Schweitzer Fachinformationen
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»Meine Fresse, ist das heiß«, sagt Christian. Wir sitzen am Strand in der Nähe von Perpignan. Barney spielt ein paar Meter weiter mit seinem neuen Müllwagen im Sand, Christian stützt sich links von mir auf die Ellenbogen. Ich setze mich auf, um ein Auge auf meinen Sohn zu haben.
»Wir sollten ein Sparschwein fürs Fluchen aufstellen«, bemerke ich. »Dann würde es dir schnell leidtun.«
»Und du würdest reich.«
»Genau«, erwidere ich grinsend.
»Sollen wir schwimmen gehen?« Christian dreht sich zu Barney um, ohne meine Antwort abzuwarten. »Barney, willst du schwimmen gehen? Barney?«
Der Kleine ist zu vertieft in das Spiel mit seinem Müllwagen, um überhaupt aufzuschauen.
»Geh du rein«, sage ich. »Ich bleibe hier bei ihm.«
»Nein, ich möchte mit euch zusammen gehen, als Familie.«
Eine Welle der Übelkeit steigt in mir auf. Seit ich letztens das Bild von Johnny als Kind in der Zeitung gesehen habe, bin ich neben der Spur. Glücklicherweise hat Christian nicht gemerkt, dass diese Zeitschrift fehlt. Ich denke, die Strandfotos eines Bandmitglieds sind für seine Recherche verzichtbar.
»Los, komm, Mummy!«, ruft er. Mit dem kichernden Barney auf dem Arm hält er mir die Hand hin. Ich ergreife sie, er zieht mich auf die Füße. Dann läuft er mit Barney über der Schulter auf das Wasser zu. Lächelnd folge ich den beiden.
Als Familie .
Während ich durch den heißen Sand gehe, kommt mir der Gedanke, wie gut ich im Lügen geworden bin. Was für ein abartiges Talent. Man kann nicht damit angeben, wie zum Beispiel mit Fremdsprachen oder Klavierspielen. Ich bin eine gute Lügnerin. Meine Eltern wären so stolz auf mich.
Christian läuft mit Barney in das klare blaue Wasser, zieht weiße Gischt hinter sich her. In meinem Kopf fragt eine leise Stimme, ob ich mir nicht ein bisschen weniger Druck machen könnte. Es war schließlich ein Versehen. Ein Fehler. Ich wollte niemanden verletzen. Und wenn ich weiterhin zulasse, dass mich diese schlimmen Gefühle auffressen, wird es genau damit enden: dass ich jemanden verletze. Ich schiebe diesen Gedanken ganz weit weg, will mich im Moment nicht näher damit beschäftigen.
»Ist das kalt!«, keuche ich, als ich ins Wasser wate.
»Tauch schnell unter«, schlägt Christian vor und tut genau das. Barney quietscht ihm ins Ohr.
Ich tauche bis zum Hals hinein und springe schnell wieder hoch.
»Besser?«, fragt Christian.
»Nein!«
»Dann mach's noch mal.«
»Nein, danke. Ich glaube, ich bleibe lieber ein bisschen hier stehen.«
Er verdreht die Augen zum Himmel und grinst. »Übrigens, dein neuer Bikini gefällt mir.« Es ist ein goldener von H&M.
»Danke. Meine Mutter war letzte Woche mit mir in Perpignan einkaufen. Für den Geburtstag.«
»Du siehst sportlich aus. Niemand käme auf die Idee, dass du schon ein Kind hast.«
Ich lache. »Also hab ich mir den Busen durchs Stillen nicht völlig ruiniert?«
Er schmunzelt. »Nein. Anders als die da .«
Unauffällig weist er mit dem Kinn auf eine tief gebräunte Frau mittleren Alters, deren nackte Brüste fröhlich vor ihrem Bauch baumeln.
Ich muss kichern, und Christian zieht mich hinunter ins Wasser, küsst mich auf die Lippen.
»Es wäre schön, wenn du nicht schon wieder wegmüsstest«, sage ich nach einer Weile.
»Ich weiß.« Er wechselt das Thema. »Willst du mal zu Mummy schwimmen?« Er lässt Barney durchs Wasser pflügen, ich fange ihn lachend auf. Der Kleine kann zwar noch nicht sprechen, aber er versteht schon sehr viel. Ich umfasse die kleine Taille meines Sohnes mit den Händen und lasse ihn im Wasser auf und nieder hüpfen. Er strampelt wie wild. Irgendwann lässt das Treten nach. Wir reiben die Nasen aneinander.
»Das solltest du öfter machen«, sagt Christian.
»Ich weiß«, entgegne ich. »Die Fahrt hierher hat gar nicht so lange gedauert, oder?«
»Nicht wenn ich fahre«, sagt er. »Bei dir müsstest du mindestens noch eine Viertelstunde draufrechnen.«
Christian liebt Autos. Ich weiß noch damals, als wir uns eins von Johnnys Autos geliehen hatten . Ich seufze. Ich kann nicht mal an Johnnys Namen denken, ohne zusammenzuzucken.
»Was ist?«, fragt Christian.
Ich will nicht lügen. »Ich habe gerade an damals gedacht, als du mit mir in Santa Monica an den Strand gefahren bist.«
»Mit Johnnys Bugatti?«
Falls Christian merkt, dass ich wieder zusammenzucke, so tut er so, als würde er es nicht merken.
»Ja.«
Es war kurz nachdem ich angefangen hatte, für Johnny in Los Angeles zu arbeiten. Er hatte Christian und mir gesagt, wir sollten uns einen Tag freinehmen, und so liehen wir uns seinen Bugatti Veyron - eines der schnellsten und teuersten Autos der Welt - und machten einen schönen Ausflug. Christian war außer sich vor Freude, den Bugatti fahren zu dürfen. Johnny hat mehrere solcher Schlitten in der Garage stehen. Hatte er zumindest früher. Ich nehme an, das hat sich nicht geändert.
Ob sich Christian wohl bei ihm gemeldet hat, als er in L.A. war? Ich frage nicht danach. Ich frage nie. Manchmal rückt er von selbst damit heraus, aber meistens behält er es für sich, wenn sie sich getroffen haben. Er weiß von meiner Vergangenheit mit Johnny. Ich denke, er tut lieber so, als gäbe es sie nicht.
»Sollen wir in der Strandbar zu Mittag essen?«, fragt Christian.
»Au ja.«
Am frühen Nachmittag kehren wir nach Cucugnan zurück. Barney ist im Auto eingeschlafen, deshalb trage ich ihn in sein Bettchen und gehe anschließend ins Bad, um zu duschen. Ich öffne das Fenster, um frische Luft hereinzulassen, und sehe, dass Christian im Swimmingpool ist.
»Komm rein, es ist herrlich!«, ruft er.
Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, für die Heimfahrt meinen Bikini auszuziehen, deshalb muss ich nicht mehr tun, als Barneys Babyphon zu nehmen und wieder in meine Flipflops neben der Haustür zu schlüpfen, damit ich mir die Füße nicht auf den glühenden Steinplatten verbrenne. Ich gehe um das Haus herum, löse meinen schwarzen Sarong und versuche, dabei nicht die Bienen zu stören, die im Lavendel entlang des Wegs summen. Gelbe Schmetterlinge umflattern die violetten Blüten. Ich atme tief ein und lächle vor mich hin. In solchen Momenten ist es unmöglich, nicht glücklich zu sein. Ich gehe zu den Stufen des Pools und wate hinein. Das kalte Wasser raubt mir den Atem, doch kurz darauf ist es herrlich. Ich schwimme zu Christian, er legt die Hände um meine Taille, beugt sich vor, um mich zu küssen, und zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit erwidere ich seinen Kuss.
»Ich habe gerne Sex draußen in der heißen Sonne«, sagt er später.
»Das klingt, als hättest du das schon öfter getan.« Ich binde mir den Sarong wieder um die Hüfte. Christian räkelt sich noch immer nackt auf der Sonnenliege vor mir. Zum Glück haben die Nachbarn keinen Einblick in den Garten. Christian grinst.
»Was? Hast du das schon öfter gemacht?«, hake ich nach, neugierig geworden, aber nicht eifersüchtig.
»Ein- oder zweimal«, erwidert er mit einem Grinsen, das ahnen lässt, es war deutlich öfter.
»Mit wem? Clare?« Das war seine letzte richtige Freundin. »Ach, eigentlich will ich das gar nicht wissen«, beschließe ich.
»Du etwa nicht?«, gibt er die Frage zurück.
»Nein.« Ich zerbreche mir den Kopf, um auf Nummer Sicher zu gehen. Nein, nicht mit Johnny. Und ganz bestimmt nicht mit den anderen Typen, mit denen ich im Laufe meines Lebens zusammen war.
»Das ist ja ein Witz. Da muss ich dir helfen, die verpassten Gelegenheiten nachzuholen«, neckt er mich.
»Das wird nicht gerade leicht mit Barney«, bemerke ich, dann nicke ich ihm zu. »Zieh dir besser was an. Er wacht bestimmt bald auf.«
Christian seufzt. »Wünschst du dir nie, es gäbe nur uns beide?«
»Das ist ja furchtbar, so was zu sagen!«, rufe ich.
»Ich meine es ja nicht so. Ich weiß nicht .« Er unterbricht sich, steht stattdessen auf und zieht seine schon fast wieder trockene Badehose über.
Ich sehe ihn an. »Wäre es dir lieber, wenn wir mehr Zeit füreinander hätten?«
»Schon, allein zum Quatschen und - keine Ahnung, ohne unterbrochen zu werden. Wäre schön, wenn unsere Eltern nicht so weit weg wohnen würden.«
»Es wäre wirklich nett, sie in der Nähe zu haben, dann könnten sie öfter aushelfen«, stimme ich zu. »Wollen uns deine Eltern immer noch besuchen kommen?«
»Ich glaub schon, aber Dad hat im Geschäft momentan echt viel zu tun.«
»Hat er noch keinen Ersatz für Joel gefunden?«
»Nein.«
Christians Vater Eugen hat ein Elektrogeschäft in Newcastle. Früher hat er es zusammen mit Christians jüngerem Bruder Joel geführt, aber der ist vor kurzem ausgestiegen und zu seiner Freundin nach Australien gezogen.
»Mum kommt vielleicht allein rüber. Sie hat schon Entzugserscheinungen, weil sie Barney so vermisst.«
Mandy, Christians Mutter, ist völlig vernarrt in Barney. Wenn sie wüsste, dass er nicht von ihrem Sohn ist . Die Vorstellung ist einfach zu schrecklich.
»Das wäre schön«, sage ich.
Ich mag Christians Mutter, so temperamentvoll sie auch ist. Sie kommt aus Newcastle, während Christians Vater aus Schweden stammt. Es beeindruckt mich immer noch, dass Christian zweisprachig aufgewachsen ist.
Ich sollte wirklich mehr Französisch üben .
Das Babyphon gibt ein Geräusch von sich.
»Ich gehe hin«, sage ich und betrete das Haus, um die kleine Schlafmütze zu holen. Barney liegt wach in seinem Bettchen und starrt auf das bunte Mobile aus Booten über seinem Kopf....
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