Kapitel 1
Der Zugang ist schwierig und weit.
Wir sind einen Tag geritten, da keine Straße in dieser Einöde existiert. Handyempfang gibt es nur oben auf den Bergen.
"Ein paar Extras haben wir allerdings eingebaut." Sören schmunzelt. "Wir haben eine Solaranlage auf dem Dach, denn wenn wir hier lagern und etwas passieren sollte, ist es notwendig, wenigstens die Rettung anzurufen. Und dazu muss ein Handy geladen sein, so viele Powerbanken kann man gar nicht mitnehmen."
"Vergiss nicht die Pumpe für fließendes Wasser und den Durchlauferhitzer für eine warme Dusche", erinnert Julian.
"Wie? Keinen Aufzug?" Ich sehe an dem Haus hoch.
"Nee und den Whirlpool haben wir auch vergessen", kichert Sören. Er öffnet das Tor und führt die Pferde hinein.
"Wie du siehst, hier vorne ist der Stall", erklärt er, bindet sie an und zeigt mir das Haus, das einer großen Halle gleicht.
Das Holz riecht noch frisch und über eine Treppe gehen wir in die obere, offene Etage.
"Hier haben wir Nischen gemacht zum Schlafen, wenn wir lagern", weist Julian hin. "Etwas Privatsphäre kann ja nicht schaden."
Am anderen Ende des Hauses liegt die Waffenkammer. Ordentlich sind Äxte, Langbögen und Schwerter aufgestellt. In einem Fass sind Pfeile und im Regal dahinter Kleidung, falls jemand etwas zum Wechseln braucht.
"Und jetzt kommen wir zu unserem Meisterstück", meint Sören stolz.
Über eine kleine Treppe gehen wir wieder hinunter.
Der Raum ist mit einer Wand von der Halle abgetrennt und ein riesiges Bett steht mittendrin.
Es ist nicht irgendeins, so etwas kann man nicht kaufen.
Das Kopfteil ist mit Schnitzereien verziert. Runen, Raben, Odin auf Sleipnir. An dem anderen Ende sind Wolfsköpfe an den Pfosten. Viele Felle bilden die Matratze.
"Wow" hauche ich.
"Als Jarl von Tilflukt erlaube ich dir, dort zu schlafen, wenn ich nicht hier bin", sagt Sören. "Außer du möchtest eine Gefährtin von mir sein, dann ."
"Hör auf", unterbricht ihn Julian. "Du weißt, warum sie hier ist."
"Muss man deswegen Nonne werden?", faucht er. "Spaß sollte jeder im Leben haben."
"Vielleicht werde ich irgendwann mal wieder ein normales Leben führen können", mische ich mich ein. "Aber bis dahin habe ich die Nase voll von Männern. Sorry, klingt blöd, ist aber so."
"Wir sollten dich zur Schildmaid ausbilden, dann kannst du dich wehren gegen den Wi ." Sören stoppt, als er versteht, was ich gesagt habe. "Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nah treten. Bei schönen Frauen setzt mein Gehirn aus." Sofort werde ich rot, Komplimente habe ich in der Art schon lange nicht mehr gehört.
Julian seufzt und zieht mich am Arm mit in eine Kammer, das Badezimmer. "Er ist manchmal zu direkt. Nimm es ihm nicht übel. Er ist auch Single und sucht seinen Spaß." Schnell hat er mir erklärt, wie ich alles einschalte.
Die beiden laden die Packpferde ab. Säckeweise Lebensmittel.
Sie zeigen mir, wie es verstaut wird und wo ich alles andere Benötigte finde. "Wir lagern heute hier und morgen früh machen wir uns auf den Rückweg", entscheidet Sören "Ich werde oben schlafen als Entschuldigung."
Ich muss mir Kleidung aus dem Regal nehmen, da ich nichts anderes besitze als das, womit ich weggelaufen bin. Nach einer langen Dusche trete ich an das Feuer, wo Julian schon kocht.
"Das Kleid steht dir", sagt Sören erstaunt und entschuldigt sich sofort wieder. Er steht auf und holt einen Gürtel, an dem ein Messer und eine kleine Tasche hängen. "Wenn schon, denn schon. Jeder hat das immer bei sich."
"Sie braucht einen neuen Namen", erwähnt Julian. "Sie hat noch nie einen gewählt." Er spielt auf meinen Forumsaccount an, wo ich mit meinem Normalen angemeldet bin.
Sören nickt, während er mir hilft, das lange Leder richtig umzubinden. "Zieh dich um und hol Met. Wir halten die Zeremonie ab."
Keine zehn Minuten später setzt sich Sören in voller Montur auf den erhöht stehenden Stuhl. Sein Umhang wird von Spangen gehalten. Das blaue Hemd lässt die Unterarme frei und ein goldener Armring ziert sein Handgelenk.
Julian hat beige Kleidung und der Ring ist silbern.
"Wer bringt die Maid zur Namensgebung vor den Jarl?", fragt Sören ernst.
"Ich, euer treuer Untertan Leif, mein Jarl Sören." Er zieht mich am Handgelenk zu dem Podest und zupft an mir. "Knie dich hin", flüstert er.
Ich folge der Aufforderung.
"Die Götter mögen meine Zeugen sein, wie ich, Jarl Sören von Tilflukt, dieser Maid ihren Namen gebe und ihn laut ausspreche, damit er allen bekannt ist. Ich habe ihn weise gewählt nach der Göttin des Hausstandes, der Sippe und der Familie. Wir heißen dich willkommen in unserem Haus, stellen dich unter unserem Schutz und erwarten die Befolgung der Tugenden. So stehe nun auf und empfange deinen Jarlsring, der dich an uns bindet und jedem zeigt, dass du Mitglied unserer Sippe bist, Frigg."
Nur langsam stehe ich auf, um den feierlichen Moment nicht zu stören. Ich strecke ihm meinen linken Arm entgegen.
Julian zieht scharf die Luft ein und durch Sörens blaue Augen huscht ein Funkeln.
"Das würde dich zu meiner Gefährtin machen", flüstert der Jarl erklärend. Sofort wechsle ich den Arm.
Er streift den Ring darauf. "Schade" haucht er traurig.
Julian reicht uns Becher. "Willkommen in unserer Familie, Frigg."
Wir stoßen gemeinsam an und der Met schmeckt köstlich.
Beim Essen bekomme ich eine Übersicht der Regeln. Niemand wird hier mit seinem echten Namen angesprochen, zum Schutz im realen Leben. Damit die Gemeinschaft funktioniert, müssen alle mitarbeiten.
Sören gibt mir ein Buch, in dem alles genau aufgeschrieben ist. "In einem Monat sammeln wir uns zur Litha, Sommersonnenwende. Ich muss vorwarnen, es wird wild werden. Genauso wie früher."
"Du solltest wissen, dass hier nur Ehen zählen, die Sören geschlossen hat", fügt Julian, nein Leif hinzu. "Das heißt, manche haben da draußen einen anderen Partner und hier ."
Ich muss sehr entsetzt ausgesehen haben, denn die beiden lachen.
"Hier bist du frei, Frigg", meint Sören. "Du kannst tun, was du möchtest und sein lassen, was du nicht willst."
Leif greift nach seiner Kette, nimmt sie ab und reicht sie mir. "Mögen dich die Götter beschützen und dir den rechten Pfad weisen."
Thors Hammer, Mjölnir, liegt schwer in meiner Hand. "Das kann ich nicht annehmen. Es ist doch deiner."
"Geschenke lehnt man nicht ab. Du brauchst das Amulett dringender als ich. Möge er dir die Stärke und Kraft geben, die du benötigst."
Zitternd lege ich die Kette um. "Danke."
Es fließt viel Met an dem Abend. Wir sitzen lange an dem Feuer, sie erzählen von dem Bau und wie die Gemeinschaft sich zusammengerauft hat.
Es wird viel gelacht.
Endlich kann ich es wieder. Die Last meines alten Lebens fällt von mir ab. Spät in der Nacht versuche ich ins Bett zu gehen, aber ich bin zu betrunken. Die beiden nehmen mich in die Mitte und stolpern mit mir zum Bett. Leif öffnet meinen Gürtel und Sören lässt mich langsam auf das Fell sinken.
Nur . ich halte mich so an ihm fest, sodass er auf mich fällt.
"Du bischt abba stürmisch", lallt er und sieht mir tief in die Augen.
"Geh runda." Nur mühsam kann ich ihn zur Seite drücken.
"Isch hab kein Bock hoch zu latschen. Rutsch ma."
"Gude Idee" nuschelt Leif, schwankt auf die andere Seite und wirft sich hin. Eingeklemmt zwischen den beiden, die eigentlich noch weit Platz haben, schlafe ich ein. Ohne Angst, beschützt.
Am Morgen liege ich auf dem Rücken, beide haben einen Arm auf mir. Plötzlich muss ich lachen und die beiden schrecken hoch.
"Was ist los?", keucht Sören verschlafen.
"Ich glaube, es ist einmalig, dass zwei Männer mit einer Frau in diesem Bett liegen."
Er grinst breit. "Stimmt, es war eher andersherum geplant."
"Alter, das überlebst du nicht", meint Leif ernst.
"Keine Ahnung, probiere ich noch aus."
"Dürfte ich irgendwie aufstehen?", fragte ich schmunzelnd.
Sören dreht sich auf den Rücken und macht eine einladende Handbewegung.
Jedoch hüpft Leif aus dem Bett. "Komm Frigg. Ignorier den Lüstling." "Und als Jarl bildet er sich wohl ein, dass jede auf...