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Shauna wandte sich zu MacKenzie um und wollte ihm sagen, dass er Emma ernst nehmen musste. Die Kleine war sehr aufgeweckt für ihr Alter und hätte sich mit so etwas keinen Scherz erlaubt.
MacKenzie schien die Wichtigkeit von Emmas Meldung jedoch nicht in Zweifel zu ziehen, denn er holte bereits seine Arzttasche, die hinter der Tür stand.
»Violet?«, fragte er, an Shauna gewandt. »Reden wir von Violet Borrows, der Frau, bei der Sie wohnen?«
Shauna nickte, überrascht, dass er das wusste. Sie hatte es zwar einmal erwähnt, als Violet zu einer Kontrolluntersuchung in die Praxis gekommen war, aber er hatte es damals nicht kommentiert, deshalb war sie nicht sicher gewesen, ob er die Information überhaupt zur Kenntnis genommen hatte.
»Violet leidet an .«
»Angina pectoris, ich weiß«, beendete MacKenzie ihren Satz. »Hatte sie in den letzten Tagen Beschwerden?«
Shauna schüttelte den Kopf, verblüfft, dass er die richtige Diagnose sofort parat hatte. »Nein, ich glaube nicht. Sie hat nichts erwähnt. Wir sollten den Rettungsdienst informieren, damit wir keine Zeit verlieren. Es dauert eine Weile, bis .«
»Das habe ich schon gemacht«, unterbrach Emma sie.
»Du?«, fragte MacKenzie, und auch Shauna sah die Kleine überrascht an.
Emma nickte. »War das falsch? Violet hat gesagt, dass ich das tun soll. Als sie noch sprechen konnte. Der Mann am Telefon meinte, dass ich bei ihr warten soll, bis sie kommen. Aber dann hat sie so komisch geatmet und nicht mehr geantwortet. Da bin ich hergelaufen.«
»Das hast du richtig gemacht«, versicherte MacKenzie ihr. »Alles. Dass du angerufen hast und auch, dass du hergekommen bist.« Er wandte sich wieder an Shauna. »Wie weit ist es von hier?«
»Nur ein paar hundert Meter«, erwiderte Shauna.
»Ich zeige euch den Weg«, rief Emma aufgeregt und lief mit Brave voraus. MacKenzie eilte ihr nach, und Shauna auch, doch als sie durch die schmalen Gassen von Carywith liefen, hatte sie Mühe mitzuhalten, weil ihr wieder schwindelig war.
»Nun kommen Sie schon!« MacKenzie blieb stehen und wartete auf sie, dann schob er sie weiter.
Zum Glück dauerte es tatsächlich nicht lange, bis sie das zweistöckige, weißgetünchte Haus erreicht hatten, in dessen Erdgeschoss Violets Wohnung lag. Dort hatte Shauna genau einen Tag, bevor sie ihre Stelle bei MacKenzie angetreten hatte, ein Zimmer bekommen, und damit ihre Suche nach einer Unterkunft gerade noch rechtzeitig beendet.
Zur Miete gab es kaum etwas im Ort, die meisten Menschen besaßen die Häuser, in denen sie wohnten. Und die wenigen Wohnungen, die Shauna sich hatte ansehen können, waren entweder viel zu teuer gewesen, oder die Vermieter erlaubten keine Hunde. Shauna hatte in ihrer Verzweiflung sogar schon überlegt, vorerst in eine Pension zu ziehen, doch auch das war jetzt im Sommer während der Hochsaison nicht so einfach. Doch dann hatte sie durch Zufall erfahren, dass Violet Borrows eine Mitbewohnerin suchte. Die alte Frau war einsam und wollte gerne Gesellschaft, deshalb vermietete sie eines ihrer Zimmer unter. Der Mietpreis war sehr erschwinglich, Brave durfte mit, und Violet hatte sogar angeboten, sich um Emma zu kümmern, bis diese Mitte September in die Schule kam.
Natürlich hatte Shauna gewusst, dass dieses Arrangement wegen Violets Erkrankung nicht ideal war, aber Violet hatte ihr immer wieder versichert, wie gerne sie auf Emma aufpasste. Und es gab auch einfach keine Alternative, weder was die Wohnung noch was die Kinderbetreuung anging. Bisher war Shaunas Suche jedenfalls erfolglos geblieben. Dabei wollte sie gerne weg, auch weil ihr die Sache mit Violets Sohn John immer mehr zusetzte .
»Hier ist es!« Emma erreichte das Haus als Erste und stürmte mit Brave durch die unverschlossene Eingangstür.
Shauna blieb völlig außer Atem davor stehen und musste sich an der Wand festhalten, weil sich alles um sie drehte. Übelkeit stieg in ihr auf, und sie stemmte sich verzweifelt dagegen.
»Was ist los mit Ihnen?« MacKenzie betrachtete sie mit einer Mischung aus Verärgerung und Sorge. »Und jetzt sagen Sie nicht wieder, dass alles in Ordnung ist. Sie sind weiß wie die Wand!«
»Mir ist schwindelig. Ich habe einen zu niedrigen Blutdruck, und das macht mir manchmal Probleme. Es geht gleich wieder«, versicherte sie ihm. »Sehen Sie nach Violet, bitte! Sie braucht Sie dringender!«
Er betrachtete sie noch einen Moment skeptisch, dann ging er ins Haus. Shauna folgte ihm.
Die in die Jahre gekommenen Holzdielen im Flur knarrten unter seinem Gewicht, weil der ausgetretene, fadenscheinige Teppich, der darüberlag, das Geräusch nicht mehr dämpfen konnte. Überhaupt war das Haus sehr in die Jahre gekommen, und als sie beide kurz darauf in Violets Wohnzimmer standen, fiel Shauna unangenehm auf, wie abgewohnt die Wände und Möbel aussahen. Sie selbst nahm den Zustand der Räume kaum noch wahr, sie hatte sich daran gewöhnt. Aber wie würde MacKenzie ihre Lebensumstände finden? Ihn hier zu sehen, mitten in ihrem Privatleben, nachdem sie bisher nur beruflich miteinander zu tun gehabt hatten, fühlte sich merkwürdig an. Im Moment gab es jedoch Wichtigeres, deshalb konzentrierte sie sich auf Violet, die neben dem Sofa auf dem Boden lag.
Violet trug eine Kittelschürze, wie tagsüber meistens, und ihr graues Haar hatte sich aus ihrem Dutt gelöst und hing ihr wirr um den Kopf. Ihre Stirn glänzte schweißnass.
»Tante Violet!« Emma kniete neben ihr und hatte die Hände auf ihren Arm gelegt. »Ich bin wieder da. Und ich hab Shauna mitgebracht. Und den Doktor. Wie ich es dir versprochen habe!«
»Emma, würdest du mir einen Gefallen tun?«, bat MacKenzie, der jetzt ebenfalls neben Violet in die Hocke ging. »Wenn die Sanitäter kommen, dann muss ihnen jemand zeigen, wo wir sind. Würdest du mit dem Hund nach draußen gehen und auf sie warten? Es wäre wichtig, dass sie uns sofort finden können.« Er sah sie an. »Das ist eine wichtige Aufgabe. Denkst du, dass du das hinbekommst?«
Emma nickte mit ernster Miene und erhob sich. Sie rief nach Brave und ging mit ihr zur Wohnungstür. Kurz darauf hörte man draußen die Haustür zufallen.
»Danke«, sagte Shauna zu MacKenzie, froh, dass er Emma erst mal beschäftigt hatte. Es war schlimm genug, dass die Kleine mit Violet allein gewesen war, als diese ihren Herzanfall erlitten hatte. Alles, was jetzt noch passierte, sollte sie besser nicht mitbekommen, und dass MacKenzie das genauso sah, erleichterte sie.
Sie kniete sich auf der anderen Seite neben Violet, deren Brustkorb sich schwer hob und senkte. Aber zumindest atmet sie noch, dachte Shauna erleichtert. Als MacKenzie die alte Frau ansprach, dauerte es einen Moment, dann öffnete sie die Augen.
»Ich . kann . nicht . atmen«, brachte sie mühsam hervor. Ihre Augen waren schreckgeweitet, und sie legte eine Hand auf ihre Brust. »Mein Herz .«
»Ganz ruhig, Mrs. Borrows, wir helfen Ihnen.« MacKenzie war schon dabei, seiner Arzttasche alles Notwendige zu entnehmen, und während der nächsten Minuten widmeten sie sich beide ganz Violet. MacKenzie untersuchte sie mit sicheren Handgriffen und redete dabei beruhigend auf sie ein, während er ihr einen Zugang legte und ihr eine Spritze gab, um den Kreislauf zu stabilisieren.
Shauna reichte ihm, was er brauchte. Ihre Hände zitterten noch leicht, aber tatsächlich fühlte sie sich besser, was auch daran lag, dass MacKenzie so souverän wirkte. Die Sicherheit, die er ausstrahlte, übertrug sich nicht nur auf Violet, die schon viel ruhiger atmete, sondern auch auf sie.
Ich habe ihn noch nie so arbeiten sehen, dachte Shauna, selbst ein bisschen überrascht. Die Fälle, die sie in den vergangenen Wochen in der Praxis gehabt hatten, waren alle nicht so dramatisch gewesen. Jetzt erlebte sie MacKenzie zum ersten Mal unter Stress - und leistete innerlich Abbitte. Denn ganz egal, wie unorganisiert er in der Praxis sein mochte, er war ein guter Arzt, das stellte er gerade sehr eindrucksvoll unter Beweis.
»Da kommt der Heli!«, meinte MacKenzie, als wenig später von draußen das Geräusch von Rotoren zu ihnen drang, das schnell lauter wurde. »Ich hoffe, sie finden einen Landeplatz in der Nähe.«
Das schien so zu sein, denn nachdem es wieder still geworden war, dauerte es nur wenige Minuten, bis zwei Sanitäter und eine Notärztin der Cornwall Air Ambulance bei ihnen eintrafen.
MacKenzie setzte die Ärztin in Kenntnis über Violets medizinische Vorgeschichte und die Maßnahmen, die er schon ergriffen hatte, und die beiden kräftigen Männer schnallten die alte Dame auf der mitgebrachten Trage fest. Dann machten sie sich auf den Weg, und wenig später hörte man den Hubschrauber wieder aufsteigen.
Emma, die mit Brave auf dem Boden vor dem Sofa saß, kaute auf ihrer Unterlippe. »Und jetzt?«, fragte sie. »Was passiert jetzt mit Tante Violet?«
»Ich fürchte, sie wird erst mal im Krankenhaus bleiben müssen«, antwortete MacKenzie. »Ihr Herz ist krank, und es kann sein, dass sie operiert werden muss. Aber das werden die Ärzte dort entscheiden.«
»Geht es ihr dann wieder besser?«, erkundigte sich Emma hoffnungsvoll.
MacKenzie nickte. »Ich denke ja. Und das verdankt sie dir. Du hast genau das Richtige getan, obwohl du bestimmt Angst hattest. Das war sehr mutig von dir. Ich glaube, damit hast du ihr das Leben gerettet.«
»Wirklich?« Emma strahlte vor Stolz.
»Ja, wirklich«, bestätigte MacKenzie lächelnd. Doch als er sich an Shauna wandte, wurde er wieder ernst. »Und jetzt zu Ihnen«, sagte er und deutete auf das Sofa....
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