Schweitzer Fachinformationen
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»Sie wissen, aus welchem Grund Sie hier sind?«
Wenn Sie wüssten, aus wie vielen Gründen ich hier sein könnte .
Ich fixierte den Schnurrbart des uniformierten Mannes vor mir und schüttelte den Kopf. »Hat es etwas mit dem Alarm zu tun, der ausgelöst wurde?«
Es gelang mir nicht ganz, die Panik aus meiner Stimme zu verbannen. Aber diese konnte man auch darauf zurückführen, dass ich mitten in der Nacht in einem Verhörraum saß und seit einer gefühlten Ewigkeit darauf wartete zu erfahren, was ich verbrochen hatte. Oder besser gesagt: was davon aufgeflogen war.
Um kurz nach vier Uhr nachts war das gesamte Kreuzfahrtschiff aus dem Schlaf gerissen worden. Angeblich ein Versehen. Dank meiner Kabinenbewohnerin Zoe, die zur Security gehörte, kannte ich allerdings die Wahrheit: Jemand hatte versucht, in den Zentralsafe der Diamond Empress einzubrechen. Um die Passagiere nicht zu verschrecken, deren Vermögen sich in diesem Safe befand, hatte man vorgegeben, es handelte sich um einen fälschlich ausgelösten Alarm, bis man der Sache auf den Grund gegangen war.
Und das alles nur wenige Stunden nachdem Zoe, Noemi, Viktor, Seraphina, Ernest und ich uns in einem Haus in Dänemark eingefunden hatten, um genau das zu planen - den Safe im Casino auszurauben.
Das musste ein grausamer Scherz des Universums sein. Aber ich hatte gerade andere Probleme.
»Ms. Korhonen, es wird eine sehr ernste Anschuldigung gegen Sie erhoben«, erwiderte der Mann, ohne auf meine Frage einzugehen.
Ich brach in kalten Schweiß aus. Das war nichts Neues für mich. Schon bevor ich einen Fuß auf dieses Schiff gesetzt hatte, war es mir oft so ergangen. Es genügte, dass ich unvorbereitet angesprochen wurde. Jemand tippte mir im Supermarkt auf die Schulter. Ich stand in einem vollen Bus, und von irgendwoher erklang mein Name. Eine unbekannte Nummer rief mich an.
Das war's, dachte ich jedes Mal. Sie sind mir auf die Schliche gekommen. Jetzt ist alles vorbei.
Man hätte meinen können, mein fehlgeleiteter Verfolgungswahn rühre von meinem schlechten Gewissen her. Wie oft man von Tätern und Täterinnen hörte, die erleichtert waren, wenn sie geschnappt wurden, weil sie endlich zur Ruhe kommen konnten und nicht mehr von ihrer Reue zerfressen wurden . Nur wirklich verdorbene Menschen bereuten nicht. Ich hatte die Tat noch keine einzige Sekunde meines Lebens bereut. Und ich würde jetzt nicht damit anfangen.
»Eine . eine Anschuldigung?«, stammelte ich und blinzelte schockiert. Ich war keine besonders gute Schauspielerin, aber ich würde mein Bestes geben.
Der Security-Mann erwiderte meinen Blick unbeeindruckt. Trotz der frühen Morgenstunde wirkte er hellwach. Der Geruch von bitterem Kaffee und kaltem Zigarettenrauch, der nicht ganz von seinem Rasierwasser überdeckt wurde, wehte mir über den Tisch zwischen uns entgegen. Mit einem fremden Mann in einem maximal neun Quadratmeter großen Raum allein zu sein, war nicht meine Lieblingsausgangsposition. In der letzten Stunde, in der man mich hier allein gelassen hatte, hatte ich genug Zeit gehabt, um die Überwachungskameras in diesem Raum ausfindig zu machen. Außerdem hatte mich niemand gefesselt, zur Not hätte ich aufstehen und in meine Kabine zurückkehren können.
Rational betrachtet war mir klar, dass nichts von den wirklich krassen Sachen aufgeflogen sein konnte, sonst hätten sie mich direkt in eine Zelle geworfen. Aber es war sehr schwer, mich darauf zu verlassen, während mein Inneres komplett am Eskalieren war.
»Welche Verbindung haben Sie zu Brian Walsh?«
Diesmal musste ich meine Überraschung nicht faken. Deshalb war ich hierher bestellt worden?
Erleichterung durchströmte mich wie auf Knopfdruck. Gleichzeitig wanderten meine Augenbrauen in die Höhe. »Brian, der Fitnesstrainer?«
Der Mann sah mich einfach nur an.
Okay. Zeit für deine Performance, Fin.
»Während meines Work-outs habe ich ihn ein paarmal gesehen, da er in dem Studio arbeitet, das sich in der Nähe meiner Kabine befindet. Und vor etwa zwei Wochen haben wir uns zufällig an der Crew-Bar getroffen. Da sind wir uns nähergekommen. Danach hatten wir keinen Kontakt mehr.«
»Wenn Sie näherkommen sagen .?«
Wie eiskalt er klang. Wie ernst er die Sache nahm. Mein früheres Ich hätte Hoffnung empfunden. Vielleicht gab es mehr Menschen wie ihn. Vielleicht war man nicht vollkommen auf sich allein gestellt, wenn man zum Opfer gemacht wurde.
»Wir haben uns geküsst«, antwortete ich. »Das müssten auch andere Besatzungsmitglieder mitbekommen haben. Die Crew-Bar war gut besucht. Anschließend sind wir in seine Kabine gegangen. Er wollte mehr, ich nicht, denn unter uns gesagt . Er hatte mehr als einen über den Durst getrunken. Wir haben Gute Nacht gesagt, das war alles.«
Die Augen des Security-Angestellten wurden schmal. »Ihm zufolge haben Sie ihm K.-o.-Tropfen eingeflößt.«
Ein Lachen entwich mir. Ich konnte es nicht zurückhalten. Niemals hätte ich gedacht, dass ausgerechnet Brian eins und eins zusammenzählen und dann auch noch den Mut aufbringen würde, den Vorfall zu melden. Und noch weniger hätte ich gedacht, dass ich eines Tages in einem Verhörraum sitzen und in klassischer Täter-Opfer-Umkehr argumentieren würde.
Vermutlich hätte ich mich selbst anwidern sollen, doch alles, was ich empfand, war ein Gefühl von Macht.
»Das ist absurd«, sagte ich. »Er hatte zu viel getrunken, und sein fragiles Ego hat es nicht verkraftet, von mir abgewiesen zu werden. Er kann sich glücklich schätzen, dass ich keine Beschwerde über ihn eingereicht habe.«
Zweifel schlich sich in die Miene des Mannes vor mir. Was ich als Anlass nahm, fortzufahren.
»Wie sollte ich denn überhaupt an K.-o.-Tropfen gekommen sein? Und was sollte ich für eine Motivation haben, ihm diese zu verabreichen? Er wollte mit mir schlafen. Das ging sehr eindeutig von ihm aus.«
Genau deshalb hatte ich ihn ja in dieser beschissenen Nacht ausgewählt. Obwohl ich die Gespräche mit meinen Kolleginnen im Spa-Bereich aufs Minimum beschränkte, war mir nicht entgangen, was sie über Brian sagten. Wie sie sich gegenseitig vor dem Fitnesstrainer warnten, der seine Finger nicht bei sich behalten konnte. Der dafür bekannt war, jede Frau in Reichweite anzumachen und ein »Nein« als »Überzeug mich« aufzufassen.
Ich hatte mit Brian schlafen wollen, um das Chaos in meinem Kopf nach dem verhängnisvollen Treffen in der Schiffsbibliothek zum Schweigen zu bringen.
Bis dieser Mistkerl alles kaputt gemacht hatte.
»Wie gesagt, es gibt definitiv Zeugen für sein . hartnäckiges Verhalten«, fuhr ich fort und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sowohl Barkeeper als auch andere Crew-Mitglieder. Und ich möchte keine Namen nennen, weil die Betroffenen selbst entscheiden sollen, wann oder ob sie darüber sprechen möchten, aber einige Frauen haben sich in den letzten Wochen von Brian Walsh bedrängt gefühlt.«
Die Züge des Sicherheitsmitarbeiters froren ein.
»Ich halte mich von Klatsch und Tratsch fern, aber im Nachhinein überrascht es mich nicht«, murmelte ich. »Ehrlich gesagt bin ich erleichtert, dass sich meine Erfahrung mit ihm auf diese Nacht beschränkt. Wer weiß, was geschehen wäre, wäre ich diejenige mit mehr Alkohol im Blut gewesen .«
»Das sind Spekulationen«, erwiderte der Mann schwach, doch sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich längst aus dem Schneider war.
»In der Tat. Was Brian über mich erzählt, sind allerdings nicht nur Spekulationen, sondern abscheuliche Lügen. Oder gibt es etwa Beweise?«
Sein Blick war Antwort genug.
»Ich weiß es zu schätzen, dass Anschuldigungen dieser Art auf der Diamond Empress ernst genommen werden, auch wenn ich etwas erstaunt darüber bin, dass ich deswegen mitten in der Nacht hergebracht und fast eine Stunde sitzen gelassen wurde.« Ich schob meinen Stuhl zurück und stand auf. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mich jetzt gerne auf meine Schicht vorbereiten.«
Mit einem Seufzen nickte er. »Danke für Ihre Kooperation und Ihre Geduld, Ms. Korhonen. Es war nicht unsere Absicht, Sie warten zu lassen, aber .« Er räusperte sich und nuschelte etwas von »unvorhergesehenen Komplikationen«, ehe er lauter weitersprach: »Sollte jemand eine Beschwerde gegen Walsh einreichen, können Sie sich sicher sein, dass diese ebenso sorgfältig untersucht wird.«
»Das freut mich zu hören«, gab ich zurück.
Damit drehte ich mich um, lief zur Tür und öffnete sie, obwohl ich sie eigentlich aufreißen und hinter mir zuknallen wollte.
Draußen waren weitere Security-Leute zugange, tranken Kaffee und steckten tuschelnd die Köpfe zusammen. Von Zoe war nichts zu sehen. Kaum jemand beachtete mich, trotzdem bemühte ich mich um ein Pokerface, bis ich den Security-Bereich hinter mir gelassen hatte. Sicher war sicher.
Erst dann zog ich mein Handy hervor und checkte, ob ich endlich Empfang hatte. Nicht nur ich war heute Nacht von der Security mitgenommen worden.
Als ich auf den Gang trat, vibrierte mein Handy, und mehrere Nachrichten fluteten mein Display. Ich überflog sie und blieb an einer hängen:
Noemi: Lol, wir haben ne Verwarnung bekommen, weil wir in der Dream Factory gevögelt haben. Was war bei dir??
Okay. Das war gut. Wir waren nicht aufgeflogen. Doch als ich...
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