Schweitzer Fachinformationen
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Vom Brennholzschiff kam Vilhelm als Schiffsjunge auf einen Schoner und vom Schoner als Jungmann auf eine Bark, und nachdem er zwei Jahre als Matrose auf der Bark gesegelt war, wurde er Segelflicker. Er flickte Segel und war mit seinem Leben zufrieden, bis ihm auffiel, dass gewöhnlichere Kerle als er bereits als Boots- und Steuerleute herumbrüllten, und ihm kam in den Sinn, dass hinter dem Horizont womöglich etwas Neues und Gutes auf ihn wartete. In diesem Glauben heuerte er auf jedem erbärmlichen Schiff an, auch auf einer griechischen Bark, die Salz von Sardinien nach Schweden brachte.
Bald nach dem Auslaufen geriet das Schiff in einen Sturm. Die schlecht festgebundene Salzsackfracht geriet ins Rutschen, das Schiff krängte und hätte eiligst gewendet werden müssen, aber die Männer, die Freiwache hatten, lagen in der Back und kamen nicht heraus, obwohl jeder Seemann auf der ganzen Welt weiß, was drei lange Pfiffe aus der Trillerpfeife bedeuten. Vilhelm konnte nicht fassen, was für eine Müdigkeit die Männer plagte, dass sie sogar stärker war als die Seenot. Insgeheim bewunderte er die Männer freilich für ihre Sorglosigkeit, so wie er immer Leute bewundert hatte, die sorgloser waren als er, aber diesmal mischte sich unter die Bewunderung der Verdacht, die Sorglosigkeit könnte sie alle das Leben kosten.
Der Kapitän, ein mürrischer Grieche, der nur wenige Jahre älter war als er, ging hinunter, um die Männer brüllend herauszuholen. Inzwischen passierte an Deck allerhand, der Sturm ließ die Rah brechen, und Wellen, so hoch wie der Kirchturm von Huurnas Heimatort Askainen, zogen das Schiff auf die Felsenküste zu. Die Männer, die Wache hatten, waren keine Hilfe, sie schrien sich gegenseitig an, und der deutsche Steuermann, der im Hafen den Eindruck eines Mannes der Tat gemacht hatte, grollte unter dem Fockmast vor sich hin und sagte in einem fort, dass er es geahnt habe, er habe es geahnt, er habe es gleich geahnt, als er dieses Schiff betreten habe.
Der Kapitän blieb lange im Rumpf des Schiffes. Vilhelm fand, dass der Kapitän an Deck kommen sollte, um seinen Leuten Kommandos zu geben, also ging er ihn holen, fand ihn auch an der Tür zur Back und trug sein Anliegen vor. Der Kapitän sah Vilhelm an, als hätte dieser das Chaos angerichtet, und schlug mit der Lampe nach ihm. Sie traf Vilhelm mit einer Ecke am Auge. Er fiel auf die Knie, drückte sich die Mütze aufs Auge, dachte an seine sonderbare Haltung und schämte sich dafür, aber die Scham ließ bald nach, denn er hatte Angst, das Auge verloren zu haben und bald auch das Leben zu verlieren.
An Deck rannten die Griechen noch immer hin und her. Er hielt sich die Schläfe und überlegte, wie er die Männer dazu bringen könnte, dass alle ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache richteten, aber ihm fiel kein Mittel ein; er konnte sich nicht einmal auf den Beinen halten, sondern fiel jedes Mal hin, wenn ein Schwall Wasser über die Reling kam und ihn erfasste. Unter der Mütze lief Blut hervor und rann bis in den Mund, und er schmeckte das Aroma des Blutes und das scharfe Aroma des Mittelmeersalzes und erinnerte sich an das Wasser seiner Kindheit, in dem er geschwommen war, an das trockene Holz des Steges, und ihm kam der Gedanke, dass es eine Enttäuschung für ihn wäre, wenn er jetzt mit diesem Schiff, das eine Ladung Salz transportierte, in diesem salzigen Meer unterginge. War es Schutz von oben oder reiner Zufall, der das Schiff an der Felsküste vorbeiführte? Es mochte auch geholfen haben, dass niemand versuchte, auf seinen Kurs Einfluss zu nehmen. Stattdessen schrien sich die Griechen bis zum Schluss gegenseitig an und ließen das Schiff treiben, wie es wollte. Jeder, der schon einmal im Sturm gesegelt ist, weiß, dass Segelschiffe vieles tun, worum sie zu bitten der Mensch nicht einmal auf die Idee käme.
Im Schutz einer Halbinsel setzten die Männer ihren Streit immerhin so weit aus, dass sie die Anker warfen. Der Wind tobte in der Takelage, und das Schiff riss an den Ketten, blieb aber auf der Stelle, und da dachte Vilhelm wieder daran, zu atmen, und er beschloss, etwas zu unternehmen, sein Leben etwas oder jemandem zu widmen. Ihm fiel jedoch nichts und niemand ein, dem er sein Leben geben könnte, und so gelobte er in Ermangelung eines Besseren, von dem Geld, das für ihn auf dem Meer zusammenkam, die Seefahrtschule zu besuchen.
Von dem Streich des Kapitäns mit der Lampe blieb im Augenwinkel eine Delle mit Narbe zurück, die ihm einen traurigen Gesichtsausdruck verlieh. Noch im Herbst, als er in einer zugigen Unterkunft in Turku wohnte, war der gesamte Schläfenbereich empfindlich. An der Seefahrtschule lernte er Navigation, Buchhaltung, Deutsch und Englisch und blickte aus den Fenstern im obersten Stock auf die Bäume, die sich ganz in der Nähe bewegten, so nah, dass man in ihre Kronen hätte springen können. Vor allem an regnerischen Tagen litt er unter starken Kopfschmerzen.
Bis Weihnachten hörten die Schmerzen auf. Wenn sich seine Finger bisweilen zu der Narbe im Augenwinkel verirrten, fühlte er sich männlich und erinnerte sich an Geschichten über die Wikinger.
Von einem Segelschiff mit seinen wurmigen Zwiebacken und feuchten Kojen aus gesehen, ist jede Stadt das Paradies. Dort wartet eine solche Ausgelassenheit, dass allein der Gedanke daran das linke Bein veranlasst, zwei Schritte auf einmal zu machen. Wenn das Schiff im Hafen einläuft, wenn die Last gelöscht und der Rumpf gereinigt ist, stürmt der Mann dieses Paradies. Einen Tag lang geht es ihm gut, manchmal auch zwei, aber spätestens am dritten findet man ihn im hintersten Winkel einer Kneipe hocken, wo er über die Falschheit der Welt lamentiert. Einen Monat später, wenn bei ihm ansonsten schon wieder alles in Ordnung ist, muss ihm der Steuermann oder ein anderer, der als Schiffsarzt fungiert, die gräuliche Salbe mischen, mit der man versuchen kann, die Erinnerungen an die Freuden der Stadt wenigstens untenherum zu vertreiben.
In Vilhelms Gedanken wahrte Turku seine paradiesische Verheißung über viele Wochen. Auf dem Weg zur Schule nahm er die Stadt als Ansammlung von länglichen, übereinander angeordneten Granitblöcken wahr, zwischen denen Menschen und Herbstlaub umhertrieben, aber vom Pult im Klassenzimmer aus betrachtet schien vor den Fenstern und hinter den Baumkronen wieder die Sanftheit des Paradieses zu flimmern.
Vilhelm fand, dass der Schulbesuch viel mit dem Reisen gemein hatte. Denn in Zügen und auf Wagen rannte sein Geist stets für die Pferde mit oder trieb wie eine Kurbel die Lokomotive an, eilte all dem mühsamen Vorwärtskommen voraus und musste dann warten, bis er vom jeweiligen Fahrzeug eingeholt worden war. Dieses ständige Vorauseilen und Warten strengte ihn derart an, dass er am Ziel müder war als der Lokomotivführer, der sich immerhin nur auf das Fahren seiner Lokomotive zu konzentrieren hatte, oder als der Fuhrmann, dessen Gedanken bei den Pferden und bei der Straße geblieben waren. Er hatte das Gefühl, in der Seefahrtschule auf ähnliche Weise abwechselnd vorauszueilen und zu warten und deswegen müde zu werden.
Jeden Tag kam er auf dem Schulweg am Krankenhaus vorbei, und an manchen Morgen sah er dort auf den Balkonen graue Gestalten. In solchen Augenblicken fiel ihm wieder ein, dass es Schlimmeres gab, als Buchhaltung zu büffeln.
Paavo war zunächst lange sein Banknachbar, bevor sie Freunde wurden, und darum fragte er sich später oft, ob er sich auch mit all den anderen, die ihm nun fremd waren, hätte anfreunden können, wenn er nur im richtigen Moment neben sie geraten wäre.
In der zweiten Woche bekam Paavo eine Ermahnung wegen Alkoholgestanks und in der dritten wegen Aggressivität. Im November saßen sie im Pinella. Paavo musterte ihn lange und sagte dann: »Huurna, selbst wenn du einmal Admiral bei der Flotte des Zaren wirst, bleibst du für mich immer der Bursche aus der Linnankatu.«
Paavos Worte brachten ihn am Kneipentisch zum Lachen, und später dachte er oft daran zurück. Als Kapitän fielen sie ihm immer dann ein, wenn er das Gefühl hatte, dass alle anderen echte Kapitäne waren und er nur eine Art Missverständnis, das noch einmal ans Tageslicht käme.
Er fand es erstaunlich, dass in den verborgenen Winkeln des Geistes so sehr die Kraft eines anderen Menschen wohnen konnte, einem selbst fremd, und dass man sie dort immer wieder neu hervorholen konnte.
Im Dezember reiste Seefahrtschüler Vilhelm Huurna in seinen Heimatort Askainen, um seine Mutter und seinen Vater zu besuchen. Er saß im neuen Anzug in der Stube und stellte sich dar.
Er besuchte auch die Hofherren von Askainen, um mit ihnen über das Schiff zu verhandeln, das sie anzuschaffen versprochen hatten und zu dessen Kapitän sie ihn ernennen würden, sobald er die Schule beendet hatte, und in Gesellschaft dieser Männer verkörperte er jemand ganz anderen.
Die Versammlung wurde im Saal von Gut Glad abgehalten. Die Hofherren saßen hier und da am Rand, als ginge sie die Angelegenheit nicht im Geringsten etwas an, und da sie offenbar sonst nichts zu bereden hatten, zog Huurna die Schlussfolgerung, dass alles,...
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