Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Außergewöhnliche Freundschaftsgeschichte mit Tiefgang und Humor von Mina Teichert.
Winnis größter Wunsch ist es, bei diesem Tanzwettbewerb zu gewinnen. Deshalb färbt sie sich ihre Haare pink und verbringt jede freie Minute mit Tanzen. Da kommt ihr Fiete alles andere als gelegen. Er ist zur Reha auf Winnis Heimat-Insel und hat in etwa die Coolness einer Wassermelone. Doch als einige Inseltiere verschwinden, machen sich die beiden zusammen mit Winnies zahmer Möwe Chickenwing auf, um dem Übeltäter auf die Spur zu kommen. Fiete gerät bei dieser Aktion jedoch in Lebensgefahr und Winni muss feststellen, dass sie ihn lieber hat als geplant. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit .
Es gibt so Tage, die muss man sich einfach schönfärben. Wenn einen das Pech verfolgt und ständig alles schiefgeht zum Beispiel. Seit gestern ist Chickenwing, meine zahme Möwe, verschwunden und das, obwohl sie keine fünf Meter weit fliegen kann. Das nenn ich ein echtes Unglück. Und dann hat mein letztes Tanz-Video auf meinem Vlog nur sechzig Likes bekommen. Wenig, wenn man sonst mehr als zweihundert hat. Also gehe ich davon aus, dass es grottenschlecht ist.
Ich werfe einen weiteren Blick auf meinen Monitor und drücke auf Aktualisieren. Der Bildschirm baut sich neu auf und ich halte gespannt die Luft an. Na toll! Jetzt sind es einundsechzig. Auch nicht viel besser.
»Wie soll ich bloß den Videowettbewerb gewinnen, wenn ich jetzt schon abloose?«, murre ich mir selbst zu und klappe den alten Laptop, den Papa mir vererbt hat, mit etwas zu viel Schwung zu. Der Wettbewerb rückt immer näher und ich hab nicht mal eine Idee für eine besonders geniale Tanzchoreografie. Chickenwing hätte gewusst, was zu tun ist. Die Möwe kann zwar nicht reden, aber sie nickt immer, wenn ich den richtigen Einfall habe. Und jetzt ist sie weg, ich bin alleine und niemand kurbelt meine Gedanken an. Ich gehe hinüber zu meinem großen Spiegel und wippe mit der Hüfte. Dann presse ich die Handflächen vor meiner Brust aneinander und lasse meinen Kopf wie ein Pharao von links nach rechts wandern. Sieht super aus, mit dem Handtuch auf dem Kopf. Nicht. Ich seufze.
Ja, heute ist ein Tag zum Abgewöhnen. Da kann man schon mal das Bedürfnis haben, sich das Leben mit Pink zu versüßen.
Plötzlich ertönt ein spitzer Schrei aus dem Badezimmer.
»Wernike Ritter!«
Oh, oh. Das ist Mama. Mir rutscht mein Handtuch von den frisch gefärbten Haaren, während sie in mein Zimmer stürmt.
»Was denn?«, frage ich vorsichtig, und Mamas Augen werden ganz groß, als sie mein pinkfarbenes Haar bemerkt.
»Was hast du getan?« Sie erstarrt zu einer Salzsäule und ich bekomme einen Moment Angst um ihre Gesundheit.
»Meinem Leben etwas Farbe gegönnt«, antworte ich und ziehe den Kopf ein, als sie auf meine Nase starrt.
»Oh mein Gott!«, stößt Mama aus. Zu ihrem Entsetzen hat sie jetzt auch noch ein neues Schmuckstück an mir entdeckt. »Ist das ein Nasenpiercing?«
Ich hole tief Luft, um zu einer Erklärung anzusetzen.
»Wer tut denn so was? Hier auf Amrum? Das ist Körperverletzung, den zeige ich bei der Polizei an. Sag mir, wer das war!«, fordert Mama und greift unter mein Kinn. Sie dreht mein Gesicht zur Seite. Grober als mir lieb ist, und ich mache mich von ihr los.
»Mann, Mama, der ist doch nicht echt.«
Ihr Gesicht entspannt sich wieder. »Ist er nicht?«
»Nö, ist er nicht.«
»Gut, dann nimm das sofort ab. Und wasch dir die Haare. So kannst du nicht rumlaufen«, sagt Mama, so streng sie kann. Und das fällt ihr nie leicht, weil sie ein so friedlicher Mensch ist, meint Papa immer. Aber seit die Zwillinge laufen können, musste sie das ja unbedingt üben. Und wer leidet jetzt darunter? Ich.
»Komm schon, das ist nur für mein neues Video. Du weißt doch, wie wichtig Style für so was ist«, erinnere ich sie an meinen Vortrag von letzter Woche. Da hatte ich gerade erst erklärt, was der neue Trend war. Regenbogen-Haarfarben zum Beispiel.
»Wernike, ich meine es todernst.« Sie hebt drohend ihren Zeigefinger. Mutig, wenn man weiß, dass Klara, eine der Zwillinge, letztens einfach hineingebissen hatte. Könnte ihr doch wieder passieren . Lust hätte ich ja.
»Mamiii«, bettle ich und gehe auf die Knie. »Bitte, bitte, ich hab einen Plan für ein Video und .«, versuche ich sie zu erweichen. Zugegeben, der Plan ist noch eher vage. Aber das wird schon noch.
»Ich will dein blondes Haar zurück. Sofort. Und keine Fake-Löcher im Gesicht meiner hübschen Tochter.« Das sind ihre letzten Worte, bevor sie wieder aus meinem Zimmer verschwindet. Die Tür knallt laut ins Schloss und meine Porzellanballerinas in der Glasvitrine vibrieren.
Ich halte für einen Moment die Luft an und glaube, ich platze gleich vor lauter Verzweiflung. Warum ist gerade alles so schwer? Wieso fühlt sich das Leben manchmal an, als stünde man in einer weiten Wattlandschaft ohne Horizont?
Ich sehe wieder in den Spiegel. Meine Locken legen sich wie pinke Zuckerwatte um mein Gesicht und sehen ziemlich genial aus. Das muss ich schon zugeben. Warum erkennt Mama das denn nicht? Ich ziehe vorsichtig den Fake-Nasenring ab und lege ihn auf den Schreibtisch. Auf den könnte ich notfalls verzichten, allerdings kann Mama das mit den blonden Haaren vorerst vergessen. Und wie um meine Gedanken zu vervollständigen, höre ich sie erneut fluchen. »Das ist total ruiniert. Das geht nie wieder von der Emaille ab!«
Ups! Sie meint das verfärbte Waschbecken. Schuldbewusst kaue ich auf meiner Unterlippe. Ich hätte nicht erst nach dem Färben die Gebrauchsanweisung lesen sollen. Dann hätte ich gewusst, dass die Farbe alles färbt, womit sie in Berührung kommt. Waschbecken und Handtücher inbegriffen.
Ich schlurfe zu ihr. »Kann ich dir helfen?«, frage ich kleinlaut.
»Ja, unbedingt. Mach so was nie wieder«, knurrt Mama und bearbeitet die pinken Flecken mit einem Schwamm.
»Mmh, das kann ich nicht versprechen. Mir gefällt es nämlich ziemlich gut«, gebe ich zu und trete vorsichtshalber einen Schritt zurück, als sie mich ansieht.
»Winni, du bist zwölf. Bunte Haare und Metall im Gesicht - das kommt nicht infrage.«
»Du als Mutter von drei Töchtern müsstest doch verstehen, dass man mit der Mode gehen muss.« Ich stemme die Hände in die Seiten und lege den Kopf schief.
»Mein kleines Fräulein, nicht alles aus den Musikvideos, die du dir ansiehst, ist alltagstauglich. Das sind nur Gags, oder denkst du, die Frauen rennen im wahren Leben auch so rum?«, fragt Mama säuerlich.
Ich überlege kurz. »Na, auf Amrum vielleicht nicht. Aber in der großen weiten Welt bestimmt.« So, da hat sie's!
Mama seufzt und schrubbt weiter. »Was sollen denn die Leute in der Schule nur sagen? Deine Lehrer und die Eltern.«
Gott, immer dieses »Was sollen denn die anderen denken«. Pff!
»Erstens, wir haben Ferien. Zweitens, Nora aus der B hat sich die Haare grün gefärbt. Gut, das war ein Unfall, weil sie aus Blond Braun machen wollte, aber das ist ja egal. Und drittens, ist doch schnuppe, was die Leute denken.«
Zumindest sagt Papa das gerne. Jetzt macht Mama eine Schrubb-Pause und blickt mich nachdenklich an.
»Winni, wie ich das sehe, ist dir selbst sehr wichtig, was die Leute über deinen Vlog und deine Tänze sagen. Und mir ist wichtig, wie die Inselbewohner über uns denken. Außerdem hast du eine Vorbildfunktion für deine beiden Schwestern.«
Ich grinse. »Ja, ist doch großartig«, überlege ich. »Dann werden die beiden nicht so langweilig wie der Rest der Inselbewohner.«
»Ach, Winni .« Mama gibt auf, als wie auf ein unsichtbares Zeichen die Zwillinge ihre Köpfe ins Bad stecken.
»Mama, kann ich das auch haben, was Winni hat?«, fragen Klara und Sylvana, die von allen nur Klärchen und Vany genannt werden, wie aus einem Mund.
Mama platzt die Hutschnur. Sie schmeißt uns alle aus dem Haus. Die Zwillinge müssen in den Garten und unter Papas Aufsicht mithelfen, das erste gefallene Laub der Bäume aufzusammeln. Für Fünfjährige keine leichte Aufgabe. Aber nicht so schwer wie für Papa. Da die beiden sich einen Spaß daraus machen, ihr Verwechslungsspiel mit ihm zu spielen.
»Klara, du nimmst die Schaufel«, fordert Papa seine eine Tochter auf.
»Ich bin Sylvana, Papa. Wieso siehst du das nicht?« Vany hingegen lässt sich gerade rücklings in den großen Laubhaufen fallen und gluckst vor Lachen über Klaras Versuch, Papa zu verunsichern.
Wenig später sitze ich auf meinem Fahrrad und muss ganz alleine die Flugblätter von Chickenwings Verschwinden verteilen. Eigentlich wollte Mama mir dabei helfen. Da die jetzt aber wegen pinken Haaren sauer auf mich ist und ich noch saurer auf sie bin, muss ich ganz alleine über die halbe Insel radeln. So viel zum Thema, wie färbt man sich den Tag schön. Hat wohl nicht ganz geklappt!
Ich trete kräftig in die Pedale und düse durch Süddorf. An der Bushaltestelle halte ich an und klebe das erste Flugblatt mit dem Foto der Möwe neben den Halteplan. Chickenwing, zahme Sturmmöwe mit verkürztem rechten Flügel, wird seit dem 10. September in Süddorf vermisst. Familie Ritter. Darunter unsere Festnetz- und meine Handynummer. Für alle Fälle.
Ich starre eine Weile auf meinen Fahrradkorb, der an meinem Lenker hängt, und schlucke. Eigentlich müsste die blöde Möwe jetzt dort sitzen und mich begleiten. Bestenfalls lachend, wie Möwen das so tun.
Schnell fahre ich weiter, über die Straße und hinunter in Richtung Dünen. Ich will auf keinen Fall heulen, das würde meine Schminke ruinieren. Und für dieses Kunstwerk habe ich schließlich ewig gebraucht. In einem Musikvideo von Keesha hatte ich es gesehen und finde, es passt super zu meinem neuen Look. Dem ultimativen Tanzfilm-Look, der ohne meine Möwe nur halb so schön ist.
Als ich in einem ordentlichen Radius die Flugblätter verteilt habe, wird mir einiges klar. Erstens: Wenn es regnet, läuft meine pinke Farbe aus und hinterlässt Flecken auf der Kleidung. Zweitens: Ohne Chickenwing ist alles doof. Und drittens: Meine Möwe ist nicht das einzige Tier, das hier auf Amrum abhandengekommen ist. Ich entdecke weitere Steckbriefe mit Fotos von Hunden und Katzen. Aber...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.