: zwanzig blutrote Steine, aufgezogen auf einen zierlichen Goldfaden und mit einem goldenen Verschluss versehen. An Clorinda war die Kette von ihrer jüngst verstorbenen Mutter gekommen, die sie ihrerseits von ihrer Mutter bekommen hatte und jene wiederum, in eintöniger Erbfolge, von der ihrigen. Über lange, wenig bemerkenswerte Jahre war diese Halskette von einem sicheren Aufbewahrungsort zum nächsten gewandert. Sie war von all ihren Besitzerinnen kaum getragen worden und hatte eher den verhärteten Status eines Familienerbstücks angenommen, das in einer mit Satin ausgeschlagenen Schatulle aufbewahrt und hin und wieder in Brennspiritus getaucht wird, damit es gereinigt in neuem Glanz erstrahlen kann. Über lange Perioden wurde die Kette so vollkommen vergessen, als existiere sie überhaupt nicht.
Gerüchte, die Urgroßmutter habe sie »auf unehrenhafte Weise« erworben, wurden von Generation zu Generation weitergereicht, machten aber jede weitere Erbin nur noch begieriger, die Kette zu besitzen. Sie alle waren fest davon überzeugt, dass die Rubinhalskette eines Tages »ihren eigentlichen Zweck« erfüllen werde. Doch worin dieser Zweck bestehen könnte, wurde, auch wenn man viel darüber spekulierte, nie formuliert. Die Kette wurde weiterhin an seltsamen Orten versteckt gehalten: unter Fußbodendielen, im Innern einer defekten Standuhr oder im Geheimfach eines leeren Wandschranks, in dem Gefäße mit Hyazinthenzwiebeln die Winterdunkelheit überdauerten.
Doch nun traf Clorinda Morrissey, während sie sich in ihrem kalten Keller mit der Anfertigung von steifen Hauben und Stoffblumen für die Verzierung abplagte, eine schwindelerregende Entscheidung. Sie würde die Halskette verkaufen.
Ihrer inneren Stimme, die ihr vorwarf, sie verrate den Status der Halskette als Erbstück, das an zukünftige Generationen weiterzureichen sei, erwiderte sie, sie habe keine Kinder, weshalb es auch keine »zukünftige Generation« gebe, der es weiterzureichen sei. Und dem Gedanken, nach moralischen Kriterien müsste sie die Kette eigentlich einer der Töchter ihres Bruders überlassen, schenkte sie so gut wie keine Beachtung. Ihre beiden Nichten, Maire und Aisling, bedeuteten ihr überhaupt nichts. Sie hielt die beiden für beschränkte, mürrische Kinder, die wahrscheinlich nicht einmal von der Existenz der Kette wussten. Und die Rubine, das erkannte sie jetzt mit ungewöhnlicher Klarheit, hatten für niemanden irgendeinen Wert, solange dieser Wert nicht realisiert wurde. Nach all diesen stummen Generationen, die gelebt hatten und gestorben waren, wurde es doch wahrhaftig Zeit, dass jemand von den Edelsteinen Gebrauch machte.
Als Erstes trug sie die Kette zu einem Pfandleiher. Dieser ältliche Mensch klemmte sich einen napfartigen Gegenstand auf sein Auge und betrachtete durch ihn die Rubine. Clorinda Morrissey, die ihn scharf beobachtete, sah, wie ihm ein kleiner Speicheltropfen aus dem Mund trat und über das Kinn rann. Daraus schloss sie zu Recht, dass der Mann sofort erkannt hatte, dass er nach all dem Flitter, dem Messing, Glas, Elfenbein und Zinn, der ihm gewöhnlich angeboten wurde, hier endlich ein Objekt von ungewöhnlicher Schönheit und Kostbarkeit vor sich hatte. Er legte den Napf beiseite, wischte sich die Lippen mit einem schlaffen Taschentuch, räusperte sich und machte Clorinda ein Angebot.
Doch die genannte Summe genügte ihr nicht. Mrs Morrissey hatte die Absicht, ihr Leben zu ändern. Sie wusste, dass es ein knauseriges Angebot war, auch wenn es das überstieg, was sie in sechs Monaten bei dem Hutmacher verdienen konnte. Glühender Hass auf den zynischen Pfandleiher kochte in ihr hoch, eine Wut, so rot und herzlos wie die Edelsteine. Sie diskutierte gar nicht erst mit dem verabscheuungswürdigen Mann. Sie schnappte sich die Kette, legte sie wieder in die Schatulle und war schon im Begriff, wortlos den Laden zu verlassen, als sie kurz vor der Tür hörte, wie der Pfandleiher sie mit einem minimal erhöhten Angebot zurückrief. Doch sie ließ sich nicht aufhalten.
Am nächsten Tag lieh sie sich beim Hutmacher für Sixpence eine modische Haube, steckte sorgfältig ihre Haare darunter fest, zog ihren besten Mantel und saubere Schuhe an und begab sich zu einem Juwelier der gehobenen Gesellschaft in der Camden Street. Bei ihrem Eintritt klingelte ein melodisches Glöckchen über der Tür, was sie für ein freundliches Zeichen hielt.
Die Summe, die Clorinda Morrissey für die Rubine erhielt, in Goldmünzen ausgezahlt und von ihr auf einer geprägten Kaufurkunde mit so viel elegantem Schwung quittiert, wie sie aufzubringen vermochte, versetzte sie in einen tranceartigen Zustand, den sie »schiere Zielstrebigkeit« nannte. Sie konnte nicht schlafen. Sie nähte die Münzen in den Saum eines Batistunterrocks ein. Sie kam zu der Überzeugung, dass sie ihre achtunddreißig Jahre bislang in einer Art Halbdunkel verbracht hatte und ab jetzt dem Licht entgegenreisen werde. Und sie wusste sehr genau, wohin das Licht für sie fallen sollte.
Etwas weiter unten in der Camden Street gab es ein leerstehendes Ladengeschäft. Früher war es ein Bestattungsinstitut gewesen, das, wie Clorinda erfuhr, den Betrieb »wegen der unzureichenden Anzahl Verstorbener in der Stadt« aufgegeben hatte. Ihr wurde erklärt, der Anteil an Kranken und Leidenden in Bath sei zwar sehr hoch, doch es handele sich bei diesen hauptsächlich um »Importe in die Stadt«, die sich vom Heilwasser Genesung erhofften und entweder tatsächlich geheilt wurden - oder wieder zurück in ihre Heimat fuhren, um dort zu sterben. Die einheimische Bevölkerung sei dagegen extrem langlebig. Die steilen Hügel in der Umgebung sorgten für ein kräftiges Herz. Die Luft, die die Bewohner atmeten - zumindest im oberen Teil der Stadt -, sei, verglichen mit London und vielen anderen Städten, sehr rein. Und die vielfältigen Unterhaltungsangebote würden sie vor Verzweiflung bewahren. Gründe fürs Sterben seien vergleichsweise rar.
Das ehemalige Bestattungsinstitut war indes groß: ein hübsches Büro zur Straße hin, wo immer noch an die Wand geschraubte Mustersärge ausgestellt waren. Im hinteren...
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