Die Bedeutung sensomotorisch-koordinativer Fähigkeiten für
die Verbesserung von Golfleistungen im Nachwuchsbereich
Wolfgang Birkle
1 Einleitung und Problemstellung
Die Weltsportart Golf wird von über 60 Millionen Menschen auf der Erde betrieben und ist vom Kind bis zum Senior sehr beliebt. Der Trend der Zeit hat dafür gesorgt, dass der Golfsport wieder in das Olympische Programm 2016 in Rio aufgenommen wurde, wie auch schon 2014 bei den Youth Olympic Games in Nanjing.
Da der Golfsport vom Erlernen bis zu seiner gekonnt-variablen Vielfältigkeit im Spiel eine schwierige und komplexe psychomotorische Tätigkeit ist, wird er im weltweiten Ranking von Experten neben Stabhochsprung, American Football und Billard als eine der technisch anspruchsvollsten Sportarten bewertet (Asklubo, 2015).
Aufgrund dessen ist es von besonderer Bedeutung, dass diese Sportart bereits im Kindesalter erlernt werden sollte. Die Kinder und Jugendlichen werden angehalten, sich die wichtigen Bausteine der Sensorik und Motorik (koordinative und konditioneile Fähigkeiten) im langfristigen Leistungsaufbau anzueignen. Im Zusammenhang mit dem wichtigen Koordinationstraining für das Bewegungslernen (Golf) spielen die sensomotorischen Trainingsformen eine große Rolle.
Die Sensomotorik und ihre Trainingsformen sind in der Trainingspraxis schon seit Längerem bekannt und finden in den technischen Sportarten in jüngster Zeit immer mehr Zuspruch. Besonders werden durch das sensomotorische Training (SMT) die Aspekte der Bewegungskoordination für den Golfschwung vielfältig verbessert. Diese Aktionen führen zusätzlich zu einem differenzierten Muskel- und Bewegungsempfinden (Meinel & Schnabel, 1987, S. 64-65 sowie Oltmanns, 2007, S. 5-6) in ungewohnten Spielsituationen.
Eine frühzeitige und breit ausgelegte Grundausbildung mittels des aufbauenden Grundlagentrainings hat den positiven Effekt, dass Kinder und Jugendliche im langfristigen Leistungsaufbau die sportlichen Bewegungen nachhaltiger lernen und stabilisieren können.
Jedoch führen heutzutage die gesellschaftlichen Veränderungen (wie Zeitdruck, Schule, konkurrierende Angebote und mehr) dazu, dass sich Kinder und Jugendliche im Vergleich zu früher einerseits immer weniger bewegen und andererseits auch teilweise für Sportarten zu früh spezialisieren. Zunehmend wird dann vonseiten der Trainer und verantwortlichen Sportfunktionäre erkannt, dass viele talentierte Nachwuchssportler in der Stufe "Anschlusstraining" (etwa 16-18-jährig) die Motivation für den Sport verlieren und auf der Strecke bleiben.
Neben der zu frühen Spezialisierung können die Gründe für das Ausscheiden auch in einem zu massierten, einseitigen und damit langweiligen Techniktraining und einem zu kurz gekommenen spielerisch-kreativen Training liegen. Auch verzeichnet der Nachwuchssport eine gewisse Drop-Out-Quote durch Verschleißerscheinungen und Verletzungen, bedingt durch fehlende Grundlagen im Training und mangelnde Prävention.
Im nichtsportlichen Bereich kommt nach Schmidt (2003, S. 121) ein Trend zum Ausdruck, der eine immer stärkere Verschlechterung der motorischen und gesundheitlichen Aspekte zeigt. So fallen beispielsweise 30-40 Prozent der Kinder und Jugendlichen durch Koordinationsstörungen auf, 40-60 Prozent zeigen Haltungsschwächen oder -schäden. Hinzu kommt der demografische Wandel. Immer weniger Kinder und Jugendliche finden den Weg in die Sportvereine, unter anderem durch entwicklungsbedingte Interessensverschiebungen. Durch die Inflation der vielen Trendsportarten "verirren" sich Kinder und Jugendliche in ihrer sportlichen Entwicklung, ganz zu schweigen von den negativen Folgen für die Gesundheit. Eine durchgängige Entwicklung in einer Sportart/Disziplin wird zunehmend seltener.
Ziel des Deutschen Golf Verbandes (DGV) ist es, durch die vielseitigen Fördermaßnahmen in den Vereinen, einschließlich Schulgolf, die Kinder und Jugendlichen für die Sportart Golf zu gewinnen und langfristig zu binden. Dem Golfnachwuchs sollen durch neue kreative Trainingsformen Anregungen zum Trainieren so nahegebracht werden, dass ein hoher Aufforderungscharakter entsteht, um somit die Trainingsaufgaben mit großer Eigenmotivation zu lösen.
Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass die Kinder und Jugendlichen im Nachwuchsgolfsport in den Trainingsstufen im langfristigen Leistungsaufbau auf die richtigen Schwerpunkte "Leistungssteigerung und Prävention" setzen. Die Komplexität der Sportart und die schwierigen Rahmenbedingungen erfordern variable und kreative Trainingsformen. An dieser Stelle kann dem Nachwuchs durch ein vielseitiges golfspezifisches Koordinationstraining und Sensomotorischen Training (SMT) verstärkt geholfen werden.
2 Ziele und Aufgaben der nachstehenden theoretischen und
empirischen Untersuchung
Gegenstand dieser Arbeit ist die Verbesserung von Golfleistungen im Nachwuchsbereich mittels "sensomotorisch-koordinativen Trainings". Diese Thematik- im weiteren und engeren Sinne "Bewegungslernen", "Sensomotorik" und "Propriozeption" - wird neuerdings wieder verstärkt in der Sportwissenschaft behandelt. Die ausgewählten theoretischen Aspekte zu sensomotorischen Fähigkeiten im Golf (das Anforderungsprofil der Sportart sowie die Golfbewegungen) erfordern für die Untersuchung der Golfleistungen (Genauigkeit, Geschwindigkeit und Wiederholbarkeit) im Nachwuchsbereich eine Testbatterie (golfspezifische Testparameter), um an die Fragestellungen und Hypothesen zu kommen.
Aus den behandelten Themengebieten wird die Zielstellung dieser Arbeit hergeleitet. Hier wird anhand von sechs neu entwickelten golfspezifischen Testparametern festgestellt, ob sich durch das sensomotorische Training die Golfleistungen im Nachwuchsbereich verbessern können. Neben den eingesetzten Testparametern kann zur Feststellung von Spielverbesserungen das DGV Vorgabensystem2 eingesetzt werden. Es ergibt sich außerdem die Fragestellung, inwieweit sich das sensomotorisch-koordinative Training auf das Bewegungslernen auswirkt. Hier wird das Hauptaugenmerk auf die Fortschritte im Bewegungslernen gelegt. Dabei soll festgestellt werden, wie sich die Bewegungsökonomie (Laube, 2009) entwickelt, und ob dadurch der Lernweg schneller zum Ziel führt.
Darüber hinaus werden die Probanden mit Hilfe eines Leitfadeninterviews mit vier ausgewählten Fragen zum sensomotorischen Training befragt. Hier soll erörtert werden, inwieweit sich das Training auf die intrinsische Motivation und die Freude am Training auswirkt.
Für das methodische Vorgehen sollen fünf verschiedene Einzelgruppen einschließlich einer Kontrollgruppe mit quantitativen Messungen (vorher/nachher) erfasst werden. Die unterschiedlichen Versuchsgruppenanordnungen werden neben den Golfparametern mit dem Leitfadeninterview qualitativ ergänzt.
Die Ergebnisse der Einzelgruppen (vorher/nachher) werden ausgewertet und analysiert. Danach erfolgt aus den Ergebnissen der Einzelgruppen und den Gruppenvergleichen sowie den qualitativen Aussagedaten eine Interpretation der Untersuchungen.
Die entwickelten Testreihen zur Untersuchung werden kritisch diskutiert und deren Möglichkeiten und Grenzen erörtert. Die abschließende Zusammenfassung bietet einen kompletten Überblick über die Grundlagen der Testreihen, ihre Ergebnisse und die kritischen Diskussionen. Hinsichtlich des Erkennens der Gesamtthematik, also bevor auf die erwähnten Einzelaspekte theoretisch und empirisch eingegangen wird, ist es angebracht, zunächst auf die übergeordnete Zielstellung der gesamten Untersuchung einzugehen, nämlich die Golfleistung als Ganzes.
3 Methoden und Vorgehensweise
Das Trainingsprogramm der Experimentalgruppen 1-4 wurde zwischen den Untersuchungszeiträumen (Vorher- und Nachhermessungen3) durchgeführt. Die Nachwuchsgolfspieler fanden sich an insgesamt 16 Trainingsterminen zusammen. Die Trainingshäufigkeit war einmal pro Woche (120 Minuten) mit einem sensomotorischkoordinativen Trainingsanteil von 30 Minuten (Trainingsumfang). Die Trainingsschwerpunkte (sensomotorisch-koordinative Trainingseinheit) waren bei allen Experimentalgruppen nahezu identisch, nur die Trainingsintensitäten und -Übungen wurden adressatengerecht an die jeweilige Trainingsgruppe angepasst. Das gesamte Golftraining innerhalb der Experimentalgruppen selbst hatte unterschiedliche Trainingsinhalte und -ziele, unter Berücksichtigung der jeweiligen Alters- und Entwicklungsstufe (Trainingsprinzip der Individualität und Alters-/Entwicklungsgemäßheit), wie in der DGV Rahmentrainingskonzeption (S. 32-47) beschrieben. Die Kontrollgruppe blieb zwischen den Untersuchungszeiträumen bei ihrem "klassischen" Trainingsprogramm ohne sensomotorisch-koordinative Elemente.
Nach Hossner (1996, S. 84) und Grosser (2012, S. 31-32) sind zum Erreichen und zur Festigung eines sportlichen Leistungsniveaus allgemeine und spezifische Trainingsbelastungen im Wechsel erforderlich. Aus diesem Grund wurde das sensomotorisch-koordinative Trainingsprogramm in das jeweilige Golftraining integriert. Im Sinne der sensomotorisch-koordinativen Ausbildung wurde sehr auf die...