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Nach zwei Meilen zu Fuß erreichte er eine Stadt. An der Ortsgrenze stand ein Schild mit der Aufschrift: Haneyville, 1400 Einw. Das war gut, eine perfekte Größe. Es war noch früh am Morgen. Er hatte diese Zeit für den Zwei-Meilen-Marsch gewählt, weil es dann kühler war, und noch niemand auf der Straße. Im schwachen Morgenlicht ging er an mehreren Häuserblocks vorbei, verwirrt von der Fremdheit - nervös und auch ein wenig verängstigt. Er versuchte, nicht daran zu denken, was er tun würde. Darüber hatte er sich schon genug den Kopf zerbrochen.
In dem kleinen Geschäftsviertel fand er, was er suchte, einen winzigen Laden namens The Jewel Box. Nicht weit davon entfernt, an einer Straßenecke, stand eine grüne Holzbank, auf die er sich setzte. Sein Körper schmerzte von der Anstrengung des langen Gehens.
Ein paar Minuten später sah er ein menschliches Wesen.
Es war eine Frau, eine müde wirkende Frau in einem weiten blauen Kleid, die über die Straße auf ihn zuschlurf?te. Verblüfft wandte er den Blick ab. Sie sah irgendwie falsch aus. Er hatte geglaubt, dass sie etwa seine Größe haben würden, doch die hier war mehr als einen Kopf kleiner als er. Ihre Haut war rötlicher als erwartet und dunkler. Und auch das Äußere, das Gefühl, war seltsam - obwohl ihm bewusst war, dass sie anders aussehen würden als im Fernsehen.
Schließlich tauchten weitere Menschen auf der Straße auf, und alle waren mehr oder weniger gleich. Er hörte einen Mann im Vorübergehen: ». wie gesagt, solche Wagen bauen sie nicht mehr.« Zwar war die Aussprache eigenartig, weniger klar, als er erwartet hatte, trotzdem hatte er keine Probleme, den Mann zu verstehen.
Mehrere Menschen starrten ihn an, manche misstrauisch, aber das beunruhigte ihn nicht. Er rechnete nicht damit, dass man ihn belästigen würde, und nachdem er die anderen gemustert hatte, war er überzeugt, dass seine Kleidung einer Überprüfung würde standhalten können.
Als der Juwelierladen öffnete, wartete er zehn Minuten und trat dann ein. Hinter dem Tresen war ein untersetzter, rundlicher Mann mit weißem Hemd und Krawatte dabei, die Regale abzustauben. Der Mann hielt inne, musterte ihn einen Augenblick, ein wenig eigentümlich, und sagte dann: »Ja, Sir?«
Er fühlte sich übergroß, unbehaglich. Und plötzlich voller Angst. Er öffnete den Mund, um zu antworten. Es kam nichts heraus. Er versuchte zu lächeln, doch sein Gesicht schien zu erstarren. Tief im Innern spürte er einen Anflug von Panik, und einen Moment lang glaubte er, das Bewusstsein zu verlieren.
Der Mann starrte ihn immer noch an, sein Blick war unverändert. »Ja, Sir?«, wiederholte er.
Mit großer Willensanstrengung gelang es ihm zu sprechen. »Ich . ich würde gern wissen, ob Sie an diesem . Ring interessiert wären?« Wie viele Male hatte er diese harmlose Frage geplant, sie sich ein ums andere Mal vorgesagt? Und trotzdem hallte sie nun seltsam in seinen Ohren wider wie eine lächerliche Aneinanderreihung sinnloser Silben.
Der andere Mann starrte ihn weiter an. »Welchen Ring?«, fragte er.
»Oh!« Irgendwie brachte er ein Lächeln zustande. Er zog den goldenen Ring vom Finger der linken Hand und legte ihn auf den Tresen, voller Angst, die Hand des Mannes zu berühren. »Ich . bin auf der Durchreise. Mein Wagen hat eine Panne, ein paar Meilen die Straße runter. Ich habe kein Geld bei mir und dachte, vielleicht kann ich den Ring verkaufen. Er ist ziemlich wertvoll.«
Der Mann drehte den Ring in seinen Händen hin und her und betrachtete ihn argwöhnisch. Schließlich fragte er: »Wo haben Sie den her?«
Die Art, wie der Mann es sagte, schnürte ihm die Kehle zu. Stimmte irgendwas nicht? Die Farbe des Goldes? Etwas an dem Diamanten? Erneut versuchte er zu lächeln. »Meine Frau hat ihn mir geschenkt. Ist schon ein paar Jahre her.«
Das Gesicht des Mannes war immer noch undurchschaubar. »Woher soll ich wissen, dass er nicht gestohlen ist?«
»Oh.« Die Erleichterung war überwältigend. »Mein Name steht drauf.« Er fummelte seine Brief?tasche aus der Brusttasche. »Und ich habe einen Ausweis dabei.« Er nahm den Pass heraus und legte ihn auf den Tresen.
Der Mann betrachtete den Ring und las laut vor: »T.J. von Marie Newton, zum Hochzeitstag 1982« und dann »18 K«. Er legte den Ring zurück, griff nach dem Pass und blätterte darin. »England?«
»Ja. Ich bin Dolmetscher bei den Vereinten Nationen. Das ist meine erste Reise in diese Gegend. Ich versuche, mir das Land anzusehen.«
»Hmmm«, sagte der Mann und musterte erneut den Pass. »Dachte ich doch gleich, dass Sie einen Akzent haben.« Als er das Bild fand, las er den Namen vor. »Thomas Jerome Newton« und sah dann wieder auf. »Keine Frage. Das sind Sie, eindeutig.«
Wieder verzog er den Mund zu einem Lächeln, und dieses Mal war es entspannter und echter, obwohl ihm immer noch schwindlig war und er sich komisch fühlte - immer war da dieses entsetzliche Gewicht seines Körpers, Gewicht, das von der bleiernen Schwerkraft dieser Welt rührte. Trotzdem schaffte er es, freundlich zu fragen: »Nun, hätten Sie dann vielleicht Interesse an dem Ring?«
Er bekam sechzig Dollar und wusste, dass er übers Ohr gehauen worden war. Doch was er jetzt hatte, war ihm mehr wert als der Ring, und mehr als die Hunderte von identischen Ringen in seinem Gepäck. Es regten sich die ersten Anzeichen von Zuversicht, und er hatte Geld.
Mit einem Teil davon kauf?te er ein halbes Pfund Schinkenspeck, sechs Eier, Brot, ein paar Kartoffeln, Reis, etwas Gemüse - alles zusammen etwa fünf Kilo; mehr konnte er nicht tragen. Sein Auf?tauchen löste eine gewisse Neugier aus, doch niemand stellte Fragen, und von sich aus gab er keine Erklärungen ab. Es spielte keine Rolle; er würde in diese Stadt in Kentucky nie wieder zurückkehren.
Als er sie verließ, fühlte er sich einigermaßen gut, trotz des Gewichts und der Schmerzen in seinen Gelenken und im Rücken, denn er hatte den ersten Schritt geschafft, hatte einen Anfang gemacht und besaß jetzt sein erstes amerikanisches Geld. Doch als er eine Meile von der Stadt entfernt durch ein kahles Feld auf die niedrigen Hügel zulief, wo sein Lager war, überwältigte ihn plötzlich alles wie ein furchtbarer Schock - die Fremdartigkeit des Ganzen, die Gefahr, der körperliche Schmerz, die Unruhe. Er fiel zu Boden und blieb liegen, während Leib und Seele gegen die Gewalt rebellierten, die ihnen von dieser seltsamsten, fremdesten und abartigsten aller Welten angetan wurde.
Er war krank; krank von der langen, gefährlichen Reise, die er unternommen hatte, krank von all den Medikamenten - den Pillen, den Impfungen, den inhalierten Giften -, krank vor Sorge, der Vorahnung einer Katastrophe, und gebeutelt von der entsetzlichen Last seines eigenen Gewichts. Seit Jahren hatte er gewusst, dass er so etwas wie das hier spüren würde, wenn der Augenblick gekommen war, wenn er endlich gelandet wäre und anfinge, den komplexen, seit Langem vorbereiteten Plan umzusetzen. Diese Welt, wie intensiv er sie auch studiert, wie oft er seinen Part darin geprobt haben mochte, war so unglaublich exotisch, das Gefühl, jetzt, da er fühlen konnte, dieses Gefühl war einfach überwältigend. Er lag im Gras und übergab sich.
Er war kein Mensch, hatte aber große Ähnlichkeit mit menschlichen Wesen. Er war knapp zwei Meter groß, und manche Menschen sind noch größer. Sein bis über die Ohren fallendes Haar war so weiß wie das eines Albinos, das Gesicht hingegen leicht gebräunt mit blassblauen Augen. Er machte einen extrem schlanken Eindruck, mit feinen Zügen, langen, schmalen Fingern und einer fast durchsichtigen Haut, unbehaart. Sein Gesicht hatte etwas Elfenhaftes, die großen, intelligenten Augen blitzten beinahe kindlich. Alles in allem machte er einen ziemlich jugendlichen Eindruck.
Es gab noch andere Unterschiede. Seine Fingernägel zum Beispiel waren künstlich, von Natur aus hatte er keine. Beide Füße hatten nur vier Zehen; Blinddarm und Weisheitszähne fehlten ganz. Er würde nie einen Schluckauf haben, denn sein Zwerchfell war wie der Rest seines hochentwickelten Atmungsapparats extrem robust. Die Brustausdehnung lag beim Atmen bei circa zwölf Zentimetern, und er war extrem leicht, wog nur um die vierzig Kilo.
Aber er hatte Wimpern, Augenbrauen, zwei entgegengesetzte Daumen, konnte mit beiden Augen sehen und hatte noch zahllose andere physiologische Merkmale eines normalen menschlichen Wesens. Er hätte keine Warzen entwickeln können, dafür jedoch Magengeschwüre, Masern oder Karies. Er war menschlich, aber nicht wirklich ein Mensch. Und wie ein Mensch war er anfällig für Liebe, Angst, heftigen körperlichen Schmerz und Selbstmitleid.
Nach einer halben Stunde ging es ihm besser. Sein Magen bebte noch immer, und er hatte das Gefühl, den Kopf nicht heben zu können, doch er spürte auch, dass die erste Krise überstanden war, und fing an, die Welt ringsum objektiver zu betrachten. Er setzte sich auf und blickte über das Feld, auf dem er sich befand. Es war eine schmutzige, flache Weide, mit kleinen Büscheln von verwelktem Horstgras, Unkraut und überall Flecken von glasigem, wieder gefrorenem Schnee. Die Luft war ziemlich klar und der Himmel bewölkt,...
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