Schweitzer Fachinformationen
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Der Energiesektor ist ähnlich wie der Landwirtschaftssektor elementar für das Leben der Menschen, stellt aber gleichzeitig auch die Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit bei vielen Unternehmen und Industrien dar. Denn nur nachhaltig erzeugte Energie kann Verbrauchssektoren wie Landwirtschaft, Industrie oder Handel zur Klimaneutralität verhelfen. Daher sind gerade Großenergieverbraucher häufig auch direkt vom Wandel des Energiesektors betroffen.
Um konkret zu werden: Der Energiesektor befindet sich im Umbruch aufgrund von drei entscheidenden Veränderungen, die aktuell an zahlreichen Fronten als Herausforderungen wahrgenommen werden:
Nummer 1 ist die Veränderung der Energieerzeugung. Die gute Nachricht zuerst: Das Jahr 2023 kann getrost als kleiner Meilenstein auf Deutschlands Weg zur Klimaneutralität gelten. Erstmalig stieg der Anteil an erneuerbaren Energien am erzeugten Strom auf 56 Prozent, sprich auf mehr als die Hälfte an. Gewonnener Strom aus Windkraftanlagen (on- und offshore) dominierte hier mit einem Anteil von 31 Prozent, gefolgt von zwölf Prozent aus Photovoltaik.1 Der Abbau von fossilen Energien und das Substituieren durch erneuerbare Energien hat aber eine entscheidende Auswirkung. Erneuerbare Energieträger (explizit Sonne und Wind) sind volatil und nicht identisch verlässlich wie bisherige Kohle- und Atomkraftwerke. Die grundlegende Umstellung liegt also in dem Umstand, dass wir plötzlich nicht mehr nach Belieben Energie gemäß Nachfrage erzeugen können/werden, sondern dass sich die Verbraucherseite nun nach dem Angebot an verfügbarer Energie richten muss. Man kann sagen, eine 180-Grad-Kehrtwende.
Nummer 2 ist die zunehmende Elektrifizierung in zahlreichen Sektoren und Anwendungsfeldern. Neben dem bereits angesprochenen Strom betrifft das beispielsweise die Wärmeerzeugung durch den Einsatz von Wärmepumpen anstelle konventioneller Öl- oder Gasheizungen. Allseits bekannt sind auch die Ambitionen zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors durch die Elektrifizierung von Fahrzeugen als Alternative zu herkömmlichen Benzin- oder Dieselverbrennern. Obwohl der Bruttostromverbrauch in Deutschland seit 2010 mit damals 608 Terawattstunden kontinuierlich sinkt, jüngst auf 516 Terawattstunden im Jahr 2023,2 steht der Energiesektor durch die steigende Elektrifizierung vor neuen Herausforderungen. Denn mehr Verbraucher, die insbesondere zur selben Zeit Strom nachfragen, erzeugen Lastspitzen im Netz. In Kombination mit schwankenden Energiequellen hat dies negative Auswirkung auf die Netzstabilität und damit einhergehend auf die Versorgungssicherheit, die durch unzureichende Planung und Steuerung zu Versorgungsengpässen oder sogar zu Blackouts führen kann.
Nummer 3 ist der regulatorische Druck, der auf den Unternehmen lastet. Der europäische Grüne Deal (European Green Deal) und die ISO-50001-Zertifizierung sind in diesem Zuge die derzeit am häufigsten genannten Verabschiedungen. Die ehrgeizigen Ziele der EU wie die Klimaneutralität bis 2050, eine Senkung der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent und der Investitionsdruck in den Ausbau erneuerbarer Energien und grüner Technologien fordert die Unternehmen erheblich, da sie unter anderem ihre Produktionsprozesse, Lieferketten und Energieversorgung umstellen müssen.3 Parallel dazu werden alle Unternehmen mit einem jährlichen durchschnittlichen Gesamtendenergieverbauch von mehr als 7,5 Gigawattstunden pro Jahr verpflichtet, ihr Energiemanagementsystem gemäß der Norm DIN EN ISO 50001 einzurichten und zu betreiben.4 Kerngegenstand dieser Zertifizierung ist zum einen die Erfassung des Energieverbrauchs des Unternehmens, welchen es systematisch zu optimieren gilt. Zum anderen sind Maßnahmen zu ergreifen, die die Energieeffizienz kontinuierlich verbessern. Grundsätzlich sind diese Gesetze richtig und wichtig, weil sie Unternehmen dazu bewegen, schneller im Punkt der Nachhaltigkeit aktiv zu werden. Gleichzeitig lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass Unternehmen mit diesen Veränderungen vor neuen Herausforderungen stehen und hier und da auch Schwierigkeiten mit der Umsetzung haben.
All diese Veränderungen sind zu komplex und zu sehr miteinander verwoben, als dass wir sie noch manuell meistern könnten. Wir sind sowohl auf herkömmliche als auch auf innovative Technologien angewiesen, die den Energiesektor und ihre Akteure dabei unterstützen, erneuerbare Energien mit einer flexiblen Netzsteuerung zu integrieren. Denn flexibilisierte Netze ermöglichen ein effektives Lastmanagement, welches Lastspitzen vermeidet und somit zu Netzstabilität führt. All dies ist aber nur mit ausreichend Daten möglich. Datenerfassung, Datenverwertung, Datenverfügbarkeit: Das können - neben dem kontinuierlichen Ausbau von erneuerbaren Energien - entscheidende Treiber einer erfolgreichen Energiewende sein.
Künstliche Intelligenz hat in den letzten Jahren schon einiges in Bewegung gebracht, das für die genannten Herausforderungen erste innovative Lösungen bieten kann. Ein Lichtblick, der viel Hoffnung versprüht, denn diese Reise beginnt gerade erst, und Expertinnen sehen hier noch viele Chancen und Potenziale. Tauchen wir ein in die spannende Welt der Smart Grids.
Für mein Interview spreche ich mit Dr. Henry Keppler, Gründer von Ecoplanet. Henry hat an der TU München TUM-BWL studiert, war anschließend einige Jahre bei McKinsey als Berater tätig, bevor er nochmals an die Uni zurückging, um eine kumulative Dissertation zum Thema »Eigentum über den Lebenszyklus von Unternehmen« zu verfassen. Das in München sitzende Start-up Ecoplanet hat er erst nach der Promotion gemeinsam mit seinem Partner Maximilian Dekorsy gegründet. Mit großer Begeisterung habe ich bei Ecoplanet um ein Interview gebeten, denn für das Thema Twin Transformation ist Ecoplanet das perfekte Match. Ihre Mission ist es, mithilfe intelligenter Software Unternehmen zu Vorreitern der Energiewende zu machen.
»Wann verbrauche ich als Kunde wie viel Energie?«
Dr. Henry Keppler
Ecoplanet hat erkannt, dass die anstehende Energiewende mit ihren beschriebenen Herausforderungen Unternehmen enorm unter Druck setzt. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass für die meisten Unternehmen Energie nicht zum Kerngeschäft zählt. Das bedeutet, dass keine oder nicht ausreichend Ressourcen aufgebaut werden können, um der sich anbahnenden Komplexität gerecht zu werden. Hier springt Ecoplanet als innovatives Energie-Start-up ein. Der magische Ausgangspunkt für ihren ganzheitlichen Service, sagt Henry, ist die Frage: »Wann verbrauche ich als Kunde wie viel Energie?« Die Erfassung und anschließende Analyse dieser Daten ist die Absprungbasis für die folgenden drei Services, die Ecoplanet anbietet:
1) integrierte Beschaffungsstrategie von Strom,
2) effiziente Verbrauchssteuerung und
3) Erfüllung regulatorischer Berichtspflichten.
Schauen wir uns also näher an, wie diese Kernfrage mit den drei Leistungsbereichen zusammenhängt.
Ich führe am 2. August 2024 um 13.30 Uhr mein Interview mit Henry. Ich frage ihn gerade nach den Grenzkosten von erneuerbaren Energien, die meines Wissens im Gegensatz zu fossiler Energie bei null Euro liegen, da sagt er: »Ich schaue soeben in unser System, und gerade während unseres Gesprächs, kostet die Kilowattstunde Strom am Spotmarkt 6 Cent. Heute Abend wird sie bei 14,6 Cent liegen.« Von diesen volatilen Preisen macht Ecoplanet - zum Vorteil seiner Kundschaft - Gebrauch, indem es eine sogenannte personalisierte und verbrauchsoptimierte Beschaffungsstrategie anwendet. Was steckt genau dahinter?
Fixierte Strompreise waren bis 2020/2021 der Standard. Diese hatten den Vorteil, dass Endverbraucherinnen von Preisschwankungen unberührt blieben. Mit Corona und dem Angriffskrieg auf die Ukraine haben sich hier allerdings einige Veränderungen ergeben. Intelligente und flexible Tarife treten immer mehr in den Vordergrund. Diese zu nutzen kann große Vorteile haben, insbesondere für jene Verbraucher, die bei ihrem Energiebezug gewisse Flexibilität einräumen können/wollen. Im Fall von Ecoplanet kann das ganz konkret so aussehen: Sofern kundenseitig Energieverbrauchsdaten bereits erfasst werden, werden mithilfe der Ecoplanet-Software jene Lastenströme analysiert. Die Kundin erhält so den genauen Lastgang, zu welcher Zeit wie viel Strom benötigt wird. Zudem kann durch den Abgleich mit Marktdaten abgebildet werden, wie teuer und CO2-intensiv dieser Strom in den jeweiligen Zeitfenstern ist. Damit erfolgt die Visualisierung der Ausgangslage, welche für die Kundin in einem Dashboard zur Verfügung gestellt wird. Die Digitalisierung hilft Kunden also dabei, zu sehen und zu verstehen, zu welcher Zeit wie viel und durch welche Verbraucher/Maschinen in ihrem Unternehmen Energie bezogen wird.
Dieser Schritt ist vielleicht noch nicht rocket science, es folgt aber nun etwas Spannendes. Mithilfe der KI-Lösung Ember AI werden diese Lastgänge mit den Preisdaten des Spot- und Terminmarkts verglichen, und es können ökonomische und ökologische Potenziale aufgezeigt werden. Szenario 1...
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