Schweitzer Fachinformationen
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Büro von JC Enterprises, Carnaby Street, London W1.
Montag, 12. Januar 1966, 10.30 Uhr.
Über You Are Here! - Londons angesagtester Boutique - hat sich JC Enterprises einquartiert, eine der vielen jungen Firmen in der glänzenden neuen Musikszene der Hauptstadt. Ihr heißestes Eisen sind The Gloom aus Stanmore, die mit ihrer Debütsingle »Bethnal Green« auf EMIs neuem Label Mosaic hoch in den Charts stehen. Der Song, in dem es nach Aussage der Band »um die Gegend, in der wir aufgewachsen sind, das East End von London« geht, ist diese Woche auf Platz 39 in die Hitparade eingestiegen, nachdem der Piratensender Radio Caroline ihn fast nonstop gespielt hat.
Im schmalen Flur wartet ein junger Mann mit strohblondem Haar, einem blau-weiß gestreiften Schal und braunen Ledersandalen. Er steht im Begriff, in den Weltraum katapultiert zu werden. Kerzengerade aufgerichtet, die Arme verschränkt, während ein Fuß rasend wie ein Presslufthammer tappt, wirkt er angespannt; wie ein Schulabgänger, der auf seine Prüfungsergebnisse wartet. Schräg gegenüber klappert eine junge Aushilfssekretärin im wild gemusterten, meergrünen Minikleid auf einer der neuen Memo-Schreibmaschinen herum. Cornelias Aufgabe ist es, Tee zu kochen, so zu tun, als könnte sie tippen, und dekorativ zu sein. In der anderen Ecke frischt Sandra, oder »Sand«, wie alle bei JCE sie nennen, lässig ihren rosa Nagellack auf.
»Bisschen wie beim Zahnarzt, oder?«
Der junge Mann blickte auf.
»Schon eine Tasse Tee bekommen?«
». oh . ja . klar . danke.«
»Und . möchten Sie noch eine?« Beiden Frauen war aufgetragen worden, sich gut um den potenziellen neuen Kunden zu kümmern.
». im Augenblick . brauche ich nichts, danke.« Der Junge stellte die Beine nebeneinander und faltete seinen Schal neu.
Dies ist London. Swinging oder auch Stinging London, je nach Blickwinkel. Wenn man mit einem Blick zufrieden ist. Denn um es zu begreifen - es wirklich zu erfassen, London genau jetzt, in genau diesem Augenblick -, musst du es wirklich erfahren. Hier sein. Denn hier sein heißt glücklich sein. Das Glück ist überall. Auf dem Kopfsteinpflaster der Straßen und Höfe, in den Läden, die in sind, in den abgefahrenen Schaufenstern. In den tiefen Samtsitzen der neuen Nachtclubs von Chelsea, an den weiß gekalkten Wänden der schicksten Galerien von Mayfair. Selbst an alten, antiquierten Orten wie den Docks der Themse, dem Londoner Hafen, Westminster, der City und dem Zeitungszentrum Fleet Street. Wo die Zeitungen gedruckt werden, die uns jeden Tag erzählen, in was für einer fabelhaften Stadt wir leben. Die Menschen, die Uhren aufziehen und Geldscheine zählen, die Hafenarbeiter, Gepäckträger und Fahrer, die Schriftsetzer und die Vorpolierer in den Druckereien - sie alle gehören auch zu dieser swingenden Stadt.
Doch London ist nicht bloß das Wirtschaftszentrum der Welt; es ist jetzt auch das kulturelle Zentrum. Angesagt, cool. In London spielt die Musik. London ist »das Ding«, der Zeitgeist, der Gedankengang, der Groove. Das, was du haben musst, was du packen oder schnallen oder checken musst. Um es wirklich zu begreifen. Wirklich. Um wirklich weiterzukommen.
Du musst dich nur einklinken. Und das tun die Leute. Denn im Augenblick ist anscheinend jeder, die ganze weite Welt, das Universum, vielleicht sogar der gesamte Kosmos auf dem Weg nach Swinging London.
»Dauert nicht mehr lange .«
Cornelia tippte beim Reden weiter und hob den Blick kaum von den Tasten. Der Junge griff nach einer abgewetzten Ledertasche, machte sich zum Eintreten bereit.
». okay .«
Heutzutage sind die Menschen in der Hauptstadt groovy, ihre Klamotten sind groovy, ihre Einstellung ist groovy. Selbst ihre Straßen sind groovy und haben so beschwingte Namen wie Bond Street und Wardour Street, Portobello Road und natürlich Carnaby Street, so groovy wie keine andere. Die prachtvolle Carnaby ist in diesem Augenblick wahrscheinlich die angesagteste Einkaufsstraße des ganzen Planeten. Willst du nicht allein deswegen unbedingt hier sein? Bei all diesen fabelhaften Figuren und Straßennamen und Ereignissen? Solltest du. Jedenfalls, wenn du irgendwas anzubieten hast. Denn was heißt das alles? Dass London ein Ort der ungeheuren Möglichkeiten ist. Eine bedeutende und unternehmerfreundliche Stadt. Eine riesengroße Torte, in die alle reinbeißen können.
Wenn du durch die Carnaby Street oder die Ganton Street oder über den Foubert's Place schlenderst, heute Vormittag alles direkt vor dem Fenster, triffst du mehr oder weniger garantiert eine besonders coole Berühmtheit. Wie Ray Davies oder John Bratby, Terence Donovan oder Celia Birtwell, Julie Christie oder Peter Hall, die alle wie ganz normale Menschen, wie du und ich, herumstreifen. Da sind Jeremy Sandford und Nell Dunn, Ron Kitaj, Rita Tushingham, Leonard of Mayfair, Murray Melvin, Andrew Oldham, Ronald Laing, Dr. Roy Strong, Miss Penelope Tree oder Robert Fraser oder Hardy Krüger, die alle da unten unterwegs sind und nichts anderes vorhaben, als zu streunen . und natürlich zu grooven.
Diese groovy Gestalten könnten dir in allen möglichen Kombinationen auf der Straße begegnen, und du würdest sie nicht bemerken. Denn alle, denen du begegnest, wahrhaftig jeder und jede Einzelne, sieht jetzt anders aus - besser, oder nicht? Sieht auf einmal »angesagt« aus. Und einfach, nun . lebendiger als zuvor. Selbst ältere Typen wie Sir Malcolm Sargent und Sir Adrian Boult gehören dazu. Da seht ihr sie, mit ihren Halstüchern aus Jane Austens Zeiten und ihren Stiefelabsätzen, ganz genau wie die jungen Leute. Und sie wirken überhaupt nicht fehl am Platz, denn heutzutage können alle mitmachen. Darum sind die Queen, die Queen Mother, Prinzessin Margaret und natürlich Lord Snowdon, alle Mitglieder des Königshauses, auch dabei. Vollkommen angesteckt. Alle groovy geworden. Und zum Glück sind Regalien in: der Cutaway aus dem 18. Jahrhundert, den Terence Stamp auf dem Titelbild des heutigen Daily Sketch trägt, die blutroten Uniformjacken, die auf der Portobello Road verkauft werden, oder der Kopf der Queen als schwarzer Schattenriss auf den neuen Briefmarken zur Fußball-WM. Alles ist irgendwie »in« und »aktuell«.
»Ich höre, er wird gerade fertig .«
Dinge können ganz leicht in sein, denn groovy zu sein ist nichts Exklusives; es schließt alle ein und beruht nicht auf Klassenzugehörigkeit. Das ist überhaupt der Sinn der Sache. Und der Grund dafür ist, dass Großbritannien sich zum allerersten Mal in Richtung einer klassenlosen Gesellschaft bewegt. So sagt man doch, nicht wahr? Und es stimmt. Denn groovy ist nicht teuer, oder . na ja, eigentlich ist es sogar umsonst. Und darum für jeden sofort verfügbar. Jeder und jede kann es überall sein. Groo-vy! Man muss bloß hierherkommen und .
»Ich bringe Sie in einer Sekunde zu ihm .«
Es ist nämlich ein Gefühl. Ein Gefühl, Mann . Und jeder muss sich einreihen und sein Ding machen. In dieser dünnen gehobenen Atmosphäre sind sogar der Vogel am Himmel und die sanft wehende Brise angesagt. Die engen Gassen Sohos mit ihren italienischen Cafés und Zeitschriftenkiosken und Süßwarenläden an jeder Ecke, so gut besucht, dass die Kunden bis auf die Straße stehen, sind die Verkörperung von groovy. Immer geschäftig, immer in Bewegung! Fühlt sich gut an! Fühlt sich .
»Er ist so weit!« Das Mädchen mit den frisch lackierten rosa Nägeln blickte den Jungen direkt an. »Einfach hier durch .«
Cornelia ging zum Büro des Managers und hielt die Tür auf. Ein hoch gewachsener, herausgeputzter junger Mann mit leicht gewelltem Haar wartete dort.
»John . Hey, Mann . Komm rein.«
Der potenzielle Manager streckte die Hand aus, sichtlich beeindruckt von der ersten leibhaftigen Begegnung mit seinem potenziellen Klienten.
»Ich bin John . John Pond.«
Der Mann griff nach einem metallenen Feuerzeug und deutete auf das Zimmer.
»Und das hier .«, erklärte er, »ist meine Bude.«
Der Junge drückte seine Tasche fest an die Brust und überquerte die Schwelle zum trostlosen Büro.
». vielen Dank . es ist . schön, Sie kennenzulernen, und . nett von Ihnen, mich .«
Der Junge war heute besonders freundlich. Pond lächelte dementsprechend.
»Das heißt also . John trifft John, sozusagen.«
Der Teenager und der Dandy lächelten. Der Junge blieb unschlüssig stehen und nahm den Faden der Unterhaltung auf, leicht verunsichert durch die swingende Erscheinung des Managers: das üppige Kreidestreifen-Tuch seines »großväterlichen« Anzugs, das perfekt gebundene zitronengelbe Halstuch.
». Pond ist ungewöhnlich .«
»Wirklich? Mein Urur. was auch immer . hieß auch John Pond . und war ziemlich berühmt, vor langer . langer Zeit.« Der Manager sprach, als wäre er im Fernsehen, und wurde erst allmählich schneller. »Heute redet niemand mehr über ihn.« Pond wandte seinem Besucher den Rücken zu. »Ein Astronom . >von gewissem Rang<, wie man sagt.« Die Miene des Jungen hellte sich...
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