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Die deutsch-dänische Grenze
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf dem Kandidatenstuhl in Günther Jauchs Quizsendung "Wer wird Millionär?" und bekommen zum Beispiel bei 32.000 Euro die Frage gestellt: "Wo befindet sich die Kimbrische Halbinsel?" Antwortmöglichkeiten: A in Osteuropa, B in Südeuropa, C in Westeuropa und D in Nordeuropa. Hätten Sie es gewusst? Als Telefonjoker hätte ich es Ihnen sagen können: Antwort D! Das weiß ich aber auch erst, seit ich mich mit der Grenze zu unseren dänischen Nachbarn beschäftigt habe.
Die kimbrische Halbinsel
Als kimbrische Halbinsel bezeichnet man das Gebiet zwischen Ostsee und Nordsee, das sich von der Elbmündung im Süden über eine Länge von ca. 450 Kilometer bis nach Kap Skagen auf Vendsyssel-Thy im Norden erstreckt und den kontinentaleuropäischen Teil Dänemarks sowie den Großteil des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein und den nordelbischen Teil Hamburgs umfasst.
Die Bezeichnung Kimbrische Halbinsel ist älter als der Begriff Jütland und bereits seit der Antike bekannt. Sie leitet sich von dem seit Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. bekannten germanischen Volk der Kimbern ab. Ob diese tatsächlich die Halbinsel besiedelten oder die nahe gelegene Elbmündung, ist wegen der dürftigen antiken Quellenlage nicht mit Bestimmtheit zu sagen.
Jütland (dänisch: Jylland) ist heute der üblichere geografische Begriff, der zwar den größten, aber nur den heute oder früher dänischen Teil bis zur Eider bezeichnet. Kimbrische Halbinsel (dänisch: Kimbrernes Halvø) findet sich in älteren Geschichts- und Geografiewerken, wird aber auch heute noch verwendet, um die Gesamtheit der Halbinsel vom nördlichen Teil bis zur Eider umfassenden Teil von Jütland zu unterscheiden.
Die 69 Kilometer lange deutsch-dänische Grenze ist die kürzeste zu Deutschlands Nachbarn und erstreckt sich ungefähr auf der Hälfte der Kimbrischen Halbinsel von der Nordsee bis zur Ostsee. Um genau zu sein, bis zur Flensburger Förde, einer Ausbuchtung der Ostsee. So kurz die deutsch-dänische Grenze auch ist, so lang ist ihre Entstehungsgeschichte.
Historie
Schon im 12. Jahrhundert wurde das Herzogtum Schleswig gegründet, das bis 1864 zu Dänemark gehörte. Viele Jahrhunderte lebten die Menschen dort friedlich miteinander. Im 19. Jahrhundert wuchs in Europa der Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit - auch in Schleswig und Holstein. Zwei Gruppen hatten dabei unterschiedliche Ziele: Die "Schleswig-Holsteiner" wollten, dass Schleswig zum Deutschen Bund gehört. Die "Eiderdänen" wollten hingegen, dass Schleswig direkt zu Dänemark kommt. Das führte zu politischen Spannungen.
1864 kam es zum Krieg zwischen Dänemark und dem Deutschen Bund. Preußen und Österreich siegten gemeinsam und übernahmen die Verwaltung von Schleswig-Holstein. Zwei Jahre später brach der Streit zwischen Preußen und Österreich aus, woraufhin Preußen allein die Kontrolle übernahm. Im Friedensvertrag von 1866 versprach Preußen, in Nordschleswig eine Volksabstimmung zur Zugehörigkeit durchzuführen - das geschah aber nie. Erst 1907 wurde die Grenze von 1864 offiziell von beiden Ländern anerkannt.
Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem Dänemark nicht teilnahm, wurde im Versailler Vertrag eine neue Abstimmung in Schleswig beschlossen. Darin wurde auch das Verfahren geregelt: Eine internationale Kommission mit Vertretern aus England, Frankreich, Norwegen und Schweden überwachte den Verlauf der Abstimmung, die in zwei Zonen erfolgen sollte. Dabei spielte der dänische Historiker Hans Victor Clausen eine große Rolle: Er hatte eine Linie vorgeschlagen - die sogenannte "Clausen-Linie" - die sprachliche und kulturelle Unterschiede zwischen deutschen und dänischen Gebieten zeigen sollte. Diese Linie beeinflusste die neue Grenzziehung stark.
1920 fanden dann die Volksabstimmungen statt. Es gab zwei Zonen: In Zone I (im Norden) wurde das Ergebnis gesamt gezählt - 75 Prozent stimmten für Dänemark. In Zone II (weiter südlich) wurde gemeindeweise gezählt - 80 Prozent stimmten für Deutschland.
Obwohl einige Orte in Zone I eine deutsche Mehrheit hatten (wie Tondern oder Ubjerg), kamen sie trotzdem zu Dänemark, weil nur das Gesamtergebnis der Zone zählte. Ein deutscher Historiker, Johannes Tiedje, schlug eine andere Grenzziehung vor, um die Minderheiten auf beiden Seiten ausgewogener zu gestalten, doch dieser Plan setzte sich nicht durch.
Die neue Grenze trat am 1. Januar 1921 offiziell in Kraft und wurde mit 279 Grenzsteinen markiert. Seitdem gibt es auf beiden Seiten der Grenze nationale Minderheiten: Deutsche in Dänemark und Dänen in Deutschland. Beide pflegen ihre Kultur mit Schulen und Kindergärten. Schon nach 1864 wanderten viele Menschen aus Schleswig aus - je nach politischer oder kultureller Überzeugung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Verhältnis zwischen Deutschland und Dänemark zunächst schwierig. 1955 sicherten beide Regierungen aber in Erklärungen die Rechte ihrer jeweiligen Minderheiten zu. Diese "Bonn-Kopenhagener Erklärungen" gelten bis heute als wichtige Grundlage für das gute Miteinander. Unter anderem hatten sie zur Folge, dass die Partei der dänischen Minderheit in Deutschland, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), von der 5-%-Klausel bei Landtags- und Bundestagswahlen befreit ist. So ist er seit 2022 im Kieler Landtag mit vier Abgeordneten und seit 2025 im Bundestag mit einem Mandat vertreten.
Ab den 1960er Jahren begannen grenzüberschreitende Kooperationen - von Umweltschutzprojekten bis hin zu gemeinsamen Kulturveranstaltungen. In den 1980er Jahren halfen auch EU-Förderprogramme dabei, die Zusammenarbeit zu stärken. Heute gibt es eine feste regionale Kooperation namens Region Sønderjylland-Schleswig, die viele gemeinsame Projekte umsetzt.
Seit dem Schengener Abkommen im Jahr 2001 gibt es keine festen Grenzkontrollen mehr - die Grenze ist kaum noch sichtbar. Sie hat ihre trennende Wirkung längst verloren. Davon konnte ich mich bei der Bereisung der Grenze überzeugen. Leider hat sich inzwischen die Weltlage derart verändert, dass viele EU-Länder die Grenzkontrollen - wenn auch stichprobenhaft - wieder eingeführt haben.
Deutschlands nördlichster Punkt am Ellenbogen
Bevor ich am westlichsten Punkt an der Nordsee beginne, mache ich einen Schlenker über die Insel Sylt. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe. Erstens: Im Verlaufe meiner Deutschlandumrundung werde ich auf die östlichste, die südlichste und die westlichste Gemeinde Deutschlands treffen. Da liegt es nahe, auch die nördlichste, nämlich die Gemeinde List auf Sylt, zu besuchen. Und diese liegt eben nicht an einer Landgrenze.
Ein weiterer Grund liegt in der Erreichbarkeit der Insel Sylt. Denn die Grenzziehung von 1920 hatte darauf einen einschneidenden Einfluss. Sie ist vom deutschen Festland aus nur über den elf Kilometer langen Hindenburgdamm per Bahn zu erreichen. Die Errichtung dieses Damms hat unmittelbar mit dem neuen Grenzverlauf zu tun. Vorher war die Insel nur per Schiff vom damals nordschleswigschen Hoyer aus zu erreichen. Da Hoyer aber dänisch wurde, gestaltete sich die Überfahrt schwieriger, weil man nun Pass- und Zollkontrollen über sich ergehen lassen musste und ein Visum benötigte. Wer sich per Bahn auf den Weg nach Sylt machte, brauchte zwar ab 1922 kein Visum mehr, aber der Zug wurde auf dem letzten deutschen Bahnhof verschlossen und plombiert und konnte nur so ungehindert von Kontrollen bis Hoyerschleuse durchfahren. Von hier fuhren dann die Fähren nach Munkmarsch auf Sylt.
Es gab schon vor 1920 Bestrebungen, Sylt tideunabhängig erreichbar zu machen. Aber der neue Grenzverlauf führte nun zu einer Beschleunigung der Planungen für den Bau eines Eisenbahndammes, der am 1. Juli 1927 eröffnet werden konnte.
Nach meiner Fahrt mit dem Zug über den Hindenburgdamm fahre ich nach Munkmarsch, dem ehemaligen Fährhafen für Sylt, der schließlich mit der Eröffnung des Dammes bedeutungslos wurde. Der Hafen wird heute als Marina eines privaten Yachtclubs benutzt und ist der Öffentlichkeit nur eingeschränkt zugänglich. Das unmittelbar am Hafen liegende ehemalige Fährhaus, welches 1869 von Kapitän und Postschiffer Thomas Selmer als Posthalterei, Quartier und Aufenthaltsraum für die hier ankommenden und abfahrenden Passagiere errichtet worden war, wurde bis in die 1980er Jahre als Ausflugsrestaurant genutzt. Nach langjährigem Leerstand ist es nunmehr seit einigen Jahren ein Luxushotel mit Restaurant.
Luxus gönne ich mir heute nicht, sondern fahre weiter nach List, der nördlichsten Gemeinde Deutschlands. Der Superlativ "nördlichste" begegnet einem hier in allen möglichen Variationen: der nördlichste Leuchtturm, das nördlichste Privathaus, die...
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