Schweitzer Fachinformationen
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Die erfolgreiche Modeschöpferin Christina will nicht akzeptieren, dass ihre Tochter eigene Wege geht. Christinas Mutter Audra versucht, den allmählich immer hasserfüllteren Streit zu schlichten. Denn sie weiß, wie es sich anfühlt, wenn man große Opfer für seine Kinder bringt - und sie dann aber ganz andere Vorstellungen vom Leben haben. Als Waise und Krankenschwester hat sie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts dafür gekämpft, der talentierten Christina ein Kunststudium an Londons Royal Academy zu ermöglichen. Aber die Tochter wollte von den hochfliegenden Plänen der Mutter nichts wissen und entschied sich für eine Karriere als Geschäftsfrau.
Die Geschichte eines bewegenden Mutter-Tochter-Konflikts ist einer der Klassiker der Unterhaltungsliteratur.
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Es war ihr Geburtstag.
Der dritte Juni des Jahres 1926, sie war neunzehn Jahre alt geworden.
Audra Kenton stand am Fenster ihres Zimmers im Fever Hospital von Ripon, Yorkshire, wo sie als Schwester arbeitete, und sah in den Hintergarten hinaus. Gedankenverloren beobachtete sie das Spiel von Licht und Schatten auf dem Rasen. Das Sonnenlicht fiel durch die Blätterkuppeln der beiden hohen Eichen, die neben der alten Steinmauer wuchsen. Ein sanfter Wind wehte, in dem die Blätter rauschten und bebten, und sie leuchteten grün auf, wenn die Sonne auf sie fiel. Es war strahlend und mild, ein Tag, der einladend wirkte.
Die Oberin hatte Audra den Nachmittag freigegeben, weil es ihr Geburtstag war. Jedoch konnte sie nirgendwohin gehen und hatte niemanden, mit dem sie feiern konnte. Sie war ganz allein auf der Welt.
Audra besaß nur eine einzige Freundin, Gwen Thornton, ebenfalls Schwester am Fever Hospital. Gestern hatte man Gwen nach Hause, nach Horsforth beordert. Ihre Mutter war krank, und man brauchte sie. Schon vor Wochen hatte Gwen ihren freien Tag mit dem einer anderen Schwester getauscht, damit sie mit Audra zusammen sein und dieses feierliche Ereignis mit ihr gemeinsam begehen konnte, es sollte ein ganz besonders schöner Tag werden. Und nun waren alle ihre großartigen Pläne geplatzt.
Audra lehnte den Kopf an den Fensterrahmen und seufzte, als sie an die vielen leeren Stunden dachte, die sich vor ihr erstreckten. Unerwartet wurde ihr die Kehle eng, und sie fühlte, wie sich Tränen hinter ihren Augen sammelten, als Trauer und bittere Enttäuschung sie durchströmten. Aber nach ein paar Sekunden blinzelte sie, räusperte sich und gewann ihre Haltung zurück. Entschlossen schob sie die negativen Gefühle beiseite, die sie kurz überkommen hatten, und weigerte sich, in Selbstmitleid zu zerfließen. Audra verachtete so etwas bei anderen und fand, es sei ein Zeichen von Schwäche. Sie war stark. Das hatte ihre Mutter immer gesagt, und ihre Mutter hatte sich selten geirrt.
Dann wandte sie sich vom Fenster ab, ging zum Stuhl hinüber und ließ sich schwer darauf nieder, überlegte, was sie nun mit sich anfangen sollte.
Natürlich könnte sie lesen, ein bisschen sticken oder die Zeichnung der Bluse fertigmachen, die sie gerade entwarf und für sich nähen wollte - wenn sie sich den Stoff leisten konnte. Keine dieser Beschäftigungen reizte sie. Nicht heute. Nicht an ihrem Geburtstag.
Sie hatte sich schon so darauf gefreut, etwas mit ihrer Freundin zu unternehmen, einmal im Leben ein paar sorglose Stunden zu genießen. Audra hatte in der letzten Zeit nicht viel zu feiern gehabt, Festlichkeiten gehörten der Vergangenheit an, waren nun eine Seltenheit. Tatsächlich hatte sich ihr Leben im Laufe der letzten Jahre so grundlegend, so unerbittlich geändert, dass sie es kaum als ihr eigenes wiedererkennen konnte.
Sich jetzt einem dieser profanen Hobbies zuzuwenden, mit denen sie sich gewöhnlich die freie Zeit vertrieb, wäre viel schlimmer, als einfach nur auf dem Stuhl zu sitzen und nichts zu tun. Alle wären sie nur ein kläglicher Ersatz für die Pläne, die Gwen und sie geschmiedet hatten.
Audra hatte sich schon seit Langem dazu erzogen, das Zimmer, in dem sie im Krankenhaus wohnte, nicht mehr wahrzunehmen. Aber nun, da sie es im hellen Sonnenschein sah, wurde sie sich schmerzlich seiner Hässlichkeit und seines Mangels an Komfort bewusst. In vornehme, wenn auch etwas verarmte Verhältnisse hineingeboren, war Audra eine wohlerzogene junge Frau mit Geschmack. Von letzterem besaß sie im Übermaß. Sie hatte eine ausgeprägte künstlerische Ader, und die Strenge der kargen Ausstattung und der Anstaltsfarben wurde ihrem kritischen Blick plötzlich schmerzhaft deutlich. Es beleidigte ihren guten Geschmack.
Die Wände ihr gegenüber waren in einem trübseligen Beige gestrichen, das an Haferschleim erinnerte. Der Fußboden war mit scheußlichem grauem Linoleum bedeckt. Das eiserne Bettgestell, der klapprige Nachttisch und die Kommode waren nur für ihre Schäbigkeit und ihre Ausführung unter Gesichtspunkten der Nützlichkeit bemerkenswert. Das Zimmer war von eisiger Öde, eigentlich stets unerträglich, aber besonders an diesem sonnigen Nachmittag. Sie musste seiner bedrückenden Enge einen kurzen Augenblick lang entfliehen, egal wohin.
Ihr Blick fiel auf das Kleid, das auf dem Bett lag, von ihr dorthin gelegt. Es war neu. Sie hatte ein ganzes Jahr lang gespart, jede Woche einen Schilling zurückgelegt, um sich ein Geburtstagsgeschenk kaufen zu können.
Samstag vor zwei Wochen war sie mit Gwen nach Harrogate gefahren. Sie waren stundenlang herumgewandert, hatten Schaufensterauslagen betrachtet und all die schönen Sachen bewundert, die dort lagen und von denen sie wussten, dass sie sich diese niemals würden leisten können. Audra dachte glücklich und voller Zuneigung an Gwen, als sie sich an diesen Tag erinnerte.
Die Freundin fühlte sich besonders von Juweliergeschäften angezogen, sodass Audra ständig die Augen mit den Händen beschirmen und gottergeben irgendeinen Tand hinter der Scheibe bewundern musste, der Gwen aufgefallen war. »O Audra! Sieh dir das doch mal an!«, rief Gwen immer wieder und wies dabei auf eine Brosche, einen Ring oder einen Anhänger. Einmal hatte sie Audra heftig beim Arm gepackt und ehrfürchtig geflüstert: »Hast du je einen so großartigen Armreif gesehen, Audra! Die Steine könnten wirklich echt sein, sie strahlen wie Diamanten. Dir würde das toll stehen, Audra. Lass uns hineingehen ... anschauen kostet nichts.«
Audra hatte verlegen gelächelt und nur den Kopf geschüttelt, kein Wort dazu gesagt. Sie hatte an den Schmuck ihrer Mutter gedacht, der so viel schöner gewesen war als all diese schäbigen Nachahmungen.
Schließlich waren Audra Gwens aufgeregte Rufe und dringliche Seitenstöße zu viel geworden, ärgerlich brachte sie ihre Freundin mit einem strengen Blick zum Schweigen und sagte scharf, sie solle nun endlich den Mund halten. Sofort tat ihr der harte Ton leid, und sie entschuldigte sich rasch bei Gwen. Und dann hatte sie ihr zum hundertsten Mal auseinandergesetzt, dass sie kein Geld übrig hätte für Klimbim wie Broschen und Armbänder, alberne Hüte und Flaschen mit Devon Violets-Duftwasser - nur ein paar der Dinge, nach denen es Gwen beständig verlangte.
»Du weißt doch, dass ich mir nur Kleider kaufe.« Mit einem kleinen, bedauernden Lächeln fügte Audra hinzu: »Und nur die allerpraktischsten Sachen, die ich finden kann, Gwen. Sachen, die lange halten.«
Und dann, keine zehn Minuten nachdem sie diese Worte gesprochen hatte, sah Audra das Kleid im Schaufenster von Madame Stella. Sie hatte sich sofort darin verliebt. Es war eine Pracht, allein für Feste geschaffen, ein Hauch aus luftigem, spinnwebenleichten Musselin. Mitten im Schaufenster geschickt um ein Gestell drapiert, war es das einzige ausgestellte Kleidungsstück. Drum herum lagen Accessoires verstreut - ein breitkrempiger Damenhut aus feinem, cremefarbenem Strohgeflecht, ein Sonnenschirm aus gerüschter, cremefarbener Seide und drei lange Perlenketten. All das erschien Audra als Inbegriff der Eleganz, aber besonders das Kleid. Es war sehr unpraktisch, offensichtlich teuer und unglaublich schön. Sie hatte es lange angesehen, ohne zu wissen, wann und wo sie es anziehen würde, und es hatte sie dennoch schmerzlich danach verlangt.
Sie war zurückgeblieben und wollte sich nicht von der Stelle rühren, als Gwen, die schlau die Sehnsucht auf ihrem Gesicht erkannt hatte, die Tür aufstieß und darauf bestand, dass sie hineingehen und nach dem Preis fragen sollten. Trotz Audras Widerstreben und ihrer zähen Weigerung einzutreten, machte Gwen nicht den Eindruck, als ließe sie sich ihren Willen nehmen. Audras Arm wie in einem Schraubstock haltend, hatte sie die Freundin in Madame Stellas Geschäft geschleppt.
Beide Mädchen hatten damit gerechnet, dass das Kleid teuer sein würde. Aber sie waren doch wie betäubt, als sie hören mussten, dass es drei Pfund kostete. Audra wollte gleich wieder hinausgehen. Die schreckliche Gwen hielt sie zurück und schaffte es irgendwie, sie in das Ankleidezimmer zu bringen, bevor es ihr gelang, höflich zu entkommen. Da Audra keinen peinlichen Auftritt vor der Verkäuferin riskieren wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als das Kleid anzuprobieren.
Es war die Farbe, die sie so gefangen nahm - ein klares, strahlendes Blau, das sie an den Rittersporn von High Cleugh erinnerte. Auch ohne Gwen konnte sie im großen Drehspiegel erkennen, dass es wie für sie geschaffen war.
Audra war an jenem Nachmittag von ihrem eigenen Spiegelbild überrascht gewesen. Zum ersten Mal seit Jahren hatte sie sich eingestanden, dass sie hübsch aussah. Meistens hatte sie sich sonst als »graue Maus« bezeichnet und glaubte allen Ernstes, dies sei die Wahrheit. Aber damit tat sie sich unrecht.
Audra Kenton war keine klassische Schönheit, aber sie war auch nicht unscheinbar. Sie befand sich irgendwo dazwischen. Es lag eine gewisse Hartnäckigkeit in ihrem klar geschnittenen Gesicht. Diese spiegelte sich im entschlossenen Kinn wider und in ihrem strengen Mund,...
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