Kapitel 1
Derby Della Capitale -
Der Kampf um Rom
"Ein Rom-Derby ist ein ganz anderes Fußballspiel, als jedes andere. Alle Derbys sind außerordentlich."
- Francesco Totti
In Italien gibt es so einige große Stadtderbys. Das Mailänder-Derby zwischen Inter Mailand und AC Milan, das Turiner-Derby zwischen Juventus Turin und dem FC Turin sowie das Genua-Derby zwischen Sampdoria Genua und CFC Genua, um nur ein paar zu nennen. Doch keine dieser Begegnungen kommt an das "Derby della Capitale" heran. In diesem geht es um die Vorherrschaft in der italienischen Hauptstadt Rom. Es ist ein Duell zwischen AS Rom und Lazio Rom, es ist ein Duell der Gegensätze, ein Duell zweier unerbittlicher Rivalen.
Der Ursprung dieses Derbys liegt - wie so oft - weit in der Vergangenheit zurück. 1900 wurde Lazio Rom als erster Verein der Stadt von neun Römern gegründet. Schon damals waren die Vereinsfarben weiß und himmelblau, inspiriert durch die Farben der griechischen Flagge. 1927 sollte dann der AS Rom gegründet werden, damals gab es jedoch bereits acht Vereine aus Rom, die in der ersten regionalen Liga vertreten waren. Italiens früherem Diktator Benito Mussolini missfiel dies, er wollte, getrieben von seinem Traum eines neuen römischen Imperiums, die Klubs fusionieren, um auch im Fußball die Vormachtstellung Roms zu untermauern. Die damals vorherrschenden Vereine kamen nämlich allesamt aus Norditalien und hießen unter anderem Inter bzw. AC Mailand, Juventus Turin sowie Pro Vercelli und stammten eben nicht aus der italienischen Hauptstadt.
Somit schlug der damalige Präsident von Fortitudo-Pro Roma eine Zusammenlegung mehrerer Vereine vor. Nach unzähligen Diskussionen wurde beschlossen, die drei Vereine Fortitudo-Pro Roma, Foot Ball Club di Roma und S. S. Alba-Audace Roma zu fusionieren, aus ihnen entstand dann der AS Rom mit den Vereinsfarben Gelb und Rot. Ursprünglich sollte auch Lazio den fusionierenden Vereinen angehören, ein Veto des einflussreichen Klubmitgliedes und Generals Giorgio Vaccaro verhinderte dies jedoch.
Bis zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Vereine dauerte es jedoch noch zwei Jahre. Am 8. Dezember 1929 war es dann soweit, das erste "Derby della Capitale" fand statt. Dieses gewann AS Rom knapp mit 1:0, Torschütze war der Italiener Rodolfo Folchi, einer der besten Mittelstürmer seiner Zeit. Zu diesem Zeitpunkt war der neu gegründete AS Rom ohnehin der stärkere römische Verein und konkurrierte sogar zeitweise mit Juventus Turin um den Meistertitel. Schon bei der zweiten Begegnung der verfeindeten Vereine kam es zur ersten Massenschlägerei, die aus einer Tätlichkeit eines Lazio-Akteurs entstand. Die anschließenden Handgreiflichkeiten auf dem Spielfeld weiteten sich auch auf die Tribünen aus, es brauchte 200 berittene Polizisten, um die Gemüter beider Fanlager zu beruhigen. Bis zum ersten Derbysieg Lazios dauerte es jedoch noch eine Weile, erst 1932 setzte sich der damalige Außenseiter mit 2:1 im heimischen "Stadio Nazionale del PNF" durch. Nur ein Jahr später revanchierte sich die AS Rom mit einem 5:0-Heimsieg, der zugleich der höchste Derbysieg überhaupt ist.
Ab dem Jahr 1940 teilten sich dann auch beide Mannschaften ein Stadion, damals war dies das zuvor genannte Stadio Nazionale del PNF. Dies kam zu einem Zeitpunkt, in welchem die Rivalität der beiden Vereine so richtig entbrannte. Begründet war diese in auseinandergehenden politischen Ansichten beider Fanlager sowie gesellschaftlichen Unterschieden. Während die Anhänger von AS Rom aus dem politisch linken Lager stammen, kommen die Fans Lazios hauptsächlich aus der rechten Szene. Das liegt auch daran, dass die Anhänger von Ersteren aus dem Arbeiterviertel Testaccio stammen, die Fans von Lazio aus dem Norden Roms beziehungsweise aus den Gebieten außerhalb der Hauptstadt. Generell gilt es zu sagen, dass die AS Rom die Stadt Rom repräsentiert, Lazio viel mehr die gleichnamige Provinz, deren Zentrum Rom ist.
Im Jahr 1953 übersiedelten beide Vereine ins "Stadio Olimpico". Dieses wurde 1927 erbaut und diente als Stadion für die Olympischen Sommerspiele 1940. Diese fanden jedoch nach Rückzug der Bewerbung in Tokio statt, womit die Arena ohne richtige Funktion blieb. Sie fasst in etwa 72.000 Zuseher und war auch Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1960 sowie von einer Fußball-Weltmeisterschaft und zwei Europameisterschaften. Auch das italienische Rugby-Nationalteam trägt dort seine Spiele aus.
Dass sich die beiden Römer Vereine also weiterhin ein Stadion teilen mussten, intensivierte die Rivalität. Wie die Stadt, spaltete sich auch die neue Heimstätte beider Klubs: Die Nordkurve gehörte fortan den Anhängern Lazios, die Südkurve jenen von AS Rom. Diese örtliche Verbundenheit tolerierten beide Vereine über einen langen Zeitraum, im Jahr 2014 verkündete die AS Rom allerdings, dass in naher Zukunft mit dem Bau eines neuen Stadions begonnen wird. Dieses soll eine große Ähnlichkeit mit dem Kolosseum aufweisen, im Viertel Tor di Valle entstehen und in etwa 52.000 Zuschauern Platz bieten. Auch ein Trainingskomplex sowie Restaurants und Bars sollen rund um das Stadion entstehen und die Infrastruktur für die anliegenden Bürger somit maßgeblich verbessern. Getan hat sich seitdem wenig, ein Korruptionsskandal bremste das Projekt zwischenzeitlich aus, unzählige Diskussionen verhinderten den Baubeginn. Zuletzt hieß es, dass das Stadion 2022 eröffnet werden soll, der Weg dorthin ist jedoch noch ein langer.
Auch Lazio Rom liebäugelt immer wieder mit einem neuen Stadion, im Jahr 2000 legte der Verein erstmals Pläne für eine neue Heimstätte vor. Das geplante Stadion sollte ein Glasdach mit Solarpanelen besitzen, 40.000 Zuseher unterbringen und den Namen "Stadio delle Aquile" (in Anlehnung an den Adler im Vereinswappen) bekommen. Diese Pläne wurden jedoch aufgrund finanzieller Probleme wieder verworfen, seit jeher arbeitet man an einem neuen Entwurf. Zuletzt wurde mit einem Bau am Stadtrand von Rom spekuliert, das neue Stadion solle Teil einer Sportstadt des Bauunternehmens "Lotito" werden. Neben einer Fußballarena sind auch ein Leichtathletik-Stadion, Tennisfelder, Schwimmhallen, Basketballfelder und eine Eislaufbahn Teil der Pläne. Konkret ist allerdings noch nichts, auch ein Baubeginn wurde noch nicht terminiert.
Diese Probleme mit dem Bau neuer Stadien macht beiden Vereinen schwer zu schaffen, ist das römische Olympiastadion doch schon in die Jahre gekommen. Zudem ist es so gut wie nie ausverkauft, was die Stimmung trübt. Die letzte Generalsanierung fand 1990 statt, Spuren des Verfalls werden von Jahr zu Jahr sichtbarer. Doch dieses Problem haben nicht nur Lazio und AS Rom, sondern fast sämtliche Vereine aus Italien. Die einst so beeindruckenden Bauwerke sind längst nicht mehr zeitgemäß, nur vier Stadien aus der ersten italienischen Liga entsprechen, einer Untersuchung nach, den internationalen Normen. Viele Stadien sind längst baufällig, eine Änderung ist jedoch nicht in Sicht. Das Problem liegt nämlich darin, dass die meisten Stadien der Klubs den jeweiligen Städten gehören und Baubewilligungen zu bekommen oft Jahre dauern kann. Außerdem fehlt den Vereinen schlicht und ergreifend das Geld, um eine neue Arena zu errichten. Dies gelang zuletzt lediglich Rekordmeister Juventus Turin, der Ligaprimus zog 2011 ins jetzige "Allianz Stadium" ein. Auch die beiden Vereine Inter und AC Mailand planen ein neues Stadion und wollen das legendäre "San Siro" verlassen. Anders als bei Lazio und AS Rom werden die Mailänder Klubs wieder gemeinsam im neuen Stadion beheimatet sein. In Rom verwarf man diesen Gedanken schon früh, zu groß ist der Hass zwischen den beiden Konkurrenten, zu schwerwiegend sind die vergangenen Skandale. Durch zwei getrennte Stadien können die Derbys besser kontrolliert und die Gefahr von Eskapaden minimiert werden. Die skandalösen Ereignisse innerhalb des Stadions sollen sich nicht mehr wiederholen.
Denn die Geschichte der beiden römischen Klubs ist von Skandalen getrübt, Lazio gegen AS Rom gehört zu einem Spiel der höchsten Risikostufe. Schuld daran sind Eklats aus der Vergangenheit. 1979 forderte die Rivalität der beiden Vereine ihr erstes Todesopfer. Der Lazio-Fan Vincenzo Paparelli wurde während des Spiels von einem explodierenden Feuerwerkskörper getötet, abgeschossen wurde dieser aus der Fankurve der AS Rom. Ein schwarzer Tag für Rom, ein schwarzer Tag für den italienischen Fußball. Zu Derbys sollte es anschließend länger nicht mehr kommen. Grund dafür war jedoch nicht dieser Todesfall, sondern einer der größten Skandale in der Geschichte des italienischen Fußballs.
Der Wettskandal 1980 traf Italien wie ein Schlag ins Gesicht. Wie aus dem Nichts enthüllte ein Gemüsehändler, der sich mit Akteuren von Lazio Rom angefreundet hatte, dass diese ihm erzählten, dass es möglich sei, Fußballspiele zu manipulieren und zu fälschen. Er reichte bei der römischen Staatsanwaltschaft Klage ein, drastische Strafen...