Schweitzer Fachinformationen
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Neben einem genauen Vorbericht ( Anamnesebogen im Anhang), sollte vor jedem operativen Eingriff eine gründliche Allgemeinuntersuchung ( Tab. 2-1) erfolgen. Besonders wichtig ist dabei die Erhebung des grammgenauen Körpergewichts am Tag der Anästhesie. Nur so können Medikamente und Anästhetika genau dosiert und eventuell tödlich verlaufende Überdosierungen vermieden werden. Vor allem adipöse Tiere können ein erhöhtes Narkoserisiko aufweisen, da bei diesen Patienten Probleme mit der Atmung, der Herzfunktion und dem Stoffwechsel vorliegen können oder sie diese während der Narkose entwickeln können. Auch der Nachschlaf kann bei diesen Tieren aufgrund der Umverteilung der Anästhetika verlängert sein. Die körpergewichtsbezogene Berechnung der Anästhetikadosierung kann beim übergewichtigen Tier eine relative Überdosierung bedeuten und muss daher entsprechend reduziert werden, z.B. indem sie für das geschätzte Idealgewicht des Tieres berechnet wird.
Viele Erkrankungen bei Kaninchen und Meerschweinchen werden von diesen Beutetieren erfolgreich verborgen und auch schwere Krankheitszustände können den Patientenbesitzern ggf. nicht auffallen, was eine gründliche Untersuchung durch den Tierarzt umso bedeutsamer macht. Kaninchen und Meerschweinchen leiden besonders häufig an Erkrankungen des Atmungs- und Verdauungstraktes, weshalb diese Organsysteme besonders sorgfältig untersucht werden sollten. Bei Kaninchen liegt oftmals eine Erkrankung der oberen und unteren Atemwege mit Pasteurella multocida und anderen Keimen vor. Auch Meerschweinchen leiden nicht selten an bakteriellen oder viralen Atemwegsinfekten ( Abb. 2-1). Ebenso können raumfordernde intrathorakale Prozesse, wie z.B. Thymome beim Kaninchen, die Lungenfunktion einschränken. Jede Beeinträchtigung des funktionellen Lungengewebes kann während der Anästhesie zu einer respiratorischen Insuffizienz führen und muss daher, wenn möglich, vor einer Operation behandelt werden. Weiterhin reagiert der sensible Magen-Darm-Trakt bei diesen Tieren sehr empfindlich auf Nahrungsentzug (z.B. durch eine krankheitsbedingte Inappetenz) oder auf Schmerzen. Dysbakterien, Tympanien und eine reduzierte Darmmotorik sind nicht selten die Folge. Eine anästhesiebedingte Hypomotilität kann in solchen Fällen die bestehende Problematik noch verschlimmern. Muss die anstehende Operation nicht unmittelbar erfolgen, empfiehlt es sich daher auch hier, den Patienten zunächst zu stabilisieren (z.B. durch Analgetika, durch Eingeben eines geeigneten Nahrungsbreies, durch Prokinetika etc.) und erst nach Besserung der Magen-Darm-Probleme eine Allgemeinanästhesie durchzuführen.
Ziel ist es, die Narkosefähigkeit des Patienten nach erfolgter Allgemeinuntersuchung einzuschätzen und die Besitzer über das vorliegende Narkoserisiko aufzuklären. Eine Einteilung nach den gängigen ASA-Klassifikationen (American Society of Anaesthesiologists) kann auch bei Kaninchen und Meerschweinchen erfolgen. Je nach Krankheitszustand muss der Patient vor einer Anästhesie zunächst stabilisiert und therapiert werden ( Kap. 2.4). Bei einigen Erkrankungen ist es zudem sinnvoll, das Narkoseregime individuell auf das erkrankte Tier anzupassen.
Tab. 2-1 Physiologische Befunde einiger ausgewählter Parameter bei Kaninchen und Meerschweinchen (nach Meredith 2014, Pignon und Mayer 2021)
Abb. 2-1 Rechtsanliegendes laterolaterales Röntgenbild eines männlichen Meerschweinchens (Alter unbekannt) mit Dyspnoe. Die homogene Verschattung des Lungengewebes muss vor einer Allgemeinanästhesie zunächst abgeklärt und ggf. behandelt werden.
Zur ASA-Klassifikation 1 und 2 gehören gesunde Patienten oder Patienten mit einer leichten Allgemeinerkrankung. Bei diesen Tieren ist keine besondere Anpassung des Anästhesieregimes vorzunehmen. In ASA 3 eingeteilte Tiere leiden an einer schweren Allgemeinerkrankung und müssen vor einer Anästhesie stabilisiert werden (z.B. mittels intravenöser Infusionstherapie, Kap. 2.4). Kaninchen und Meerschweinchen, welche in Gruppe ASA 4 und 5 eingeteilt werden, sind so schwer erkrankt, dass eine ständige Lebensbedrohung besteht oder sie sogar ohne Operation als moribund gelten. Neben der Stabilisierung des Patienten (entsprechend ASA 3) sollten die Besitzer über das erhöhte Narkoserisiko umfassend aufgeklärt werden. Bei Kaninchen in ASA-Stufe 3-5 wird das Risiko im Rahmen der Operation zu versterben als ca. 10-mal höher eingeschätzt als bei Kaninchen der ASA Stufe 1-2. Zur ASA-Stufe E zählen Notfallpatienten, z.B. ein Kaninchen mit einer Leberlappentorsion.
Bei Auffälligkeiten in der Allgemeinuntersuchung ist die Durchführung weiterführender Untersuchungen anzuraten.
Vor allem durch eine Blutuntersuchung (rotes Blutbild, Elektrolyte, klinische Chemie) können viele Erkrankungen beim Heimtier erkannt werden. Leber- oder Nierenerkrankungen sowie Elektrolytverschiebungen und Anämien können das Anästhesierisiko deutlich erhöhen, wenn sie unbehandelt bleiben oder das Anästhesieregime nicht dementsprechend angepasst wird. Eine präoperative Blutuntersuchung ist daher bei jedem Narkosepatienten empfehlenswert, aber vor allem anzuraten bei:
älteren Tieren
adipösen Tieren
Tieren, die viel Körpergewicht verloren haben (Gefahr eines Lipomobilisationssyndroms/Leberversagens)
Tieren im Schock (Erkennbar u. a. an Dehydratation und Hypothermie)
bei Urolithiasis
bei Kaninchen mit bekannter Enzephalitozoon- cuniculi-Infektion (Gefahr einer chronischen Niereninsuffizienz)
Auch röntgenologische und sonografische Untersuchungen können dabei helfen, den Zustand des Patienten zu beurteilen. Vor allem zur Beurteilung des Lungenfeldes und des Magen-Darm-Traktes, zur Diagnose von Metastasen in Lunge oder Knochen sowie zur Urolithiasisdiagnostik ist die röntgenologische Untersuchung gut geeignet. Die Sonografie ist unter anderem zur Beurteilung von Lage, Größe und Struktur intraabdominaler Organe sowie der Herzfunktion sinnvoll. Weiterhin kommen auch bei Meerschweinchen und Kaninchen vermehrt die Computer- sowie die Magnetresonanztomografie zum Einsatz.
Das Blutvolumen der meisten Heimtiere beträgt ca. 60-80 ml Blut pro kg Körpergewicht. Generell sollten niemals mehr als 7-10 % des Blutvolumens, also 4-8 ml Blut pro kg Körpergewicht, entnommen werden. Für die meisten Untersuchungen wird allerdings nur 0,3-1 ml Blut benötigt. Neben der hier dargestellten Blutentnahmetechnik beim Kaninchen aus der A. auricularis medialis ist bei dieser Tierart auch eine Blutentnahme aus der V. saphena lateralis gut möglich.
BENÖTIGTE MATERIALIEN
Kanülen (21 G, 22 G) mit abgebrochenem Konus
Rasierer (beim Kaninchen meist keine Rasur nötig)
alkoholhaltiges Hautdesinfektionsmittel
Probenröhrchen (Serum-, Lithium-Heparin- oder EDTA-Röhrchen)
Pflaster
Vlies-Tupferrolle (Kaninchen)
Schritt 1 Die A. auricularis medialis verläuft mittig auf der Ohrmuschel und muss nicht gestaut werden. Nach Desinfektion der Haut und Scheiteln der Haare ist die Arterie gut sichtbar ( Abb. 2-2). Durch sanftes Streichen mit einem sauberen Tupfer über die Arterie kann die Sichtbarkeit verbessert werden.
Schritt 2 Die Kanüle wird parallel zur Oberfläche der Arterie nur wenige Millimeter tief eingestochen und das Blut entnommen ( Abb. 2-3). Da das Blut aus einer Arterie entnommen wird, ist im Regelfall mit einem sehr schnellen Blutfluss zu rechnen.
Schritt 3 Nach erfolgter Blutentnahme wird ein Druckverband aus Pflaster und Vlies-Tupferrolle angelegt ( Abb. 2-4). Somit können Nachblutungen und die Entstehung von Hämatomen verhindert werden. Nach ca. 15 Minuten kann der...
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