2. KAPITEL
"Du hast ihr einen Job angeboten, einfach so?" Walt sah Dan fassungslos an. "Ohne ihren Hintergrund zu überprüfen und ohne ihre Zeugnisse anzuschauen?"
Dan mochte den Onkel seiner Exfrau sehr gerne. In den letzten paar Jahren wäre er ohne ihn nicht zurechtgekommen. Aber manchmal machte ihn Walts misstrauische Art rasend. "Hör doch auf, wie ein Privatdetektiv daherzureden."
Walt wandte sich wieder seinem Computerschachspiel zu. "Ich gebe zu, ihr Essen war fantastisch. Aber wir reden hier von deinen Kindern und deinem Zuhause!"
Dan wollte keine Einwände hören, die ihn daran hindern könnten, endlich wieder alle zusammen an einen Tisch zu bekommen. "Sie ist doch toll mit den Kindern umgegangen, das musst du zugeben!"
So schnell gab Walt nicht auf. "Lass dir wenigstens eine Bewerbung geben - und ich kann mit ein paar von den Leuten reden, für die sie gearbeitet hat."
"Erstens hat Gradys Frau sich für sie verbürgt. Anscheinend hat Emily regelmäßig Feiern für die Firma ausgerichtet, in der Alexis arbeitet. Weil sie das immer so unglaublich toll hingekriegt hat, hat Grady für das Büfett gestern Emily engagiert. Zweitens glaube ich nicht, dass Emily schon mal so einen Job gemacht hat."
Walt war noch nicht zufrieden. "Viel weißt du jedenfalls nicht von ihr."
Dan dachte daran, wie gelassen Emily über das Wochenendchaos hinweggegangen war, das sie bei ihrem Eintreffen in seinem Haus erwartet hatte. "Ich werde mir diese Gelegenheit jedenfalls nicht entgehen lassen. Das war heute Abend das erste entspannte gemeinsame Essen seit Jahren!"
Leise fluchend registrierte Walt den Spielzug seines virtuellen Gegners. "Für mich ist das alles kein ausreichender Grund, Ms. Stayton so mir nichts dir nichts einzustellen", versetzte er mürrisch, während er über seinen Gegenzug nachgrübelte.
"Walt, ich akzeptiere deine Einwände. Als Privatdetektiv hast du sicher Dinge gesehen, die ich mir nicht mal vorstellen kann. Aber ich vertraue Emily Stayton." Und zwar aus einem Bauchgefühl heraus, fügte er im Stillen hinzu. "Meine Entscheidung ist getroffen. Ich möchte sie als Köchin engagieren. Nicht als Haushälterin, sondern als persönliche Chefköchin. Und zwar für so viele Stunden am Tag, wie sie erübrigen kann." Am liebsten würde er sie für den ganzen Tag engagieren. "Und ich möchte nicht, dass du irgendetwas tust, um das zu verhindern, hast du mich verstanden?"
"Ich hoffe, du machst da keinen Fehler." Damit war das Thema für Walt beendet.
Dan hingegen dachte noch lange darüber nach. Er konnte es nicht erklären, aber rein intuitiv war er sich ganz sicher, dass Emily Stayton ihm helfen würde, seine familiären Probleme zu lösen. Und Dan war schon immer gut damit gefahren, seinem Bauchgefühl zu vertrauen.
Emily hatte versprochen, am Samstagmorgen um neun Uhr die Besprechung fortzusetzen. Sie erschien auf die Minute pünktlich. Als Dan ihr die Haustür öffnete, war er etwas überrascht. Eigentlich sah sie genauso aus wie am Abend vorher, nur ihr Teint wirkte nicht rosig und gesund, sondern blass, fast ein wenig grünlich.
"Alles in Ordnung?", fragte er.
Emily schluckte schwer und machte eine flüchtige Geste. "Das geht vorbei."
"Sind Sie krank?"
"Oh. Nein. Ich . ich . das Bad?" Das hörte sich sehr dringend an.
Dan eilte ihr voraus und öffnete die Tür. "Hier."
Sie drängte sich an ihm vorbei und schlug die Tür zu. Danach folgten die unmissverständlichen Geräusche, wenn sich jemand übergeben musste.
Von dem Tumult aufgescheucht, kamen die Kinder die Treppe heruntergepoltert. "Was ist denn los?"
"Ist jemand .?"
"Oh." Die drei sahen sich betreten an.
"Geht wieder hoch. Ich rufe euch dann."
Sie trollten sich wieder davon.
"Siehst du?", bemerkte Walt und kam mit seinem steifen Bein angehinkt. "Du weißt eben nichts von ihr. Ganz offensichtlich hat sie ein Problem. Morgens kannst du sie jedenfalls nicht einsetzen."
Die Badezimmertür ging auf und Emily kam heraus, noch immer blass und zittrig. Sie lehnte sich erschöpft gegen den Türrahmen. "Ehrlich gesagt, es könnte sein, dass Walt recht hat."
"Ich lasse euch beide mal allein!", sagte Walt und verzog sich ins Arbeitszimmer.
Dan führte Emily in die Küche und ließ sie auf einem Stuhl Platz nehmen. "Kann ich Ihnen irgendwas bringen? Ein Glas Wasser? Oder Magentropfen?"
Emily sah ihn dankbar an. "Vielleicht ein Glas Gingerale und Salzgebäck, falls Sie so etwas dahaben."
Während Dan ihr das Gewünschte brachte, zählte er zwei und zwei zusammen.
"Ich bin schwanger", bestätigte Emily mit schuldbewusstem Lächeln.
Daher also die weit geschnittenen Blusen. Und die relativ großen Brüste im Vergleich zu ihrem Körperbau.
"Na, dann Glückwunsch!"
"Danke." Sie nahm sich eine Salzbrezel.
"Im wievielten Monat sind Sie denn?"
Sie trank einen Schluck. "Im vierten."
"Und wer ist der Glückliche, wenn man fragen darf?"
Ihre blauen Augen blitzten unerwartet spitzbübisch. "Nummer 76549823-CBGT."
Dan blinzelte erstaunt. "Haben Sie sich an einen Roboter angeschlossen?"
Emilys melodiöses Lachen erfüllte die Küche. "Die Nummer einer Samenbank. Alles was ich vom Vater meines Babys weiß, ist, dass er einen IQ von über hundertvierzig hat und groß, blond und grünäugig ist. Und dass natürlich keinerlei Erbkrankheiten zu befürchten sind."
Fasziniert beobachtete er ihre weichen Lippen, während sie von dem Gingerale trank. Er hatte noch eine Menge Fragen, die jedoch alle indiskreter Natur waren.
"Ich bin fünfunddreißig, und ich wollte ein Kind, bevor es zu spät ist. Leider hat sich kein geeigneter Kandidat gefunden, und da habe ich die Dinge selbst in die Hand genommen."
"Und was ist mit Tex Ostrander?" Den Namen des Mannes hatte er gut behalten, der an ihrem Kummer von gestern Abend schuld war.
"Erinnern Sie mich bloß nicht an den!", sagte Emily und presste die Lippen zusammen.
Nach romantischen Gefühlen hörte sich das nicht an. "Haben Sie denn schon mit ihm geredet?", konnte er sich nicht verkneifen zu fragen.
"Nein, allerdings hat er mehrfach versucht mich anzurufen." Emily lehnte sich im Stuhl zurück. Allmählich bekam ihr Gesicht wieder seine gewohnte Farbe. "Um auf Ihr Angebot zurückzukommen. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich kann keinen permanenten Job annehmen. Allerdings bin ich bereit, auf einer befristeten Basis für Sie zu arbeiten."
Das war mehr, als Dan erwartet hatte. "Wie befristet?"
"Ich dachte, bis nach Thanksgiving. Das würde mir genug Zeit geben, die Probleme in Ihrer Familie herauszufinden - was das Essen anbelangt."
Vielleicht gab es die gar nicht. Vielleicht brauchten sie nur wieder eine Frau im Haus. "Ein Klacks für Sie, gestern Abend lief ja schon alles bestens."
Emily tat ihren Erfolg mit einer Handbewegung ab. "Das war eine außergewöhnliche Situation. Die Kinder sind überrascht worden, und sie hatten Hunger. Und da hat ihnen jemand ein warmes Essen auf den Tisch gestellt. Kein Wunder, dass sie mitgespielt haben."
"Und was für ein Essen!", sagte Dan voller Bewunderung.
Sein Mund fühlte sich trocken an, und er goss sich ebenfalls ein Glas Gingerale ein.
"Wie auch immer." Sie stützte beide Arme auf den Tisch und beugte sich vor. "Die Sache ist die, Ihre kompletten familiären Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass ich für Sie koche."
Um nicht zu sehr von ihrem verführerischen Duft und der weichen Fülle ihres Haars abgelenkt zu werden, lehnte Dan sich im Stuhl zurück. "Ich glaube, Sie unterschätzen Ihre Fähigkeiten."
"Und ich glaube, Sie unterschätzen Ihre Probleme", sagte Emily in scherzhaftem Ton. "Aber wir schweifen ab ."
Dan sah verwirrt aus. "Tun wir das?"
Ihr Blick wurde ernst. "Sie haben noch nicht gesagt, dass es Ihnen nichts ausmacht, dass ich schwanger bin", sagte sie mit sanfter Stimme.
Unwillkürlich ging Dans Blick zu der leichten Wölbung ihres Bauchs unter ihrer blau gemusterten Bluse, bevor er sie wieder ansah. "Warum sollte es mir etwas ausmachen?"
"Weil ich nicht verheiratet bin!?"
Und außerdem unglaublich sexy.
"Sie haben Kinder, und Kinder sind leicht zu beeindrucken", fügte Emily hinzu.
Und ich habe Lust, dich zu küssen .
Er zuckte die Achseln. "Sie sind eine erwachsene Frau."
Emily nagte an ihrer Unterlippe. "Nicht alle befürworten meine Entscheidung."
Es gefiel Dan, hier mit ihr in der Küche zu sitzen und ganz vertraut zu plaudern, als würden sie sich schon seit Jahren kennen und nicht erst seit ein paar Stunden. "Nicht alle befürworten eine Scheidung. Die Dinge passieren eben." Alte Träume verblassen, neue treten an ihre Stelle. "Was mich...