Schweitzer Fachinformationen
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Einleitung
Ich bin Romanschriftsteller, und nur gelegentlich Essayist oder Chronist meiner Reisen. Wie gerne wäre ich dazu fähig, die Schneckenspur meiner Schriftstellerei zu beschreiben - diese tastende innere Reise voller Fehlstarts und frustrierenden und dann wieder bezaubernden Momenten -, ohne großspurige Vagheiten und absurde Scheinheiligkeiten zum Besten zu geben. Schon diese Zeilen klingen prätentiös und unangenehm, Sie sehen also das Problem.
Wenn ich die maßlose Eitelkeit so verabscheue, mit der andere Schriftsteller in Abstraktionen über ihr Werk sprechen, warum sollte ich es dann selbst tun? Ich sehe Leute lieber gute Literatur schreiben, als mir ihre stöhnenden Berichte darüber anzuhören, wie sie es gemacht haben. Wenn Schriftsteller darüber klagen, wie hart das Schreiben ist, sich über ihr Leid auslassen, weiß wirklich jeder, dass das, was sie sagen, Unsinn ist. Verglichen mit einem richtigen Beruf, wie in einem Bergwerk oder der Gastronomie, als Feuerwehrmann oder Ananaspflücker, ist Schreiben der Himmel.
Außerdem bin ich von der großen, nagenden Angst vieler Schriftsteller besessen, dass ich, wenn ich das Handwerk der Romanschriftstellerei allzu genau analysieren würde, vielleicht nie wieder ein Wort zu Papier brächte. Also lieber gar nicht erst darüber schwadronieren. Jeder Schriftsteller muss das Geheimnis des Schreibens in sich selbst finden. Leid kann hilfreich sein, Durcheinander auch, so wie auch die Liebe zu Büchern und das Verlassen der Heimat. Ich bin mit der Vorstellung groß geworden, die der Reiseschriftsteller Norman Lewis so treffend ausgedrückt hat: »Je weiter ich von zu Hause weg war, desto besser würde es sein«, und es erwies sich auch als wahr.
Aber wenn das Schreiben von Romanen ein Ritual im Dunkeln ist, obskur und so ungreifbar, dass man kein Wort von dem versteht, was man geschrieben hat, bis man fertig ist, erfordern andere Arten des Schreibens einen einfacheren und praktischeren Ansatz.
Reiseschriftstellerei: Dazu kann ich was sagen. Für die habe ich bestimmte Richtlinien. Die erste ist: Reisen Sie so inoffiziell wie möglich.
Die Gefahren offizieller Reisen und Besuche sieht man überall. Nichts auf der Welt ist irreführender als der gesponserte Besuch, die Pressereise, der Pressepool, die Pressemappen, die Informationsreise. Der Subtext des offiziellen Besuchs ist immer tendenziös, und es sind Faulheit, Selbstherrlichkeit und Gier, die den Besucher dazu bringen, solchen Einladungen zu folgen und die Lügen zu schlucken. Der einzige Sinn des roten Teppichs besteht darin, den Besucher zu blenden und die Wahrheit zu verschleiern.
»Uganda macht sich großartig«, sagte Präsident Clinton zu mir bei einem Treffen, als ich ihm erzählte, dass ich dort herumgereist war.
»Nein, überhaupt nicht«, sagte ich. »Die Regierung ist korrupt. Die Opposition wird unterdrückt und verfolgt. Das Leben im Busch ist schwieriger als in den 1960ern, als ich dort Lehrer in Kampala war. Und wie gesagt, ich war vor einem Monat dort.«
»Hillary war gerade da.« Der Präsident lächelte über meine Unwissenheit. »Dem Land geht es gut.«
Und daraufhin musste ich dann lächeln.
»Für wen halten Sie sich, solche schrecklichen Dinge über den Iran zu sagen? Sie lügen!«, brüllte mich Marion (Mrs. Jacob) Javits im August 1975 in den Kulissen des NBC-Fernsehstudios in New York City an, kurz nachdem ich mein erstes Reisebuch, Basar auf Schienen, veröffentlicht hatte. Der Iran sei ein stabiles, prosperierendes und gut regiertes Land, sagte sie. Wirklich?
Ich war mit dem Zug und dem Bus durch das ganze Land gereist, von West nach Ost, und in der heiligen Stadt Meschhed gelandet. Ich hatte nichts als Geschichten von Folter, Unterdrückung und Tyrannei von sehr wütenden Iranern gehört, die davon sprachen, den Schah loswerden zu wollen. Es stellte sich heraus, dass Frau Javits eine bezahlte Beraterin der iranischen Regierung war, und ihr Ehemann, der US-Senator Jacob Javits, gerne iranische Empfänge besuchte und den dort gereichten Kaviar genoss, auf Einladung des Schahs, der vier Jahre später gestürzt wurde.
»Kein Schicksal ist so ungewiss wie das der Reisebücher«, schrieb Joseph Conrad in seinem Vorwort zu Richard Curles Into the East. »Sie sind das angreifbarste aller literarischen Erzeugnisse. Der Mann, der ein Reisebuch schreibt, liefert sich mehr als jeder andere in die Hände seiner Feinde.«
In meinem 1988 erschienenen Buch über meine Reisen durch China, Riding the Iron Rooster (nennen Sie mir einen beliebigen Zug in China, ich bin mit ihm gefahren), schrieb ich, dass die chinesische Polizei, die bewaffnete Volkspolizei und die »Friedensagenten« aus Chengguan mit Vorliebe Studenten verprügelten. Ich war ein Jahr lang durch China gereist; ich hatte viele Demonstrationen gesehen. Die gängige Meinung im Westen war, dass die chinesische Regierung reformorientiert und tolerant sei. Die Rezensenten zerrissen mein Buch in der Luft. Und nur ein Jahr später fand das Massaker am Tiananmen-Platz statt.
Wahres Reisen und die Recherche des Essayisten bedürfen recht einfacher Kunstgriffe: bescheiden, geduldig, allein, anonym und wachsam sein. Das sind alles keine Eigenschaften, die man für gewöhnlich mit stubenhockerischen Abgeordneten auf einer Inspektionsreise verbindet oder mit Tugendhelden auf der Suche nach Ländern, die sie mit ihrer Wohltätigkeit und ihren Lebensmittelgeschenken beglücken können, oder mit Journalisten, die über hochrangige Treffen berichten - die allesamt hauptsächlich auf den ausgerollten Teppich aus sind.
Für mich als wohlhabenden, älteren, halbwegs bekannten Schriftsteller, der es sich leisten kann, Erster Klasse zu fliegen, schöne Autos zu mieten und in guten Hotels zu übernachten, ist es besonders wichtig, dass ich in alten Kleidern, mit kleinem Budget, in einem Bus oder mit dem Zug oder auf einem Viehtransporter reise. Mein Element (und seit Herodot der Stoff, aus dem die Reiseberichte sind) ist die Begegnung mit gewöhnlichen Leuten. Als ich 2001 in Afrika war, erfuhr ich so gut wie nichts Interessantes von Politikern, aber sehr vieles durch meine Gespräche mit Lastwagenfahrern, Wanderarbeitern, Prostituierten und Bauern. Auch Schriftsteller sind eine Quelle der Inspiration, besonders wenn sie Teil einer bestimmten Landschaft zu sein scheinen. In Buenos Aires suchte ich Jorge Luis Borges auf, in Tanger Paul Bowles, in Brasilien Jorge Amado, in der Türkei Yasar Kemal und später Orhan Pamuk. Auf meinen Reisen durch Afrika verbrachte ich in Ägypten Zeit mit Nagib Mahfuz und in Johannesburg mit Nadine Gordimer. Das gesamte Genre der Reiseliteratur und vieler Reise-Essays scheinen mir treffend in dem Titel des rätselhaften Gemäldes von Francis Bacon Studie für Figuren in einer Landschaft zusammengefasst.
Ich genieße den Komfort ebenso wie jeder andere Reisende. Und niemand weiß ein zurückgezogenes Leben mehr zu schätzen als ein Schriftsteller - und empfindet weniger Freude am eitlen Schwarm, wo Jugend herrscht und Gold und sinnlos Prunken. Kommt Ihnen bekannt vor? Es sind die Worte des Herzogs in Shakespeares Maß für Maß, und Reiseschriftsteller tun gut daran, sie sich zu Herzen nehmen. Um herauszufinden, was in seinem Herzogtum wirklich vor sich geht, sagt der Herzog, müsse er in eine bescheidene Verkleidung schlüpfen, wie das Gewand eines Mönchs, um »sowohl Fürst als auch Volk zu besuchen«.
Auch von Harun al-Rashid, Kalif von Bagdad im 8. Jahrhundert, kann man lernen. Der Kalif verkleidete sich regelmäßig als Mann aus dem Volk und ging dann auf den Markt, um zu sehen, wie die Menschen lebten, welche Sorgen sie hatten, was sie beschäftigte, worauf sie stolz waren. Die großen Reisenden der Vergangenheit unternahmen ihre Wanderungen in einem ähnlichen Entdeckergeist - die mittelalterlichen Mönche, die nach China kamen, die japanischen Bettelmönche, die wandernden Tagebuchschreiber, die der französische Historiker Fernand Braudel in meinem Lieblingsbuch Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts: Der Alltag so ausführlich zitiert. Offizielle Reisen zeigen Ihnen nicht, wie die Welt aussieht; inoffizielle Reisen, bei denen Sie die Leute belauschen und beobachten, hingegen schon.
Den Weg von Kairo nach Kapstadt, als ich für mein Buch Dark Star Safari durch Afrika reiste, legte ich mit Bussen, Lastwagen, Fähren, Kanus und Zügen zurück. Ich hatte keinen Namen; ich war nie jemand Besseres. Manchmal war ich Effendi oder Faranji, aber überall im suahelisprachigen Afrika war ich Mzee - Papa, Opa -, so wie ich es wollte, ein anonymer älterer Mann. Natürlich ist das Alleinreisen mit Risiken verbunden, aber es hat auch enorme Vorteile. Als amerikanischer Reisender ist man ohnehin privilegiert, aber mir ist schleierhaft, wie es möglich sein soll, ein Land wirklich zu verstehen, ohne seine Kehrseiten, sein Hinterland, sein Alltagsleben zu sehen. Nicht Bürokraten in Büroräumen, sondern Figuren in der Landschaft.
Der aufschlussreichste Teil eines Landes, und besonders eines afrikanischen Landes, ist seine Grenze. Jeder kann am Flughafen einer Hauptstadt ankommen und sich von der Modernität dort täuschen lassen, aber es braucht schon einen gewissen Mut, um mit dem Bus oder dem Zug an die Grenze zu fahren, immer das Gebiet der Vertriebenen und Verarmten, der Menschen, die versuchen, das Land zu verlassen oder...
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