Schweitzer Fachinformationen
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»Man schafft niemals Veränderung, indem man das Bestehende bekämpft. Um etwas zu verändern, baut man Modelle, die das Alte überflüssig machen.«
Richard Buckminster Fuller
Im Training muss man wirklich da sein! Man sollte mit der Aufmerksamkeit bei seinem Tier sein. Sollte. Denn auch im Training ist das gar nicht so einfach. Was heißt es, überhaupt da zu sein? Wir nennen das den weichen Fokus. Wenn man im weichen Fokus ist, nimmt man sein Tier als Ganzes wahr, also nicht nur seine Bewegungen, sondern auch zum Beispiel seinen Gesichtsausdruck, seine Atmung und wie es ihm geht. Man nimmt aber auch die Umgebung wahr. Was passiert da gerade? Läuft am Horizont eine Katze vorbei? Aus welcher Richtung kommt der Wind? Gibt es ungewohnte Geräusche? Nähert sich ein anderer Hund? Alles ist wichtig, denn je nachdem, was in der Umgebung passiert, muss ich ja mein Training anpassen.
Aber das ist noch nicht alles: Zum weichen Fokus gehört auch noch, dass ich spüre, wie es mir geht. Wie ist meine Körperhaltung? Wie stehe ich? Wo sind meine Hände? Wie ist mein Atem? Wie geht es mir überhaupt? Spüre ich irgendwo Verspannungen?
Es wird also deutlich, dass es eine ganze Menge ist, was man im weichen Fokus alles wahrnehmen kann. Im weichen Fokus ist man also mit seiner Wahrnehmung so allumfassend wie möglich, was natürlich Übungssache ist.
Im Gegensatz dazu steht der harte Fokus. Dabei bin ich voll konzentriert auf eine Sache. Alles andere wird ausgeblendet, so, als hätten wir Scheuklappen auf. Das ist leider der Normalzustand bei Trainern. Das Problem daran ist, dass einem verständlicherweise ganz viele Informationen dadurch verloren gehen, weil man sie nicht wahrnimmt. So haben wir in den Hühnermodulen zum Beispiel eine Aufgabe, in der das Huhn in eine bestimmte Richtung laufen soll. Dafür muss man also als Trainer die Füße im Blick haben, aber auch den Kopf, um zu erkennen, in welche Richtung das Huhn läuft. Das ist schon eine riesige Herausforderung. Dabei ist ein Huhn ja noch sehr überschaubar. Bei einem Hund oder gar einem Pferd ist es schon viel schwieriger, das ganze Tier im Blick zu haben. Und dabei sprechen wir ja erstmal nur vom Tier. Die Umgebung und das eigene Fühlen sind dabei ja noch ganz außen vor. Dazu passt der Spruch, vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. Im harten Fokus sehen wir einen Baum, im weichen den Wald. Im harten Fokus beachte ich ganz viele Informationen aus der Umgebung nicht.
Das führt zu ganz vielen Missverständnissen im Training. Ist der Hundehalter zum Beispiel angespannt, weil er einen stressigen Tag hatte und möchte seinem Hund erklären, dass der sich bitte entspannen sollte, wird das nicht funktionieren. Denn Hunde lesen nun mal unsere Körpersprache sehr genau und nehmen diese immer als erste Informationsquelle. Bin ich also mit dem ganzen Fokus nur beim Hund und achte nicht auf mein eigenes Innenleben, wird es zu Missverständnissen kommen.
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Im harten Fokus sehen wir einen Baum, im weichen den Wald.
Im harten Fokus ist der ganze Schwerpunkt des Menschen nach vorne gerichtet und nicht im Gleichgewicht. Soll jetzt das Trainingsziel sein, dass der Hund ausbalancierter läuft, wird das wieder schwierig werden. Denn der Hund nimmt seinen Menschen gerne als Vorbild und macht eben einfach nach, was ihm gezeigt wird. Ist der Mensch also nach vorne gerichtet, weil das mit dem harten Fokus verbunden ist, gibt es wieder sehr widersprüchliche Informationen für den Hund, der sich im Zweifelsfall für das Nachahmen der Körpersprache des Menschen entscheidet. Ist der Mensch jedoch im weichen Fokus, bemerkt er, wenn er selbst im Ungleichgewicht ist oder den Atem anhält. Dann kann er sich selbst ins Gleichgewicht bringen, auf seinen hinteren Körper konzentrieren und entspannt atmen. Damit gibt er dem Hund so viele wichtige Informationen, dass "Training im Außen" fast überflüssig wird, weil auch da der Hund wieder den Menschen nachahmen wird.
Es ist also sinnvoll, sich als Trainer mehr und mehr im weichen Fokus zu üben. Denn es ist verständlich, dass man das üben muss. Die Wahrnehmung der vielen Einzelteile funktioniert eben nicht, indem wir uns auf alle einzelnen hart fokussieren. Wir dürfen eine ganz andere Wahrnehmung entwickeln.
Durch unser Bildungssystem wurde zum Teil über lange Zeit des Lebens der harte Fokus gefördert. Aber auch Fernsehen oder Social Media unterstützen das. Immer, wenn wir alles andere um uns herum ausblenden und nicht mehr wahrnehmen, weil wir uns auf eine Sache konzentrieren, sind wir im harten Fokus. Wir leben nicht mehr in der Wildnis, wo man ohne den weichen Fokus gar nicht überleben könnte.
Aber das Schöne ist, dass wir es wieder lernen können. Wir können uns immer mehr darin üben, den Blick weich zu machen und immer mehr wahrzunehmen. Wir können auch immer mehr den Hund und auch uns selbst spüren lernen. Das hat den Vorteil, dass das uns ganz viel Training mit dem Hund erspart. Denn er wird dann unser ganzes Sein als Vorbild nutzen. Wir helfen auch dem Hund damit, mehr in seine Balance und sein inneres Gleichgewicht zu kommen. Das ist so bereichernd! Denn dann sind es nicht mehr nur "Tricks", an denen man arbeitet, sondern man arbeitet mit jeder Aufgabe an Wohlbefinden und besserer Verständigung. (Das gilt natürlich auch für die Arbeit mit Pferden oder allen anderen Tierarten.)
Was bringen uns dieser weiche Fokus oder das Sein im Hier und Jetzt für unser eigenes Leben?
Ich wäre fast dazu geneigt, zu schreiben: Alles! Wie gesagt, wir leben nicht mehr in der Wildnis. Also ist das Erkennen von Raubtieren im Gebüsch kein Vorteil. Wenn ich aber in jedem Moment fühle, wie es mir geht, wenn ich spüre, wenn sich irgendetwas in mir verspannt, bekomme ich damit eine wichtige Information, der ich sofort auf den Grund gehen kann. Was passiert denn hier gerade? Warum fühle ich mich auf einmal nicht mehr wohl? Was zeigt mir mein Körper damit schon, was in meinem bewussten Verstand noch gar nicht angekommen ist? Es ist dann fast so, als hätte man seinen ganz persönlichen Berater und Mentor immer mit dabei.
Augenblicke, von dem, was ich hier beschreibe, kennt wohl jeder. Da passiert irgendetwas und man sagt: "Ach, hätte ich doch auf meine innere Stimme gehört!" Denn irgendwie hat man schon geahnt, dass etwas kommen würde. Dadurch, dass wir in unserer stressigen Welt aber immer im harten Fokus rumlaufen, werden solche Informationen eben oft nicht wahrgenommen oder eben nur ganz leise. Je mehr man sich darin übt, desto lauter kann man den Kanal sozusagen einstellen.
Was gehört zum Üben? Es gehört dazu, dass man sich immer wieder daran erinnert, im Hier und Jetzt zu sein. Man nimmt seinen Körper wahr, seine Umgebung und zur Umgebung gehören zum Beispiel auch die Gedanken. Auf die Wahrnehmung kommt es an - ohne zu werten. Wir kommen in Kapitel 7 noch auf die Wertung, zu der wir Menschen so gerne neigen. Also "nur" wahrnehmen. Das ist nicht einfach, aber wenn man sich regelmäßig daran erinnert, wird man zügig Fortschritte machen.
Und dann gehört auch dazu, dass man vertraut. Für mich war es ein großer Lernmoment, als ich mal wieder auf der Heimfahrt von einem Seminar im Zug saß. Da es schon spät war, saß ich im Bummelzug von Koblenz nach Wittlich, der wirklich an jeder Haltestelle anhielt. Ich bin diese Strecke schon so oft gefahren, auch in dem Bummelzug. Aber ich hatte das erste Mal den Gedanken "Ich könnte ja auch schon einen Bahnhof früher aussteigen und mich da abholen lassen". Das hätte nämlich von der Entfernung eigentlich keinen Unterschied gemacht. Aber es war eben ungewohnt. Und wie so oft bei uns, siegte auch da bei mir die Gewohnheit. Ich blieb also sitzen. Zwei Minuten nach Ausfahrt aus dem Bahnhof machte der Zug eine Vollbremsung. Wild auf den Gleisen. Ich kam eine ganz Stunde später zuhause an, und das, wo es sowieso schon mitten in der Nacht war.
Mir war noch nie im Leben dieser Gedanke gekommen und ich bin die Strecke wirklich schon oft gefahren. Da habe ich mir vorgenommen: Ich werde ab jetzt immer auf meine innere Stimme hören. Natürlich klappt das noch nicht immer, denn es spielen so viele Faktoren da mit ein. Aber immer öfter. Das wirkt sich dann auch wieder aufs Training aus. Da habe ich auf einmal Einfälle und folge denen und mache Dinge, die ich bis dahin noch nie gemacht habe und siehe da: Das Ergebnis ist erstaunlich.
Je mehr man gewohnt ist, mit diesem persönlichen Mentor und Berater zu arbeiten, umso gehaltener fühlt man sich im Leben.
Ein weiteres großes Feld, wo der weiche Fokus immens viele Vorteile bringt, sind die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wenn ich in einer Interaktion mit einem anderen Menschen fühle und verstehe, was ich wahrnehme, ist das schon viel wert. Je mehr man sich übt, desto besser wird man auch den anderen wahrnehmen. Das kann dabei helfen, viele Missverständnisse zu vermeiden. Und vor allem schafft es eine ehrliche Grundlage.
Auch das wirkt sich dann wiederum positiv aufs Training aus. Denn auch da kann ich immer besser wahrnehmen, wie es dem Tier gerade geht. Training wird immer mehr zum Dialog.
Das ganze Leben wird immer mehr zum Dialog. Gerade in der heutigen Zeit der...
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