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Der Kirchenvater Augustinus (354-430) war der Erste, der sich Gedanken über die schriftstellerischen Beziehungen zwischen den synoptischen Evangelien machte. Seiner Meinung nach wurden sie in der Ordnung abgefasst, in der sie heute in der Bibel aufgeführt sind, wobei die späteren jeweils Kenntnis der früheren gehabt hätten (De consensu evangelistarum I,2,4). Dabei ergibt sich das Schema:
Zu Recht muss man aber darauf verweisen, dass die antiken (und auch mittelalterlichen) Vorstellungen einer Verbalinspiration für die Redaktionsarbeit der Evangelisten nur beschränkten Spielraum ließen, da man damals von einem wörtlichen Diktat des Textes durch den Heiligen Geist ausging. Die neuzeitliche Weiterführung der synoptischen Frage ist daher »nicht einfach als eine Fortsetzung der augustinischen Überlegungen anzusehen.«4 In dem Maße, in dem in der Neuzeit die Idee der Verbalinspiration immer mehr ins Hintertreffen geriet, musste auch die Abhängigkeit der Evangelien neu durchdacht werden.
Schon im 18. Jh. hatte der Weimarer Theologe J. G. Herder (1744-1803) die Ähnlichkeit der drei »synoptischen« Evangelien (griech. s??????, sýnopsis, »Zusammenschau« i. S. einer literarischen Abhängigkeit), also MkEv, MtEv und LkEv, auf ein mündliches Urevangelium in aramäischer Sprache zurückgeführt (Traditions-Hypothese).5 Tatsächlich legen die zumeist wortwörtlichen Übereinstimmungen eine literarische Abhängigkeit der drei »Synoptiker« nahe. Daher postuliert F. Schleiermacher (1768-1834) bereits eine größere Anzahl unabhängiger Einzelaufzeichnungen und Sammlungen von Texten, von denen manche jeweils mehreren, manche aber auch nur je einem Evangelisten vorgelegen wären (Fragmenten- oder Diegesenhypothese). Schließlich vermuteten J. G. Eichhorn (1752-1827) und G. E. Lessing (1729-1784) ein schriftliches, aramäisches Urevangelium (Urevangeliumshypothese), das von den drei Synoptikern unterschiedlich übersetzt worden sei. Doch auch diese Annahme scheitert an den starken wortwörtlichen Übereinstimmungen auf griechischer (!) Sprachbasis der drei Synoptiker. Die in Folge vorgebrachten Benutzungshypothesen rechnen mit unterschiedlichen literarischen Abhängigkeiten der Texte:
Die Griesbachhypothese ist nach ihrem Urheber J. J. Griesbach (1745-1812) benannt und sieht im MtEv das älteste Evangelium, welches der Autor des LkEv benutzt habe.
Das MkEv ist nach dieser Annahme lediglich eine Zusammenfassung der beiden anderen Evangelien. Dass der Verfasser des MkEv nach dieser Hypothese so bedeutsame Passagen wie die Bergpredigt, die Kindheitsgeschichten und die Osterevangelien aus seinen Vorlagen hinausgekürzt habe, macht diesen Ansatz doch sehr unwahrscheinlich. Allerdings wird hier die bereits in Antike und Mittelalter vertretene Matthäus-Priorität (Mt als ältestes Evangelium) weitergeführt, die davon ausging, dass der Verfasser des MtEv einer der zwölf Apostel gewesen sei, von dem die Nicht-Apostel Lk und Mk abgeschrieben hätten. Heute wird eine »Neo-Griesbach-Hypothese« nur mehr vereinzelt im angelsächsischen Bereich vertreten und als »Two-Gospel-Hypothesis« (Zwei-Evangelien-Hypothese) bezeichnet.
Die Farrer-Goulder-Hypothese wurde von A. Farrer (1904-1968) entwickelt und von M. D. Goulder (1927-2010) weitergeführt. Sie geht von einer Mk-Priorität aus; Mt habe das MkEv benutzt, Lk die beiden anderen. Unbeantwortet bleibt hier, warum Lk so viel mt Sondergut weggelassen habe.
Die am weitesten verbreitete Erklärung ist die Zweiquellentheorie, mit der heute so gut wie alle seriösen Bibelwissenschaftler arbeiten (daher auch nicht »Zweiquellenhypothese«, sondern »Zweiquellentheorie«).6
Die Zweiquellentheorie geht von der »Markus-Priorität« aus, also von der Annahme, dass das MkEv das älteste Evangelium sei. Schon K. Lachmann (1793-1851) war in dem 1835 publizierten Artikel De ordine narrationum in evangeliis synopticis aufgefallen,7 dass Mt und Lk in ihrer grundsätzlichen Anordnung der Perikopen dort übereinstimmen, wo sie auch mit Mk identisch sind. Verlassen aber Mt oder Lk den mk Faden, dann weicht auch deren Perikopenanordnung voneinander ab. Lachmann folgerte daraus, dass Mk das damals postulierte »Urevangelium« (s.?o. I.1.2) am getreuesten wiedergäbe. So hatte auch schon J. G. Herder im MkEv das älteste synoptische Evangelium gesehen.
Dem heutigen Stand der Wissenschaft zufolge ist die Markus-Priorität kaum mehr zu erschüttern. Recht präzise lässt sich beweisen, dass sowohl Mt als auch Lk das gesamte (s.?u. I.1.4.3) MkEv kannten, dieses allerdings stilistisch überarbeiteten, inhaltlich ergänzten, theologisch weiterführten und in einen je neuen erzähltechnischen Rahmen spannten. All diese Verbesserungen und Erweiterungen würden keinen Sinn ergeben, wenn nicht Mk das älteste Evangelium geschrieben hätte.
Dabei ist zu beachten, dass Mt und Lk einander nicht gekannt haben, sie gestalten ihre Überarbeitungen des MkEv in je unabhängiger Weise. So etwa übernimmt Mt 90% des Mk-Stoffes, während Lk nur 55% verwendet (zum Grund dafür s.?u. I.1.4.3).
Wie der Name »Zweiquellentheorie« schon sagt, haben Mt und Lk neben der ersten Quelle, dem MkEv, noch eine zweite Quelle besessen, die sogenannte »Logienquelle«, abgekürzt »Q« (für »Quelle«). Denn über lange Passagen stimmen Mt und Lk wortwörtlich überein, ohne dabei von Mk abhängig zu sein. Es muss also noch eine zweite Quelle gegeben haben.
Die Existenz solch einer zweiten Quelle wurde zuerst von C. H. Weisse (auch: Weiße, 1801-1866) in seinem 1838 erschienenen Werk Die evangelische Geschichte kritisch und philosophisch bearbeitet postuliert. Da der Gehalt dieser Quelle - bestehend aus den Übereinstimmungen von MtEv und LkEv über den Mk-Text hinaus - größtenteils Aussprüche und Reden Jesu (auf Griechisch logia, »Sprüche«) wiedergibt, meinte man hier die von Papias von Hierapolis zu Beginn des 2. Jh. erwähnten logia, eine angebliche Sammlung von aramäischen Jesus-Sprüchen, gefunden zu haben.8 Im Papias-Fragment 5,16 (= Eusebius, HE 3,39) heißt es:
Matthäus hat die Logien also in hebräischer Sprache zusammengestellt; es übersetzte sie aber jeder, so gut er konnte.
So man nicht der Deutung Kürzingers9 folgt, hat sich heute die Einsicht durchgesetzt, dass Papias hier auf eine von ihm angenommene aramäische Urform des Evangeliums abzielt. Aufgrund dieses Zitats rechnete man noch bis in das 20. Jh. hinein mit einer aramäischen Quelle von Logien für das MtEv. Bezüglich der Logienquelle allerdings scheitert solch eine Annahme auch aus einem anderen Grund: Die als Q zu postulierenden wortwörtlichen Übereinstimmungen zwischen MtEv und LkEv funktionieren auf griechischer Sprachbasis, aber nicht auf Aramäisch. Dennoch führte dieser »kreative Irrtum« dazu, dass H. J. Holzmann (1832-1910) das Sigel ? (den griechischen Buchstaben Lambda) als Abkürzung für logia verwendete und der Zweiquellentheorie mit seinem 1863 erschienenen Werk Die synoptischen Evangelien, ihr Ursprung und geschichtlicher Charakter zum Durchbruch verhalf (die Tübinger Schule favorisierte damals noch die Griesbachhypothese). J. Weiß (1863-1914) war 1890 schließlich der Erste, der für diese logia das Sigel »Q« im Sinne der zweiten »Quelle« verwendete, obwohl er in seinen Publikationen zumeist von der »Redenquelle« oder den »Logia« sprach. Erst 1899 setzte sich mit der Monographie von P. Wernle (1872-1939), Die synoptische Frage, das Sigel »Q« für die Logienquelle durch.
Neben den beiden schriftlichen Quellen - MkEv und Logienquelle - haben Mt und Lk ihren Werken auch noch »Sondergut« hinzugefügt, Mt sein Sondergut-Mt (SMt), Lk sein Sondergut-Lk (SLk). Zur Herkunft dieses Sonderguts wissen wir wenig, es dürfte sich um mündliche Traditionen unterschiedlichster Provenienz handeln. Gerade in den Kindheits- und Ostergeschichten ist dieses Material dominant.
Manche Texteinheiten bei Mt und Lk kommen in zweifacher Weise vor. So etwa wird die Aussendung der Jünger Jesu zur Mission in Lk 9,1-5 und ein weiteres Mal in Lk 10,1-12 berichtet, während Mt die Aussendungsrede nur einmal in Mt 10,5-16 bietet. In diesem Fall, wenn nur einer, Mt oder Lk, diese Verdoppelung besitzt, spricht man von einer Dublette. Besitzen beide, Mt und Lk, solch eine Verdoppelung, spricht man von einer Doppelüberlieferung. Dies ist beispielsweise der Fall beim Wort von der kompromisslosen Nachfolge, das in Mt 10,37f. und Mt 19,29f. gedoppelt ist, aber auch in Lk 14,26f. und Lk 18,29f.
Dubletten und Doppelüberlieferungen stellen ein starkes Argument zugunsten der Zweiquellentheorie dar: Einmal folgt der Evangelist seiner Mk-Vorlage, einmal der Logienquelle.
Gerade im Fall der Aussendungsrede hat Mt Mk-Text und Q-Vorlage ineinander verwoben, wie er dies häufiger tut. Lk hingegen verwendet bei der Übernahme seiner Quellen eine »Blocktechnik«: Ein Block Mk wird von einem Block Q abgelöst....
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