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Dass Tom das Rezept für die Haschisch-Crème verraten hat, darf man ihm nicht zum Vorwurf machen. Sicher hat er geahnt, dass ich, der Sohn einer Köchin, es eines Tages in guter Absicht verwenden würde. Ich hatte vor, Alice B. Toklas nicht zu enttäuschen und aus einem gezwungenen, steifen Familienessen einen göttlichen Trip in die Prismenwelt der Phantasie zu machen.
Als Kind musste ich im Haus meiner Großeltern weiß Gott genug schwerverdauliche Festmahlzeiten über mich ergehen lassen. Die Ablehnung meiner Großeltern war nachhaltig gewesen, sie hatten mir die Umstände meiner Zeugung nie vergeben. Eine Stunde nach meiner Geburt hatte mich die Hebamme in die Arme meiner Großmutter gelegt.
«Du lieber Gott», hatte sie gerufen und mich auf Abstand gehalten, «er ist ja so braun!»
Es war die Wahrheit. Ich war braun. Mein ägyptisches Blut machte sich von Anfang an bemerkbar, und im Laufe der Jahre wurde ich sogar noch dunkler. Bei meiner Geburt hatte ich die Farbe einer Papiertüte. Aus meinem länglichen Gesicht ragte eine breite Nase. Auf meinem Kopf saß ein Helm aus schwarzem Haar. Alles in allem sah ich aus wie ein winziger Jassir Arafat.
Mein Teint brachte mich dazu, meine Herkunft zu hassen und gleichzeitig zu lieben. Ich hasste sie, weil ich anders war, nicht dazugehörte, mich aus der homogenen Masse abhob. Und ich liebte sie, weil ich anders war, nicht dazugehörte, mich aus der homogenen Masse abhob. Was meine Großmutter betrifft, so lässt sich kaum sagen, ob sich unser Verhältnis seit jenem ersten Moment im Krankenhaus jemals verbessert hatte. Ich stellte mir oft vor, wie meine Mutter, im dritten Monat schwanger, auf der Kante des frischgemachten Betts in Zimmer 511 sitzt, während mein Vater unten in der Lobby des Caesars Palace Roulette spielt. Meine Mutter spielt auch Roulette, aber ihr Spiel geht ein wenig anders; sie greift zum Telefon und wählt die Vorwahl 406. Meine Großmutter ist nach dem ersten Klingeln am Apparat. Ich stelle mir den Schweiß in den Rillen der Handfläche meiner Mutter vor, die weißen Knöchel der Hand, die sich an den Hörer klammert.
Ich war damals ein weichumhüllter Embryo, auch wenn ich schon Arme und Beine, richtige Finger und Zehen besaß. Es handelte sich gewissermaßen um mein Debüt. Um meinen ersten Auftritt auf der Weltbühne. Die Handlung drehte sich um eine ungeplante Schwangerschaft und eine Hochzeit in einer Drive-in-Kapelle in Las Vegas. Mein Großvater schloss sich in seinem Arbeitszimmer ein und weinte.
Ich sah die Szene jedes Mal vor mir, wenn ich an der opulenten, viktorianischen Villa meiner Großeltern in der Granite Street vorbeikam. Obwohl sie starben, als ich noch auf die Mittelschule ging, konnte ich mich gut an die vielen Geburts- und Feiertage in ihrem Haus erinnern, die von steifen Servietten und noch steiferer Konversation bestimmt waren. Ich erinnerte mich an das manierlich angerichtete Essen auf den großen Porzellantellern. Es gab neues Silberbesteck zu jedem Gang, und einen Butler.
Auf dem Heimweg sah ich im Augenwinkel mehrere Male etwas silbrig aufblitzen, aber immer, wenn ich mich umdrehte, konnte ich außer einem Laternenpfahl, einem grauen Wohnhaus oder dem Scheinwerferlicht der vorbeifahrenden Autos nichts erkennen. Es wurde dunkel. Der Nachthimmel schien sich herabzusenken. Gelegentlich schaute ich zu den Sternen hinauf. Nichts, sagte Immanuel Kant, erfüllt mich mit mehr Bewunderung als der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Der Typ war ganz schön altbacken, aber ich muss zugeben, mit Worten konnte er umgehen.
Als ich in die Mercury Street einbog, sah ich, dass das Licht auf der Veranda aus war und die liebe Bruchbude im Dunkeln lag. Meine Mom vergaß grundsätzlich, das Licht auszuschalten, und der Anblick des Hauses - ein schwarzer Umriss vor einem schwarzen Himmel - beunruhigte mich. Ich warf einen Blick in die Garage. Der Lieferwagen war weg. Ich blieb kurz stehen und betrachtete den Garten, der mich an Fotos der Mondoberfläche erinnerte. Er war vernarbt, verwüstet und voller Krater, was mein Unwohlsein noch steigerte.
«Verdammt», sagte ich. Ich schloss die Haustür auf und probierte mehrere Lichtschalter, bevor ich bei Big Sky Power anrief. Wenn es um das Bezahlen von Rechnungen ging, war meine Mutter notorisch vergesslich - einer der Gründe, warum ich dringend ausziehen musste. Sie hatte angefangen, sich auf mein Organisationstalent zu verlassen. Ein Anruf beim Elektrizitätswerk ergab, dass die Rechnung bezahlt und der Strom nirgendwo im Ort ausgefallen war.
Ich wühlte in allen Schubladen, konnte aber die Medikamente meiner Mutter nicht finden. Als sie am Morgen darauf bestanden hatte, dass wir Allium proliferum ausrotteten, hätte ich beinah ihre Pillen nachgezählt. Ich hatte es nur deswegen gelassen, weil sie es nicht leiden konnte, wenn ich den Aufpasser spielte. Ich knallte die Schubladen zu und war ratlos. An diesem Abend belieferte meine Mutter das jährliche Evel-Knievel-Freiluft-Bankett, zu dem sich traditionell die größten Exzentriker von Butte einfanden. Falls sie sich dort seltsam benahm, würde es niemandem auffallen. Vor fünf Jahren hatte ich sie nach der gleichen Veranstaltung mit einer hawaiianischen Blumenkette um den Hals schlafend auf dem Wohnzimmerfußboden vorgefunden. Den Lieferwagen hatte sie quer im Gemüsebeet geparkt. Nein, heute Abend würde niemand merken, dass sie neben der Spur war.
Aber zunächst einmal brauchte ich Strom. Ich holte eine Taschenlampe und stieg in den Keller hinunter. Die Treppe quietschte. Ich richtete den Lichtkegel der Lampe auf den Sicherungskasten. Keine Frage: Jemand hatte die Hauptsicherung abgeschaltet. Ich wollte eben nach dem Schalter greifen, als ich die Dielenbretter über meinem Kopf knarzen hörte.
Es ist bemerkenswert, dass einem das eigene, vertraute Heim auf einen Schlag bedrohlich erscheinen kann; und erstaunlich, welche Blüten die Phantasie in der Dunkelheit treibt. Das Knarzen verdichtete sich zu Schritten - zu klaren, festen Schritten. Ich legte den Schalter der Hauptsicherung um, und das Haus erwachte augenblicklich und mit Getöse zum Leben. Ein halbes Dutzend Haushaltsgeräte erinnerte sich an seine Pflichten und Funktionen. Ich stieg die Kellertreppe hoch, ganz langsam, Schritt für Schritt, und lauschte angestrengt auf alle Geräusche im Haus.
«Mom?», rief ich mit zittriger Stimme.
«Bu!», rief Natasha Mariner und sprang mir in den Weg. Ich stieß einen gellenden Schrei aus und kippte fast hintenüber. «Du liebe Güte», sagte ich, «muss das sein? Ich habe einen schrecklichen Tag hinter mir!»
«Ab jetzt wird er besser», sagte Natasha fröhlich. «Ich habe dir Bier mitgebracht.» Sie streckte mir einen Sechserpack Miller High Life entgegen. Nur vier Flaschen steckten noch darin; eine fehlte, eine halbvolle hatte Natasha in der Hand. Offenbar war sie beschwipst. Natasha war also betrunken und ich ein Nervenbündel. Sie öffnete eine Flasche für mich, und ich erzählte ihr von meinem Tag, angefangen von dem Luftzwiebelmassaker bis hin zu dem seltsamen Fremden mit dem Wollmantel und dem fabrikneuen Chevrolet. Während ich erzählte, setzten wir uns auf die Veranda.
«Bestimmt ein Spinner», sagte Natasha. «Zum Glück bist du heil und gesund.»
«Du machst dich über mich lustig», sagte ich kopfschüttelnd.
«Na ja, kann sein, dass er uns irgendwo hier im Haus auflauert. Wir sind zum Tode verurteilt, sitzen nichtsahnend herum und plaudern über banale Dinge. Gleich wird es echt gruselig.» Sie hielt inne. «Ich kenne alle diese Filme. Nur die Jungfrauen überleben.»
«Ich bin keine Jungfrau mehr», sagte ich.
«Ich weiß», antwortete Natasha, «deswegen bist du verdammt.»
«Du auch», gab ich zu bedenken.
Sie nickte. «Was glaubst du, warum ich Bier trinke? Weil ich nicht nüchtern sterben will.»
Ich möchte nur kurz erwähnen, dass Natasha Mariner als Jugendliche wie ein Hase ausgesehen hatte. Als Kind hatte sie Sommersprossen, rote Haare und hervorstehende Schneidezähne, die sich von keiner Maßnahme in eine Reihe zwingen ließen. Gott weiß, was ihre Eltern alles versucht hatten. Ich stand ihr sieben Jahre lang zur Seite, während sie Zahnspangen über sich ergehen ließ und Delaire-Masken mit so dicken Gummibändern, dass sie vor Schmerzen laut aufheulte. Am Ende sahen ihre Zähne aus wie vorher. In Kombination mit den abstehenden Ohren, hartnäckigen Haarwirbeln, den großen, braunen Augen und der stets bis zum obersten Knopf geschlossenen Bluse sah Natasha wie ein Kaninchen aus. Einmal schnappte ich das Wort Leporidae auf. Ich versuchte, es als Spitznamen einzuführen, aber es blieb nicht hängen. Und zu meiner großen Überraschung kehrte Natasha wie verwandelt vom College zurück. Sie war in ihren Körper hineingewachsen. Plötzlich wirkte sie selbstbewusst und war irgendwie sogar schön. Und diese Schönheit war nicht mehr zu übersehen. Sie quälte mich, wenn ich mit Natasha zusammen war. Unwillkürlich tastete ich ihren Körper mit Blicken ab, nur um dann beschämt und verwirrt einen Fleck am Boden anzustarren. Beste Freundin, dachte ich. Älteste, beste, geschlechtsneutrale Freundin. Sie fällt in die Sonderkategorie der geschlechtslosen Lebewesen.
«Was ist mit dem Garten passiert?», fragte Natasha. «Deine Mom ist einfach aufgewacht und hat beschlossen, alles rauszureißen?»
«Genau», sagte ich.
Natasha riss die Augen auf. «Morbus Wilson?»
Ich zuckte die Achseln. «Kann sein.»
«Oh», sagte Natasha, «gottverdammt.»
«Verflixt», sagte ich, «sag einfach: verflixt. Das ist nicht so drastisch. Und nicht annähernd so ketzerisch.»
«Weißt du», sagte...
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