KEMPTEN

Ja, spinnen die Römer?

Bis heute bietet die vielleicht älteste Stadt Deutschlands, deren erstes schriftliches Zeugnis über 2000 Jahre zurückreicht, neben unzähligen Sehenswürdigkeiten auch Skurriles. Wo sonst außer in Kempten gibt es neben dem Karneval noch eine fünfte Jahreszeit? Und wo wandert man auf den Spuren eines eigensinnigen Kripo-Kommissars mit einer ausgeprägten Vorliebe für Kässpatzen?

Zuerst einmal sei gesagt, dass beim Wettstreit um den Titel der ältesten Stadt Deutschlands Trier noch ein Wörtchen mitzureden hat, denn bis heute gibt es keine amtliche Bestätigung, je nachdem, welche Kriterien für den Status angesetzt werden. So oder so wird bei einem Spaziergang durch die geschichtsträchtige Stadt deutlich, dass Kempten eine einzigartige Kombination aus Tradition und Moderne, mit Jahrtausende alten Bauwerken, charmanten Cafés und bunten Läden zu bieten hat. Alles am Rande der Alpen, deren Panorama bei gutem Wetter von der Burgruine der Burghalde aus zu bestaunen ist.

Wir schlendern über den bei Einheimischen und Gästen so beliebten Wochenmarkt, der im Sommer umrahmt von der Basilika St. Lorenz und der Residenz ein bunter und geschwätziger Treffpunkt ist. Bei Ratsch und Tratsch verbindet man guten Kaffee und Kässpatzen gleich mit dem Wocheneinkauf von lokalen und unverpackten Produkten. Durch die Fußgängerzone mit einigen schönen und kleinen Läden geht es weiter bis zur Freitreppe. Diese bildet eine symbolische Verbindung zwischen den beiden ehemals verfeindeten Stadtteilen - der Stifts- und der Reichsstadt. Denn erst vor gut 200 Jahren wurde Kempten zu einer vereinigten Stadt. Hinunter steigen wir Richtung Rathausplatz, wo gerade im Sommer und zur Vorweihnachtszeit ein reges Treiben bei Aperol Spritz oder Glühwein herrscht. Am St.-Mang-Platz angekommen, gönnen wir uns in der Kara Brew Bar einen Flat White mit Franzbrötchen und hinauf geht es zur Burgruine der Burghalde, die über der Stadt thront und eine Fernsicht über die gesamten Allgäuer Alpen bis zur Zugspitze bietet. Kempten hat knapp 70.000 Einwohner*innen, darunter 6.000 Studierende. Die Stadt bildet das Zentrum des Allgäus und feiert jeden August mit der Allgäuer Festwoche die "fünfte Jahreszeit", die traditionelles Volksfest mit einer Wirtschaftsmesse verbindet. Neben Bier in Maßkrügen geben die Feiernden mit einer "Vierspurigen" Gas - eine erfrischende und skurrile Weinschorle aus Zitronenlimo, Mineralwasser, Weiß- und Rotwein. Und was es mit dem eigensinnigen Polizeikommissar auf sich hat, darf jede*r einmal selbst herausfinden, denn sollte das Wetter zum Graveln nicht gut genug sein, so lohnt sich ein Besuch in einer der vielen kleinen Buchhandlungen in Kempten und der Blick in die Allgäu-Krimi-Reihe rund um Kommissar Kluftinger, den vielleicht skurrilsten Allgäuer Export.

INTERVIEW

Lisa Brennauer, 35 Jahre alt, wohnhaft in Durach bei Kempten, ist eine der erfolgreichsten Radsportlerinnen Deutschlands. Bis 2023 war sie Rennrad- und Bahnprofisportlerin und wurde 2014 und 2021 zur Radsportlerin des Jahres gewählt. Ihre größten sportlichen Erfolge: 7-fache Weltmeisterin, Olympiasiegerin 2021.

Was macht das Allgäu für dich aus?

Das Allgäu ist für mich Heimat und ein wunderschönes Fleckchen Erde. Ich bin hier aufgewachsen und fest verwurzelt. Die Berge, die Natur generell, das Geräusch der Kuhglocken, wenn ich morgens aufwache, sind einfach unschlagbar.

Warum sollte man Radurlaub im Allgäu machen?

Um die Natur bei uns hautnah erleben zu können. Es gibt viele tolle Routen mit sehr wenig Verkehr, auf denen man die tollsten Orte entdecken kann.

Lieblingsort im Allgäu?

Knottenried mit einer wunderschönen Aussicht in die Berge. Wenn die Aussichtsbank, etwa 500 Meter nördlich des Ortes an der Straße, gerade frei ist, lohnt sich ein kurzer Zwischenstopp beim Radfahren definitiv.

Lieblingsort in Kempten?

Haha, das Eiscafé Venezia. Ganz in der Nähe ist die Freitreppe mit Blick auf den Rathausplatz. Den Blick finde ich sehr schön.

Lieblingstour auf dem Rad?

Meine Lieblingstour geht von Durach aus über Martinszell, Untermaiselstein nach Immenstadt und von dort aus über Zaumberg nach Knottenried. Ein kurzer Zwischenstopp an der oben genannten Sitzbank und weiter Richtung Diepolz, Niedersonthofen. Dann entweder flach am Niedersonthofener See entlang nach Waltenhofen und zurück nach Durach. Noch schöner finde ich die Strecke Richtung Memhölz, die auf kleinen Straßen nach Waltenhofen führt.

BIKESHOPS

Wildrad Wildpoldsried

Kemptener Str. 25, Wildpoldsried (https://wildrad.eu/). Im über 100 Jahre alten, renovierten Bauernhof in Wildpoldsried ist die Firma Wildrad beheimatet, eine Radsport-Institution im Allgäu. Hier finden Radsportbegeisterte neben exzellentem Kaffee einen guten Service, fachkundigen Verkauf und viel Liebe zum Detail. Chef Walti ist selbst der größte Radsport-Fan und absoluter Leichtbau-Fuchs. Er fachsimpelt gern über Sinn und Unsinn von Gewichts- und Performance-Optimierung am Gravelbike. Wildrad bietet ein breites Sortiment an Gravelbikes vieler Marken mit allem Zubehör. Auch wird professionelles Bike-Fitting angeboten.

Cube Store Kempten

Benzstrasse 4, Waltenhofen (https://wildrad.eu/). Neu, nachhaltig und innovativ bietet der gigantische Massivholzbau mit Dachbegrünung eine Kaffeebar, die sich sehen lassen kann. In der Kemptener Wildrad-Filiale kann das volle CUBE-Sortiment erworben werden, inklusive einem breiten Gravel-Angebot und auf über 400 m2 Fläche die neue Wildrad Service Werkstatt. Ein beeindruckender, offener und freundlicher Laden.

KEMPTEN 45

BESCHREIBUNG

Die Fiume Sommerbar, direkt am Illerkraftwerk des AÜW im Herzen von Kempten gelegen, ist der Startpunkt unserer heutigen Tour und der ideale Ort für einen kleinen Aperitif nach getaner Pedalier-Arbeit. Mit seinen schönen und verschlungenen Schotterwegen bietet der Iller-Radweg Richtung Norden ein wahres Gravel-Paradies, dem wir für gut 18 Kilometer folgen. Hinauf geht's Richtung Altusried, übrigens dem Heimatdorf von unserem schrulligen Allgäuer Kommissar Kluftinger, und wir wagen uns an kleine Trailstücke, die allerdings vorwiegend bergauf führen. Jetzt heißt es für die allermeisten: kurz Schieben.

Oder man muss die Wadeln kräftig zusammenkneifen. Bis Wiggensbach ist die Streckenführung dann wieder entspannter und hier fühlt man sich, fernab von allem, im echten Allgäu: Kleine Aussiedlerhöfe, alte Mühlen und Sägewerke und kaum Verkehr, garniert mit kleinen, aber feinen Schotter- und Trail-Abschnitten. Ein absoluter Traum. Spätestens wenn sich kurz vor Wiggensbach das breite Alpenpanorama zeigt. Feines Alpenaroma gibt's dann beim Purschwarz am Kaffeetresen in Form eines kleinen Espresso mit Karottenkuchen. Gestärkt rollen wir die letzten Meter über Straßen und Trails hinab nach Kempten.

INFO

Einkehr auf der Tour

34 km Purschwarz, Wiggensbach

Technischer Anspruch

Kurze Schiebepassage im Trailanstieg

Für Familien geeignet

Trails ggf. bei km 22 und 35 rechts auf Straße umfahren

KEMPTEN 70

BESCHREIBUNG

Los geht es am idyllischen Bachtelweiher. Übrigens ist der Bachtelweiher Garten für eine sehr leckere Einkehr nach der Tour geeignet, aber die müssen wir uns jetzt erst einmal verdienen. Über kleine Singletrails verlassen wir die Stadt und folgen dem kleinen Fluss Leubas bis zum Energiedorf Wildpoldsried. Meiner Heimat. Den obligatorischen Kaffee gönnen wir uns heute im ortsansässigen Radladen Wildrad. Über Allgäuer Hügellandschaft windet sich der Weg hinauf in den Kemptener Wald, den die heutige Tour beinahe komplett umrundet. Geprägt durch die letzte Eiszeit und den Illergletscher befinden sich immer noch über 4.000 Findlinge im Waldgebiet. Einen der größten, mit über acht Meter Höhe, schauen wir uns natürlich an, denn um den Dengelstein ranken sich einige mystische Sagen. Angeblich "dengelte" der Teufel gar seine Sense am Stein, wenn schlimme Ereignisse bevorstanden. Richtung Görisried zieht sich eine waschechte Schotter-Autobahn, die sogar von Autos befahren werden darf. Highspeed-Graveln wie es im Bilderbuch steht. Ab der Hälfte der Tour jagt zwischen Wildberg und Faistenoy ein traumhafter...