Schweitzer Fachinformationen
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Sie sind Rivalen, doch können das Knistern zwischen ihnen nicht leugnen
Nach dem Jurastudium will sich Gracie endlich als Anwältin bei Gold, Bright & Partners, einer der erfolgreichsten Kanzleien Bostons, beweisen. Aber der Konkurrenzkampf unter den jungen Anwält:innen ist härter als gedacht. Ihr größter Rivale in der Gruppe von ehrgeizigen Anfänger:innen ist der attraktive Ira, der zu allem Überfluss auch noch auf denselben Fall angesetzt wird. Trotz ihres schlechten Starts kommen sich die beiden bei spätabendlichen Recherchearbeiten schon bald immer näher. Doch Gracie verbirgt ein Geheimnis, das ihre Karriere gefährden könnte - und Ira als ihr größter Konkurrent auf keinen Fall erfahren darf ...
»Tess erweckt mit Gracie und Ira zwei Figuren zum Leben, die echter und berührender nicht sein könnten. Ihre Geschichte ist leise und laut, zart und doch so eindrücklich, dass sie noch lange in Erinnerung bleibt.« LENA KIEFER
Es gab eine Sache, die sich in meinem Leben immer wieder bewiesen hatte: Es verschaffte einem eine Menge Privilegien, eine Cabot zu sein. War es nun, jederzeit bei den Reichen und Beliebten am Tisch sitzen zu dürfen, obwohl man insgeheim wusste, dass einen bis auf Geld nichts mit diesen Menschen verband; dass man sich nie um Freundschaften bemühen musste, weil die Leute einem ohnehin andauernd an den Fersen klebten; oder dass die Lehrkörper gern ein Auge zudrückten, falls man mal einen Fehler machte.
Eine Cabot durfte sich schließlich keine Fehler erlauben.
Das stand mit Sicherheit irgendwo in meiner Geburtsurkunde: dick und rot eingekreist, damit es auch kein Entkommen gab. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum ich mein Leben lang so versessen darauf gewesen war, keine zu machen. Und wozu das Ganze? Um erfahren zu müssen, dass alles, was ich geglaubt hatte, mir in den vergangenen Jahren abseits dieser Privilegien hart erarbeitet zu haben, womöglich auf einer Lüge basierte.
Die Frage, die ich mir nun seit einigen Wochen stellte, war: Was war noch von mir übrig, jetzt wo ich dieses schillernde Kostüm abgelegt hatte? Wer war ich darunter?
Bisher hatte ich noch keine Antwort darauf gefunden. Nur eine darauf, wer ich nicht mehr sein wollte.
Und das war eine Cabot.
Um das zu erreichen, war ich in einer neuen Wohnung untergetaucht, die meine Stiefmutter sicher naserümpfend als Absteige bezeichnet hätte. Obendrein hatte ich einen Job als Anwältin bei Gold, Bright & Partners angenommen. Einer Kanzlei, die nicht nur zu den renommiertesten Bostons gehörte, sondern zugleich auch die größte Konkurrenz meines Vaters darstellte.
Wahrscheinlich machte mich der Gedanke an meinen ersten Arbeitstag deshalb umso nervöser. War ich überhaupt schon so weit, mich in der gestandenen Rechtswelt zurechtzufinden, wenn es mir an manchen Tagen nicht einmal in meiner eigenen gelang? Oder war der Preis, den alle Berufseinsteigenden zahlen mussten, ein Wurf ins kalte Wasser - getreu dem Motto: Nur die Besten überleben? Ich mochte seit Kurzem vielleicht ohne Schwimmflügel schwimmen, was sich befreiend anfühlte, gleichzeitig empfand ich die Vorstellung als unheimlich angsteinflößend, weil plötzlich nichts mehr da war, das mich über Wasser hielt, falls es zu tief und undurchsichtig wurde. Wie sollte ich mich vor all diesen Menschen behaupten? Was, wenn ich nicht gut genug war?
Du tust es schon wieder.
Ich versuchte, die aufkommenden Zweifel mit einem schwachen Kopfschütteln zu verscheuchen und mich auf das Jetzt zu fokussieren. Und das sah erst mal nichts anderes vor, als den Umzug von meiner besten Freundin und mir über die Bühne zu bringen.
Es war Anfang Oktober. Ein paar vereinzelte Bäume an den Gehwegen hielten noch eisern an ihrem letzten Grün fest, wohingegen der Rest ein flammendes Farbspiel aus gelben und roten Tupfern bildete. Die Luft, die sich durch die Strickmaschen meines Pullovers zwängte, war mild, nicht kalt. Daher störte es mich auch nicht, dass ich mit Socken auf einem feuchten Blätterteppich an der Straße stand und mich an meinen letzten Umzugskarton klammerte wie an einen Rettungsring. Aber irgendwie war er das ja auch - ein rettender Neubeginn.
»In Ordnung, das war der Letzte. Der Transporter ist leer.« Der Mann vom Umzugsunternehmen schloss die Türen mit einem so lauten Knall, dass ich zusammenzuckte. »Ich schicke eine Kopie der Rechnung an Ms Cassidy .?«
»Lind«, antwortete ich. »Cassidy Lind. Sie hat ihre Kontaktdaten hinterlegt.«
»Gut. Ich bräuchte hier nur noch eine Unterschrift, dann sind Sie uns auch schon los.«
Kaum hatte ich meinen Karton abgestellt, drückte er mir ein schwarzes Clipboard in die Hand und tippte mit dem Zeigefinger, der von Nikotin ganz gelb war, auf die Stelle, an der ich unterschreiben sollte. Normalerweise las ich mir solche Dinge gern in Ruhe durch, bevor ich meine Unterschrift setzte. Immerhin wusste ich dank meines Studiums, wie gern sich verfängliche Klauseln im Kleingedruckten versteckten. Da der Mann jedoch so ungeduldig mit seinen Füßen wippte, als wäre er gedanklich schon woanders, seufzte ich und griff nach dem Stift.
Im ersten Moment wollte ich mechanisch mit Cabot unterzeichnen, bis mir einfiel, dass ich offiziell keine mehr war, da ich den Mädchennamen meiner Mutter angenommen hatte. Also schrieb ich Gracie Hoffman und betrachtete mein Werk.
Die letzten Buchstaben waren schief. Ich beherrschte den Schwung noch nicht. Dabei hätten sie mir so viel leichter von der Hand gehen müssen, weil nichts an ihnen hing. Kein Gefühl, kein Privileg und erst recht keine Erwartungen.
»Kann ich hiervon auch noch eine Kopie bekommen?«, fragte ich.
Der Typ verkniff sich merklich ein Augenrollen, riss dann aber den Durchdruck ab und reichte ihn mir. »Selbstverständlich, Miss.«
»Danke.« Ich faltete das Papier ordentlich zusammen und legte es auf meinen Karton, ehe ich diesen wieder an mich nahm. »Dann wünsche ich Ihnen eine schöne Restwoche.«
»Ebenso«, sagte er mit einem knappen Nicken. Kurz darauf war er hinter das Lenkrad gerutscht und mitsamt seinem Transporter und seiner Kollegin, die bereits auf ihn gewartet hatte, um die Ecke gebogen.
Ich ging nicht sofort rein, sondern blieb noch einen Augenblick stehen, um die rostrote Backsteinfassade des Wohnhauses zu betrachten, das ab heute mein neues Zuhause darstellte. Sie schien ein bisschen bröckelig an den Kanten. Einige Stellen hatten Moos angesetzt, an anderen wuchs Efeu, der sich wie rote Äderchen an dem braunen Rahmen der Erkerfenster entlangschlängelte. Das Holzgeländer an der Steintreppe, die zur doppelflügeligen Eingangstür hinaufführte, war morsch. Ich gab ihr noch einen feuchtkalten Winter, bis sich jemand ernsthaft daran verletzen würde. Vielleicht sollte ich das direkt der Hausverwaltung melden? Auch diesen Gedanken schob ich rasch beiseite. Vielleicht solltest du lieber erst mal ankommen.
Ich trat in den Hausflur, der mit kleinen schwarz-weißen Kacheln ausgelegt war. Die Sprünge darin bildeten ihre eigene Art von Muster. Es roch nach Staub, irgendwelchen Kräutern und Gewürzen, womöglich Curry. Entweder jemand kochte gerade, oder der Geruch hatte sich mit den Jahren hier verloren und in den Rissen der Wände festgesetzt. Es gab keinen Fahrstuhl, natürlich nicht, deshalb musste ich den Karton mühselig in den vierten Stock tragen. Dort angekommen, fiel mir direkt unsere Haustür ins Auge, die offen stand. Cassidys Vertrauen in die Menschheit war beachtlich, besonders bei einem Beruf wie unserem.
»Sie sind weg!«, verkündete ich, kaum dass die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war. Ich stellte die Kiste im Flur ab und schlüpfte aus meinen Wollsocken, in denen sich mehr Feuchtigkeit eingenistet hatte, als mir lieb war.
»Na endlich!«, kam es prompt zurück. »Mal ehrlich, das Ächzen von dem Kerl war kaum auszuhalten. Nach der fünften Zigarette war ich kurz davor, ihm die Nummer der Suchtberatung in die Hand zu drücken. Hast du ihnen Trinkgeld gegeben?«
Die Stimme meiner besten Freundin klang, als käme sie aus ihrem Zimmer. Da alle Räume jedoch nahezu leer waren und das Tapsen meiner nackten Füße wie ein Echo von den Wänden widerhallte, konnte sie von überallher stammen.
Ich blieb abrupt stehen. »Hätte ich das denn tun müssen?«
In dem ganzen Umzugsstress hatte ich tatsächlich gar nicht daran gedacht.
»Das fragst du, die am liebsten selbst ihrem alten Postboten Trinkgeld gegeben hätte?«
»Er hat auch einen guten Job gemacht und war immer freundlich!«, rechtfertigte ich mich.
Cassidys glockenhelles Lachen schallte durch die Wohnung, was unser neues Zuhause auf merkwürdige Weise wärmer wirken ließ. Als hauchte sie den Zimmern damit Leben ein. »Mach dir nichts draus. Streng genommen zahlen wir denen sowieso mehr als genug dafür, dass sie alle fünf Minuten eine Rauchpause eingelegt haben.«
»Was das Geld angeht . Ich schicke dir meinen Teil später, okay?« Ich warf einen Blick in Cassidys Zimmer und stellte verwundert fest, dass sie nicht dort war. »Wo bist du überhaupt?«
»Na, hier.«
Ich ging ins Wohnzimmer, wo sie rücklings auf dem Dielenfußboden lag, während die tief stehende Abendsonne ihr goldenes Licht in unzähligen Vierecken an die gemusterten Wände warf. Es überraschte mich, dass sie es überhaupt ins Innere unserer Wohnung schaffte, wo doch ein Großteil unseres Fensters von der knochigen Eiche an der Straße versperrt wurde, deren feine Äste bei jedem kleinen Windhauch an der Glasscheibe kratzten.
»Was genau wird das?«, fragte ich und lehnte mich gegen den Türrahmen. Der Anblick überraschte mich eigentlich nicht, dennoch musste ich schmunzeln.
Nichts stand an Ort und Stelle, Erdkrümel und zerstampfte Blätterreste zierten den Boden, überall stapelten sich Kisten. Cassidy lag unbekümmert im Chaoszentrum. Ich kam nicht umhin, darüber nachzudenken, wie passend dieses Bild für sie war: Die Welt hätte in dieser Sekunde untergehen können, und sie wäre trotzdem auf diesem schmutzigen Fußboden liegen geblieben, als könnte ihr das Ende rein gar nichts anhaben. Manchmal beneidete ich sie darum.
»Ich war mir irgendwie sicher, dass wir glückliche Besitzerinnen einer Fußbodenheizung sind«, murmelte sie und pustete sich ihren Fransenpony aus der Stirn. Ihr schwarzes Haar, das sie normalerweise kinnlang trug, war gewachsen, obgleich es ihr...
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