Ich befinde mich in einem dunklen Raum, den ich nicht kenne. Mehr noch – ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich hierhergekommen bin. Als ich den Kopf nach rechts wende, sehe ich bodenlange Gardinen, die einen Spaltbreit offen stehen. Der fahle Mond wirft einen silbrigen Lichtstreifen auf den Fußboden und die Möbel.
Als ich die Arme bewegen will, stelle ich fest, dass man mich gefesselt hat. Zwar gehorchen meine Beine, aber die Handgelenke sind mit Lederriemen am Bettgestell fixiert.
Panik steigt in mir auf.
Wohin hat man mich verschleppt?
Mein Herz rast, und ich suche fieberhaft nach einer Erklärung, als der gleichmäßige Atem eines anderen Menschen an mein Ohr dringt. Hastig werfe ich den Kopf nach links und erstarre: Neben dem Bett steht eine dunkle Gestalt.
Regungslos steht der Mann da und scheint mich zu betrachten. Er ist groß und muskulös, leider liegt sein Gesicht im Schatten, sodass ich nicht erkennen kann, um wen es sich handelt.
»Du bist wach«, flüstert er zufrieden und beugt sich zu mir herab.
»Wo … wo bin ich?«
Statt mir zu antworten, legt er die Hand an meine Lippen. »Pssst«, macht er. »Ort und Zeit spielen keine Rolle. Nun bist du bei mir, und nur das zählt.«
Ich überlege, woher ich die Stimme kenne.
Er spricht mit einem angenehm tiefen Timbre, das mir trotz der ungewöhnlichen Situation, in der ich mich befinde, einen angenehmen Schauer über den Rücken jagt.
»Was … was hast du mit mir vor?«, frage ich mit belegter Stimme und zerre an meinen Fesseln. Als ich an mir herabblicke, stelle ich fest, dass ich bis auf ein schwarzes Top mit Spaghettiträgern und einem knappen schwarzen Slip unbekleidet auf dem Bett liege.
Ich bin ihm ausgeliefert und versuche, mich daran zu erinnern, was in den letzten Stunden geschehen ist. Doch es gelingt mir nicht.
War ich auf einer Party in einem Londoner Club, in dem mir K.-O.-Tropfen verabreicht wurden? Eigentlich bin ich ein vorsichtiger Mensch, und wenn ich mich mal mit Freunden in einer Bar treffe, sorge ich dafür, dass ich meinen Drink niemals unbeobachtet lasse.
War es diesmal anders?
Mein Herz beginnt zu rasen. Ich blicke zu dem Fremden auf. Er ist unbekleidet. Im Zwielicht schimmert seine Haut wie Samt. Als er meinen angstvollen Blick sieht, lacht er leise.
Ich werde mir meiner Wehrlosigkeit bewusst und zerre noch einmal an meinen Fesseln.
Wieder lacht er überheblich.
Er beherrscht mich. Besitzt mich. Allein der Gedanke, dass ich ihm ausgeliefert bin, erregt mich auf eine seltsame, mir fremde Art und Weise. Wenn ich mich bewege, spüre ich die Fesseln, mit denen der Unbekannte meine Handgelenke am Bettgestell fixiert hat. Der leichte Schmerz versetzt mich in eine Art Trance, die mir neu ist.
Im Halbdunkel des Zimmers sehe ich seine Silhouette. Sekundenlang steht er neben dem Bett und scheint sein Werk zufrieden zu betrachten. Dann beugt er sich zu mir herab, um mein Top hochzuschieben. Nun liegen meine entblößten Brüste nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt.
Einem Gesicht, das ich nur erahnen kann.
Doch der Unbekannte bringt mich schon jetzt um den Verstand, und ich sehne den Moment herbei, in dem er meine Nippel berührt, sie sanft liebkost und leidenschaftlich massiert, mich seine Lippen spüren lässt.
Ich habe keine Ahnung, wie ich in diesen Raum gekommen bin, kenne nicht einmal den Namen des Mannes, der mich mit wenigen Worten nahezu willenlos gemacht hat. Als ich die Augen schließe, sehe ich schlaglichtartig eine schwarze Limousine. Ich sitze im Fond, trage ein eng anliegendes, knielanges Kleid, darunter einen Hauch von Wäsche. Ich erinnere ich mich daran, einen Push-up-BH mit Spitze, einen farblich passenden String-Tanga und halterlose, hautfarbene Nylons angezogen zu haben. Dann war ich in diesem einsamen Haus, dieser Villa im Nirgendwo. Der Unbekannte hat mich wortlos begrüßt und mich an der Hand genommen. Ohne Widerstand zu leisten, bin ich ihm in sein Schlafzimmer gefolgt. Kaum, dass er die Tür hinter uns geschlossen hat, reißt er mir das Kleid vom Leib und bedeckt meine Haut mit seinen Küssen. Keinen Millimeter lässt er dabei aus, und ich fühle mich, als stünde ich unter Strom, so sehr begehre ich diesen fremden Mann.
Es ist eine nahezu bizarre Situation: Nun bin ich im Haus dieses Fremden, kenne nicht einmal seinen Namen, weiß nicht, wie er aussieht, und vergehe fast vor Verlangen.
Als er sein Gesicht auf meinen entblößten Oberkörper legt, durchzuckt mich ein Schauer der Lust. Dann, ewige Sekunden später, haucht er auf meine erigierten Brustwarzen. Ein Stöhnen kommt über meine Lippen. Ich halte es kaum aus und will diesen großen, fremden Mann endlich in mir spüren, will mich von ihm davontragen lassen in eine fremde Welt. Doch er lässt sich Zeit.
Als er sieht, wie sich mein Becken aufbäumt, hält er inne und betrachtet zufrieden das, was er aus mir gemacht hat: eine Sklavin seiner Lust.
Die ganze Situation ist fremd und neu für mich, doch sie ist mir nicht unangenehm – im Gegenteil: Ich genieße es, mich diesem Mann hinzugeben und ihm wehrlos ausgeliefert zu sein.
»Willst du mehr?«
Seine Stimme ist nicht mehr als ein raues Hauchen.
Ich nicke. »Ja«, wispere ich. »Bitte … benutze mich!«
Habe ich das eben wirklich gesagt?
Ich möchte … benutzt werden?
Plötzlich bin ich mir selbst fremd, doch ich habe keine Zeit, mir über Moral Gedanken zu machen, denn schon sind seine Hände überall. Sie streicheln und massieren mich, mal zart, mal fordernd, und dann spüre ich, wie er meine Brüste mit seinen Lippen verwöhnt. Endlich. Während er mich mit der Zunge in den Wahnsinn treibt, nestelt seine Hand am dünnen Stoff meines Slips herum.
Als eine Naht reißt, kommt ein lüsternes Stöhnen über meine Lippen. Ich will mehr, möchte ihn endlich spüren.
Wie gern würde ich jetzt meine Hände um seinen muskulösen Oberkörper schlingen und ihn zu mir ziehen, doch ich bin ihm ausgeliefert und muss mich fügen.
Da fühle ich, wie er meine Fußgelenke packt und meine Schenkel öffnet. Er ist zwischen mir, zögert, genießt offensichtlich den Anblick, der sich ihm bietet.
Dann senkt sich sein Becken auf meinen Schoß. Ich fühle seine samtene Spitze, sein forderndes Begehren an meiner mehr als bereiten Spalte und kann es kaum erwarten, ihn endlich tief in mir zu spüren. Doch er zögert, lässt seine Eichel über meine Perle tanzen, bevor er in mich eindringt.
Ich genieße jeden Millimeter seiner Männlichkeit, nehme ihn tief in mich auf, strecke ihm mein Becken entgegen, beiße mir vor Lust auf die Lippe. Dann ist er ganz in mir und füllt mich aus – ohne sich zu bewegen.
Sekundenlang liegen wir regungslos da, und sein pulsierender Schaft versetzt mich in einen wahren Lusttaumel. Jede noch so kleine Bewegung würde genügen, um mich auf den Höhepunkt zuzutreiben.
»Das ist wunderbar«, keuche ich und knabbere an seinem Hals, der herrlich männlich duftet. Dann hält der Mann kurz inne, bevor er leidenschaftlich zustößt.
»Du willst es also auch?«
»Ja«, stammele ich. »Hör nicht auf, hör bitte nicht auf …«
Er lacht leise. »Ich möchte, dass du süchtig nach mir bist.«
»Das bin ich doch längst«, keuche ich und werde mir einmal mehr bewusst, dass ich diesen Mann überhaupt nicht kenne. Ich schlafe mit einem Fremden und wünsche mir, dass dieses Gefühl niemals aufhört.
Plötzlich fliegt die Tür auf, und ein breiter Lichtstreifen fällt in den dunklen Raum. Ich blicke an meinem unbekannten Liebhaber vorbei und sehe Daniel, den Mann, mit dem ich vor wenigen Tagen vor dem Traualtar hätte stehen sollen.
»Was tust du da?«
In seinem Gesicht sind Trauer, Wut und Enttäuschung zu erkennen. Doch ich empfinde keine Reue. Ganz im Gegenteil – ich muss lachen.
Und als der Fremde heftiger denn je zustößt, schlagen die Wellen meiner Lust mit ungeahnter Wucht über mir zusammen. Es gibt kein Zurück mehr, und so lasse ich meiner Leidenschaft freien Lauf, und der Mann, den ich gerade noch heiraten wollte, wird Zeuge eines Höhepunktes, den ich mit ihm in dieser Form niemals erlebt habe.
Als ich erwache, liege ich allein in meinem Bett. Dunkelheit umfängt mich, und ich kann die Umrisse der Möbel nur erahnen. Schweißperlen stehen auf meiner Stirn, meine Kehle ist trocken.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich nicht ans Bett gefesselt bin. Ich kann mich bewegen. Doch da ist auch dieses Gefühl der Einsamkeit, das mich umfängt. Der Unbekannte ist spurlos verschwunden, so, als hätte es ihn niemals gegeben.
Ich blicke mich um. Es ist dunkel bis auf das kalte, silbrige Licht des Mondes. Das Zimmer wirkt kalt und abweisend; ein Schauer rieselt über meinen schweißnassen Rücken.
Ich blicke zur Tür, die geschlossen ist.
Keine Spur von Daniel.
Ich befinde mich allein im Zimmer.
Die Gedanken fahren Karussell in meinem Kopf.
Es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass ich das alles nur geträumt habe. Den starken Mann, der mich nach allen Regeln der Kunst verführt und meine Leidenschaft erst geweckt und dann gestillt hat, gibt es in Wirklichkeit gar nicht.
Langsam, sehr langsam, kehre ich in die Realität zurück. Die Einsamkeit streckt ihre eiskalten Klauen nach mir aus, ich fröstele.
Zaghaft schiebe ich meine rechte Hand unter die Bettdecke. Mein Schoß fühlt sich heiß an. Ich spüre die Feuchte, die aus mir...