Schweitzer Fachinformationen
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Und dann werden wir tanzen: Drei mutige Frauen, die durch unverbrüchliche Freundschaft überleben.
2024: Juni Bjerke erhält einen Anruf. Erst jetzt erfährt sie vom Schicksal der geliebten Freundinnen ihrer Großmutter Tekla.
1944: Norwegen ist von den Deutschen besetzt. Die junge Krankenschwester Birgit begegnet der 16-jährigen Nadia, die aus der Ukraine zur Zwangsarbeit in der Fischfabrik verschleppt wurde. Als Birgit sich dem Widerstand anschließt und Nadia einen Kollaborateur trifft, geraten sie in höchste Gefahr. Ihre Geheimnisse teilen sie nur mit dem 'Deutschenmädchen' Tekla. Weit über den Krieg hinaus müssen die Freundinnen Entscheidungen fällen, die noch das Leben ihrer Kinder und Enkel prägen werden.
Was uns bis heute prägt: Von Menschlichkeit in schweren Zeiten und dem Aufbau einer neuen Zukunft – der große neue Roman der norwegischen Erfolgsautorin.
"Erzählen ist wichtig. Um selbst leben zu können, müssen wir wissen, was unsere Familien erlebt haben. Die Kriegserlebnisse von Frauen sind dabei genauso dramatisch wie die der Männer. Die Historiker haben die Frauen im Stich gelassen. Was ich suche, ist das, was verschwiegen wurde." Trude Teige
Eine junge Widerstandskämpferin, eine Zwangsarbeiterin und ein "Deutschenmädchen" werden zu Schicksalsfreundinnen.
"[...] bewegend und rührend zugleich"
Trude Teige ist eine der bekanntesten Autorinnen, TV-Moderatorinnen und Journalistinnen Norwegens. In ihren Romanen bietet sie einen bewegenden Einblick in unbekannte Stücke unserer Geschichte und zeigt, wie das Schicksal auch die folgenden Generationen prägt. Ihre Werke standen monatelang auf den SPIEGEL-Bestsellerlisten und werden in viele Sprachen übersetzt. Trude Teige hat drei erwachsene Kinder und lebt mit ihrer Familie am Oslofjord und in Grimstad in Südnorwegen.
Günther Frauenlob ist Übersetzer, Moderator und Literaturagent. Er überträgt erzählende Literatur und Sachbücher aus dem Norwegischen und Dänischen. Daneben gehört er der Redaktion der Zeitschrift »Aqua viva« an. Frauenlob ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in Waldkirch.
Bodø, 11. Januar
Birgit Johansen stellte ihre beiden Koffer auf dem Kai ab, zog sich den Glockenhut tiefer über die Ohren und band sich den Schal fester um den Hals. Der Schnee schlug ihr ins Gesicht, dass sie die Augen kaum aufhalten konnte, und der Wind raubte ihr den Atem, wenn sie den Mund öffnete.
Auf dem Anleger herrschte hektische Aktivität. Taue liefen knirschend über die Flaschenzüge, mit denen Kisten und Tonnen unter lautem Getöse verladen wurden, begleitet von Kommandorufen auf Deutsch und Norwegisch. Obwohl es erst früher Nachmittag war, war das Tageslicht bereits verschwunden, allein die Lichter des Liniendampfers, mit dem sie gekommen war, und einige Scheinwerfer auf dem Hafengebäude durchbrachen die Dunkelheit.
Das Krankenhaus von Bodø suchte Krankenschwestern, und in ihrer Vorstellung hatte Birgit eine zerbombte Stadt vor sich gesehen, in der sie wirklich gebraucht wurde. Sie wollte für eine Weile aus Oslo weg, die Erinnerungen an Ilja hinter sich lassen. Erst im Zug über das Dovrefjell nach Trondheim und von dort weiter nach Mosjøen, und dann per Schiff nach Bodø, war ihr bewusst geworden, wie sehr sie sich ins Unbekannte vorwagte. Doch da war es für Reue zu spät gewesen.
Jetzt stand sie hier inmitten der eisigen Einöde, nördlich des Polarkreises, wo sie keine Menschenseele kannte. Hatte sie wirklich gedacht, die Trauer würde weniger, je weiter sie davonlief?
»Entschuldigung, aber können Sie mir sagen, wo das Krankenhaus ist?«, fragte sie einen Mann, der an ihr vorbeiging.
Er zeigte ins Schneegestöber. »Immer geradeaus, den Hügel hoch und dann nach links. Es ist ein großes Gebäude, das Sie kaum übersehen können, selbst bei so schlechter Sicht wie heute.«
»Dauert es lang dorthin?«
»Na ja, normalerweise sind es so zehn Minuten, aber bei dem Wetter .«
Sie hielt sich dicht an den vom Schneepflug aufgeworfenen Wall am Straßenrand, um nicht auf Abwege zu gelangen. Überall in der Stadt lärmte und heulte es, sie hatte so etwas noch nie gehört, es klang, als würde die Stadt jammern.
Birgit senkte den Kopf und kämpfte sich voran. Nach einer Weile schaffte sie es nicht mehr, die beiden Koffer weiter zu tragen, und zog sie stattdessen durch den tiefen Schnee hinter sich her. Für einen Moment ging das, doch bald waren ihre Finger trotz der dicken Handschuhe eiskalt. Sie rieb die Hände aneinander und steckte sie in die Manteltaschen.
Während sie so dastand, begriff sie mit einem Mal, woher das Jammern kam. Aus den Ruinen ragten noch die schwarzen Schornsteine empor, auf denen der Wind wie auf Orgelpfeifen sein unharmonisches Klagelied spielte. Ihr Weg führte an eingestürzten Häusern vorbei, anderen fehlten Dächer und Fenster. Kaum ein Gebäude war noch heil, doch auf den Schuttflächen daneben waren niedrige Baracken errichtet worden. In einem Garten standen zwei verkohlte Bäume. Seltsamerweise war der weiße Lattenzaun zur Straße noch intakt. Eine steinerne Treppe führte ins Leere.
Birgit hatte erwartet, dass inzwischen, vier Jahre nach den Bombenangriffen, ein Gutteil der Stadt wiederaufgebaut sein würde. Es hieß, Ziel des Angriffs damals seien die Sendeanlagen des norwegischen Rundfunks in Bodø gewesen. Sie waren so stark, dass nach der Flucht des Königs und der aus dem Osloer Sendezentrum per Radio proklamierten Machtübernahme des norwegischen Naziführers Quisling im ganzen Land noch für ein paar Wochen unzensierte Nachrichten zu hören gewesen waren.
Drei kleine Jungs bauten am Straßenrand Schneehöhlen und lachten, als wären das Wetter und die Umstände ganz normal. Plötzlich blieben sie stehen und starrten auf etwas in Birgits Rücken. Als sie sich umdrehte, sah sie aus dem Schneetreiben einen Schatten auftauchen, der größer und größer wurde und sich schließlich als graue Menschenmenge entpuppte. Männer in zerrissenen Mänteln gingen in Zweierreihen, die Mützen tief in die Augen gezogen. Sie wurden von deutschen Soldaten bewacht und strichen so dicht an ihr vorbei, dass sie sie hätte berühren können. Einige hinkten, ein Mann konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und wurde von zwei anderen gestützt. Birgit starrte überrascht auf seine spitze Mütze. Die Ohrenklappen waren nach unten geklappt und unter dem Kinn verschnürt. Das war eine Budjonowka. Ilja hatte ihr einmal erzählt, dass diese Revolutionsmütze zu einem Symbol für die Rote Armee geworden war. Und wirklich, viele der Männer trugen solche Mützen.
Waren tatsächlich Russen hier?
Der Zug war lang, er bestand sicher aus mehr als hundert Männern. Einer hatte den Anschluss verloren und schleppte sich den anderen hinterher. Als er sie sah, streckte er die Hand aus. »Essen?«, fragte er auf Norwegisch.
Birgit schüttelte den Kopf. »Wy russkij? Sind Sie Russe?«
Er sah sie überrascht an. »Da. Ty tosche? Ja, du auch?«
Sie schüttelte den Kopf, konnte aber nichts mehr erwidern, bevor ein deutscher Soldat dem Mann den Gewehrkolben in den Rücken stieß, so dass er vornüberstürzte. Als er sich wieder aufrappelte und Birgit ansah, versetzte es ihr einen Stich. In seinen Augen lag pure Verzweiflung.
Die lange Reise gen Norden hatte vor bald einem halben Jahr begonnen, als sie eines Tages Arm in Arm mit ihren Freundinnen Tekla und Annelise über die Stortingsgata in Oslo spaziert war.
Birgit hatte auf das große Banner gezeigt, das unter den Fenstern des Parlamentsgebäudes hing.
DEUTSCHLAND SIEGT AN ALLEN FRONTEN.
»Das stimmt nicht«, sagte sie. »Die Deutschen sind nicht mehr überall auf dem Vormarsch.«
Oben auf dem Gebäude wehte die Hakenkreuzflagge in der milden Septemberbrise, und vor dem Haus hielten deutsche Soldaten Wache.
»Das ist nur die Propaganda der Alliierten«, wandte Annelise ein.
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«, fragte Tekla.
»Vater liest deutsche Zeitungen, und die schreiben etwas ganz anderes.«
»Vielleicht ist das ja die Propaganda der Deutschen«, gab Birgit zu bedenken.
Birgit und Tekla waren beide in Kragerø aufgewachsen, während Annelise aus Oslo stammte. Ihre Familie hatte aber ein Landhaus im Schärengarten von Kragerø, und die drei Mädchen verbrachten seit vielen Jahren die Sommer gemeinsam. Tekla wohnte noch immer in Kragerø, während Birgit und Annelise frisch examinierte Krankenschwestern waren und im Reichshospital in Oslo arbeiteten.
»Kommt mit«, sagte Annelise und zog sie in eine Seitenstraße.
»Wohin denn?«, fragte Tekla.
Annelise blieb vor einer Tür stehen, über der eine rote Flagge mit schwarzem Hakenkreuz wehte. Einige Frauen schoben sich an ihnen vorbei und verschwanden im Haus.
»Überall in Europa sterben Soldaten, und es fehlt an Krankenschwestern«, sagte Annelise. »Ich habe in der letzten Zeit viel darüber nachgedacht.«
»Ich nicht«, sagte Birgit. »Ich könnte mir niemals vorstellen, für die Deutschen zu arbeiten.«
»Es ist das Rote Kreuz, das die Krankenschwestern hinter die Front schickt, nicht die Deutschen. Außerdem geht es darum, allen Hilfe zu leisten, die Hilfe brauchen«, antwortete Annelise. »Kommt mit rein, es schadet ja nicht, uns mal anzuhören, was sie sagen.«
Birgit zog die Augenbrauen hoch und sah Tekla fragend an, aber Annelise zog sie weiter, so dass sie ihr schließlich zögernd folgten.
Sie kamen in einen großen bestuhlten Raum mit einer Bühne und einem Rednerpult. Im gleichen Augenblick sah Birgit eine Frau, die sie kannte.
»Guck mal«, sagte sie und stieß Annelise an.
»Wer ist das?«, fragte Tekla.
»Das ist Oberschwester Gundersen«, antwortete Birgit. »Ist sie eine Anhängerin der Nazis? Das hätte ich nicht gedacht.«
Anstelle des Schwesternkittels trug die Oberschwester eine grüne Bluse mit einer einreihigen grünen Jacke und einem braunen Gürtel. Am linken Arm war ein viereckiger Aufnäher mit dem Sonnenkreuz, dem Emblem der norwegischen Nationalsozialisten, auf weißem Grund, und auf dem Kopf trug sie ein blaues Schiffchen. Alle sahen zu ihr, als sie zum Rednerpult ging und dort ein paar Sekunden schweigend stehen blieb und die Menge musterte.
»Lasst uns ehrlich sein. Der Krieg fordert seinen Tribut. Junge Männer, darunter auch junge Norweger, riskieren ihr Leben für unsere Zukunft. Europa brennt, und überall fehlt es an medizinischem Personal.« Sie verlieh ihrer Stimme mehr Nachdruck: »Ihr könnt den Unterschied ausmachen.«
In der ersten Reihe begann jemand zu klatschen, dann fielen andere ein, darunter auch Annelise.
»Liebe Mitschwestern«, fuhr Oberschwester Gundersen leiser fort, wies mit einer dramatischen Geste Richtung Fenster und erhob ihre Stimme erneut: »Da draußen in Europa werden gerade die entscheidenden Schlachten geschlagen. Es geht nicht um Politik oder Ideologie, es geht um Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe. Ich fordere euch alle auf, euch für den Dienst zu melden!«
Kaum dass die Oberschwester das Rednerpult verlassen hatte, stand Birgit auf. Annelise packte sie am Arm. »Wohin willst du?«, fragte sie flüsternd.
»Raus. Ich bekomme hier keine Luft.«
»Ich auch nicht«, sagte Tekla.
Die beiden verließen die Zusammenkunft, doch Annelise...
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