Dritter Brief.
Inhaltsverzeichnis Abfahrt von Quebek. - Wir werden von einem Dampfschiffe bugsirt. - Fruchtbarkeit des Landes. - Verschiedne Gegenstände, die sich uns beim Hinaufsteuern des Flusses darbieten. - Ankunft vor Montreal. - Die Stromschnellen (Rapids).
Brig Laurel, St. Laurence, unterhalb Montreal,
August 17, 1832.
Es war nach Sonnenuntergang und ein schöner Abend, als wir Quebek verließen, was in Gesellschaft eines schönen Dampfschiffs geschah, dessen Deck und Gallerie von Passagiren aller Art wimmelten; in der That ein herrliches Fahrzeug, auf welchem das Auge mit Vergnügen weilte; es durchpflügte stattlich das Wasser, welches unter seinen Ruderschaufeln schäumte und rauschte; während unsre Brig mit ihren weißen Segeln, gleich einem Schmetterling, seiner Spur folgte. Am Himmel glühte das schönste Rosenroth und Orangengelb, welche sich unten im Fluße abspiegelten; dann kamen die Sterne zum Vorschein und leuchteten in dem reinen blauen Aether, glänzender, als ich sie je in der Heimath gesehen, was sich, meines Bedünkens, wohl der größeren Reinheit der Atmosphäre zuschreiben lassen dürfte. Mein Gatte sagte, daß dieser Abend einem italienischen Sonnen-Untergang gleiche.
Unsre Fahrt war höchst angenehm; das Wetter war mäßig warm, und die Luft völlig rein und heiter. Wir haben während der letzten wenigen Tage eine kalte, feuchte Atmosphäre, wie wir sie oft während des Frühlings in England erfahren, mit einem wonnevollen, durch leichte, vom Flusse her wehende Lüftchen gekühlten Sommer vertauscht.
Je weiter wir landeinwärts kommen, desto fruchtbarer erscheint die Gegend. Die Saaten reifen unter einem milderen Klima, als das unterhalb Quebek ist. Wir sehen Felder mit indianischem Korn in voller Blüthe; eine stattliche Getraideart, mit schöner federartiger, reich purpurfarbiger Aehre, unter welcher sich Büschel von blaßgrünen, seidenähnlichen Blättern im Winde hin- und herbewegen. Nachdem diese Pflanze ihre völlige Reife erlangt hat, soll es ein schöner Anblick sein, die goldnen Körner aus ihrer Silber-Scheide hervorbersten zu sehen; zugleich ist dieselbe dem Froste sehr ausgesetzt und hat manche Feinde: als Bäre, Racuns (Waschbäre), Eichhörnchen, Mäuse, Vögel u. s. w.
Wir sehen längs den Ufern des Flusses mehre Tabacks-Felder, welche einen gesunden und gedeihlichen Anblick zeigen. Wie ich glaube, wird in beiden Provinzen Taback in ziemlicher Ausdehnung erbaut; allein der canadische Taback wird nicht so hoch geschätzt, als der virginische.
An der Vereinigungsstelle des Richelieu Flusses mit dem St. Laurence liegt eine blühende Stadt, vormals Sorel, jetzt aber Fort William Henry genannt. Ihre Lage ist vortrefflich. Sie hat mehre Kirchen, ein Castell mit Mühlen und andern öffentlichen Gebäuden, und darunter einige schöne massive Häuser. Der Boden in der unmittelbaren Nähe der Stadt indeß scheint leicht und sandig zu sein.
Ich hatte sehr gewünscht ein Log-Haus oder eine Shanty (Hütte) in der Nähe zu sehen, und fand mich hinsichtlich der wenigen, längs den Ufern des Flusses errichteten Gebäude dieser Art etwas in meinen Erwartungen getäuscht; es war nicht sowohl die Rohheit des Materials als vielmehr die scheunenartige Form derselben, und die geringe Rücksichtsnahme auf malerische Wirkung in ihrer Anlage, welche mir mißfielen. In England besitzt selbst der Bauer so viel Geschmack, einige Rosen- oder Geisblatt-Sträucher vor Thür und Fenster zu pflanzen, wozu noch ein kleines eingefriedigtes schmuckes Gärtchen kommt; aber hier gewahrt man keinen solchen Versuch zur Verschönerung der Hütten. Wir sehen keinen lachenden Obstgarten oder Strauch, der die nackten Holz-Wände verdeckte; und was die kleinen Meiereien anlangt, so sind sie noch häßlicher und ohne allen Geschmack dicht an den Wasserrand gebaut.
Weiter nach hinten erscheint ein verschiedner Bau- und Cultur-Styl: die Meiereien und hölzernen Häuser sind recht hübsche, von gutem Geschmack zeigende Gebäude, mit hier und da ausgestreuten Baumgruppen zur Unterbrechung der Einförmigkeit.
Das Land ist eine fast ununterbrochne platte Ebne, und augenfällig fruchtbar und gut angebaut, aber zu flach, um eine malerische Wirkung hervorzubringen. Die Gegend zwischen Quebek und Montreal hat ganz das Ansehen eines seit langer Zeit unter Cultur befindlichen Bodens, vorzüglich auf dem rechten Flußufer. Indeß ist noch ein großer Theil Wald übrig, dessen Lichtung noch vieljährige Arbeit erheischen wird.
Wir kamen an einigen grasreichen Eilanden vorbei, worauf manche Viehheerde weidete. Ich zerbrach mir den Kopf, wie sie dahin kämen; der Capitain erklärte mir aber, daß es Brauch der Meierei-Besitzer sei, ihr Vieh auf diese futterreichen Inseln in Nachen mit flachen Böden zu transportiren oder, wo es nicht zu tief sei, hinüber schwimmen, und es so lange, als das Futter gut befunden werde, dort zu lassen. Werden Kühe auf ein Eiland, innerhalb einer angemeßnen Entfernung von der Meierei, versetzt, so geht täglich jemand in einem Kahne dahin ab, um sie zu melken. Als er mir dies erzählte, ruderten eben ein Knabe und ein stämmiges Mädchen, mit zinnernen Gelten, in einem kleinen Nachen vom Ufer her quer durch den Fluß, um ihre Heerden zusammen zu rufen.
Auf unsrer Weiterfahrt bemerkten wir zur Rechten einige höchst anmuthige Dörfer, aber unser Lootse war etwas einfältig und konnte oder wollte uns ihre Namen nicht nennen. Es war Sonntags früh; wir konnten eben das Läuten der Kirchthurm-Glocken vernehmen, und es zeigten sich lange Reihen von Caleschen, leichten Wagen, Reitern und Fußgängern, welche durch die zum Kirchhof führende Allee vorübereilten; außer diesen glitten Boote über den Fluß, welche demselben Friedens-Hafen zusteuerten.
In einem Theil des St. Laurence, wo Untiefen und Sandbänke die Fahrt durch das Flußbett schwierig machen, gewahrt man kleinen Wassermühlen ähnelnde Leuchtthürme, auf hölzernen Pfählen, die sich über die flachen Ufer erheben, auf welchen sie errichtet sind. Diese drolligen Thürme oder Hüttchen waren bewohnt, und von einem derselben herab sahen wir eine lustige Gesellschaft, in ihrem Feststaate, mit einer andern in einem unten haltenden Kahne zur Kurzweil plaudern. Ihrem Aeußern nach waren sie wohl, und in der That recht vergnügt, indeß beneidete ich ihnen ihre Lage nicht, die, meines Bedünkens, der Gesundheit nicht anders als nachtheilig sein kann.
Einige (englische) Meilen unter Montreal gewann die Gegend ein reicheres und volkreicheres Ansehn; und die in weiter Ferne am Saume des Horizonts sich hindehnende blaue Bergkette fügte der Landschaft keinen kleinen Reiz hinzu. Die reiche Gluth der reifen Saaten bildete einen schönen Contrast mit dem azurnen Himmel und der bläulichen Wasserfläche des St. Laurence. Die Fluß-Scenerei unweit Montreal ist von der unterhalb Quebek sehr verschieden; letztere hat einen wilden rauhen Anblick, und ihre Erzeugnisse sind offenbar die eines kältern, weniger von der Natur begünstigten Klimas. Was der letztern an Großartigkeit und malerischer Wirkung abgeht, ersetzt sie reichlich durch Fruchtbarkeit des Bodens und wärmere Temperatur. In dem untern Theil der Provinz merkt man nur zu sehr, daß die Betriebsamkeit der Bewohner einem widerspänstigen Boden das nöthige Brod abzwingt; während in dem oberen das Land willig scheint, eine mäßige Anstrengung mit Erfolg zu belohnen. Man vergesse nicht, daß dies blos die flüchtigen Bemerkungen einer schnell vorüberwandernden Reisenden sind und sich keineswegs auf persönliche Erfahrung gründen.
Ein Gefühl von Angst und Furcht, das wir einander nicht gern gestehen mochten, um nicht als schwach zu erscheinen, lastete auf unsern Gemüthern, als wir uns der angesteckten Stadt näherten; aber Niemand sprach nur ein Wort davon. Mit welchem ungemischten Entzücken, mit welcher Bewunderung würden wir zu jeder andern Zeit die sich vor unsern Augen erschließende Scene betrachtet haben.
Der Fluß breitet sich hier in ein weites Becken aus, welches mit Inseln gefüllt ist, auf deren größter Montreal liegt.
Der hohe Berg, wovon die Stadt ihren Namen hat, erhebt sich gleich einer Krone über dieselbe und bildet einen eigenthümlichen und großartigen Zug in der schönen Landschaft, der mich an einige einzeln stehende Felsen in der Nachbarschaft von Inverneß erinnerte.
Quebek gegenüber, gerade vor den Flußschnellen (Rapids) ist die Insel St. Helens gelegen, ein Ort von unbeschreiblicher Anmuth. Die Mitte derselben nimmt ein Wäldchen von hohen Bäumen ein, während die sanft nach dem Wasser zu geneigten Ufer mit dem grünsten Rasen bedeckt sind. Dieses schöne Schauspiel wurde noch durch die Erscheinung der auf der Insel in Garnison liegenden Truppen erhöht.
Die Flußufer, dicht mit trefflich angebauten Meiereien besetzt; das Dorf la Prairie, mit der kleinen Insel St. Ann's in der Ferne; die blitzenden Thürme und Dächer der Stadt mit ihren Gärten und Landhäusern, - gewähren in dem sanften Glanze eines canadischen Sonnenuntergangs einen über die Maaßen lieblichen Anblick.
Die zum Abendgebet läutenden Kirchen-Glocken, das murmelnde Getös menschlicher Stimmen, vom Ufer her, mischten sich harmonisch mit dem Rauschen der Flußschnellen. Diese Flußschnellen (Rapids) werden durch eine Senkung des Flußbetts gebildet. An einigen Stellen ist die Neigung allmälig, an andern aber plötzlich und abgebrochen. Wo der Wasserstrom durch Kalkstein- oder Granit-Massen gehindert ist, wie bei den Cascaden, den Cedern und dem Long-Sault, erzeugt er Strudel und Katarakte. Aber die Flußschnellen unterhalb Montreal sind nicht von diesem großartigen Charakter, man erkennt sie blos an der...