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Kindheit als Sohn eines evangelischen Pfarrers
Überglücklich ließ Pfarrer Carl Ludwig Nietzsche seine «Verwandten und Freunde [.] in der Nähe und Ferne» wissen, dass seine Gemahlin Franziska am 15. Oktober 1844 «von einem gesunden Knaben durch Gottes Gnade glücklich entbunden» wurde.[2] Er gab ihm den Namen Friedrich Wilhelm. Denn sein erster Sohn hatte am neunundvierzigsten Geburtstag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. das Licht der Welt erblickt, desjenigen Herrschers, dem er seine Pfarrstelle im preußisch-sächsischen Röcken zu verdanken hatte.[3]
Carl Ludwig Nietzsche taufte seinen Sohn am 24. Oktober, dem Tag seiner eigenen Taufe.[4] Seine Ehefrau nahm nicht daran teil, denn sie lag noch im Wochenbett. Aber wegen der Gemeinde und der auswärtigen Paten (fünf des Vaters, einer der Mutter) schien ihm Warten «nicht räthlich».[5] Als Taufspruch wählte er einen Vers aus dem Lukasevangelium: «Was, meinest du, will aus dem Kindlein werden? Denn die Hand des Herrn war mit ihm.»[6] Dies war die Reaktion der Menschen auf die Geburt Johannes' des Täufers, der kein Geringerer als der Wegbereiter Jesu werden sollte.
Beim Taufsakrament konnte der frischgebackene Vater «vor Rührung kaum sprechen».[7] In seiner Taufpredigt führte er der Gemeinde vor Augen, dass aus einem Kind «Gutes und Böses, Erfreuliches und Betrübendes» werden kann. Denn das vor dem Kind liegende Leben birgt «viel Bürden und Beschwerden, viel Leiden und Gefahren, viel Versuchungen und Versündigungen in seinem dunkeln Schooße». Nur die Taufe gibt den Trost, dass Gott «das Rechte aus ihm [wird] werden lassen».[8] Carl Ludwig Nietzsche empfand das Leben als schwer und voller Versuchungen - und sah im Glauben den einzigen Halt.
Carl Ludwig Nietzsche[9] (1813-?1849) stammte aus einem evangelischen Pfarrhaus. Sein Vater Friedrich August Ludwig Nietzsche (1756-?1826), Oberpfarrer und Superintendent in Eilenburg[10], war ein Freund des Rationalismus und der historisch-kritischen Sicht auf die Bibel, die nach verschiedenen Textschichten, literarischen Abhängigkeiten und historischen Kontexten fragt.[11] Nur so könne man als vernünftiger Mensch heute mit den biblischen Texten umgehen.[12] Denn «eine wachsame, unermüdete, und mit allen Hülfsmitteln versehene Kritik [. wird] noch manches in jenen Schriften als unächt und unterschoben hinwegzustreichen, oder als falsch und verstümmelt zu ergänzen und zu berichtigen finden».[13] Friedrich August Ludwig Nietzsche wurde 1817 aufgrund seiner vielen theologischen Schriften zum Doktor der Theologie promoviert.[14]
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete der Superintendent 1809 erneut. Erdmuthe Krause (1778-?1856), ebenfalls aus einem Pfarrhaus stammend und jung verwitwet, übernahm bereitwillig die Aufgaben der Gattin eines so hoch angesehenen Geistlichen.[15] Sie sorgte für seine Kinder aus erster Ehe und schenkte den gemeinsamen Kindern Rosalie 1811, Carl Ludwig 1813 und Auguste 1815 das Leben.[16]
Seit dem Wiener Kongress von 1815 gehörte die nordöstlich von Leipzig gelegene Stadt Eilenburg zum Königreich Preußen. Entsprechend wuchs Carl Ludwig Nietzsche im Geiste preußischer Restaurationsideale auf, die auf eine Re-Christianisierung des Gemeinwesens zielten.[17] Friedrich August Ludwig Nietzsche unterstützte dies tatkräftig und predigte der Gemeinde die «Gesinnungen und Tugenden der Redlichkeit, der Berufstreue, der Menschenliebe, der Demuth, der Keuschheit und Mäßigkeit».[18] Die Mutter teilte diese christlich-aufklärerische Sicht auf das Christentum.[19]
Was bedeutete es damals für Kinder wie Carl Ludwig - und damit auch später Friedrich - Nietzsche, in einem evangelischen Pfarrhaus aufzuwachsen? Sie standen, wie die Eltern, immer in der Öffentlichkeit, lebten geradezu im «Glashaus».[20] Um ihres Vorbildcharakters willen wurden sie zu Bescheidenheit und Gehorsam gegenüber den Eltern erzogen.[21] Häufig las die Mutter mit den Kindern im Kommunionbuch für gebildete Christen, das sinnlichkeitsfeindlich mahnte: «Nicht für das Vergängliche, nicht für den kurzen Reitz der Sinne bin ich geschaffen!»[22] Dunkle Gedanken und Gefühle galt es zu bekämpfen. Dass Gott «mit den geheimsten Gesinnungen unseres Herzens bekannt ist», dieser Grundsatz aus einer Predigt seines Vaters prägte schon den kleinen Carl Ludwig.[23] Er verstand ihn aber nicht als bedrohlich, sondern, wie seine spätere Frömmigkeit belegt, als wohltuend. Ihm waren Fleiß, Ordnung und Gewissenhaftigkeit selbstverständlich. Der regelmäßige Kirchgang, das tägliche Beten sowie die Bereitschaft, Fehltritte zu bekennen, charakterisierten seine kindliche Religiosität.[24]
Nach langer Krankheit starb Friedrich August Ludwig Nietzsche im März 1826.[25] Am Tag der Beerdigung gab der zwölfjährige Carl Ludwig seinen Gedanken und Gefühlen in schlichtem Gottvertrauen Ausdruck: «Wenngleich mich Unglück drücket / Und Angst und Noth mich bücket, / So trau ich doch auf Gott! / Er der den Vogel speiset, / Den Rab'n Futter weiset, / (Der giebt uns Trost und ist mein Hort!) [.] Er wird uns wohl erhalten, / Wenn wir uns fromm verhalten, / Drum traut dem Herrn im Unglück noch».[26] Sein eigener Sohn sollte Jahre später als Knabe ganz ähnlich dichten.
Carl Ludwig verschrieb sich fortan den Erwartungen der gestrengen Mutter. Durch sie gedrängt, entschloss er sich schon bald, in die beruflichen Fußstapfen des Vaters zu treten. Seine Mitschüler verspotteten ihn als «den Pfaffen», da er sich nur für kirchlich-theologische Themen begeistern konnte.[27]
Das Theologiestudium absolvierte Carl Ludwig Nietzsche ab 1833 in Halle an der Saale. Oft kränkelnd und mit schiefem Körperbau, litt er an seiner schlechten gesundheitlichen Konstitution.[28] Seine Mutter ließ den Studenten nicht aus den Augen: «nimm Dich in Acht, daß Du Dich nicht verliebst und Dich nicht erkältest».[29]
Von der Hallenser Fakultät galt damals der Spruch: «Halam tendis? - aut piestista aut atheista mox reversurus: Du gehst nach Halle? - Du wirst bald entweder als Pietist oder als Atheist zurückkehren.»[30] Seit ihrer Gründung 1694 stritten an der Fakultät Pietisten und Rationalisten.[31] Der Rationalismus vertrat die Überzeugung, dass man Gotteserkenntnis nicht durch Offenbarung, sondern ausschließlich mit der Vernunft erreicht und dass nur noch «vernünftige» religiöse Vorstellungen Geltung beanspruchen können. Der Zweck des Christentums liege darin, die menschliche Moralität voranzubringen.[32] Dem stand in Halle der Pietismus in der Tradition August Hermann Franckes (1663-?1727), des Gründers der Franckeschen Stiftungen, gegenüber.[33] Durch politischen Willen war 1826 zur Pflege des Pietismus der Erweckungstheologe und Supranaturalist Friedrich August Gottreu Tholuck (1799-?1877) in Halle installiert worden.[34] Dieser wies in seinen Texten die aufklärerische Vernunft in ihre Schranken, damit sie nicht die göttliche Offenbarung relativiere, die sich supranatural, also natürliche Vorgänge übersteigend, ereigne.[35] Im Zentrum seiner Theologie stand die - durch seine eigene Lebensgeschichte ausgeschmückte - Erfahrung, dass jeder Mensch Sünder ist und der Wiedergeburt durch Jesus bedarf. So befreit, solle man ein durch Frömmigkeit, Diakonie und Mission geheiligtes Leben führen.[36] Ein Jahr nach Tholuck war Benjamin Adolph Marks (1775-?1847) an die Fakultät gekommen und als Universitätsprediger eingesetzt worden. Auch er stand dem Rationalismus kritisch gegenüber. Als dritte Kraft blühte in Halle die...
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