Schweitzer Fachinformationen
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Ein Fisch, mild und edel im Geschmack. Man findet ihn in ganz Japan in der Nähe felsiger Küsten, die reichlich Nahrung bieten, sowie an Klippen im offenen Meer. Auch an der Uchibo-Bucht der Präfektur Chiba ist er zu finden. Seine Fangsaison ist von Sommer bis Winter. Er schmeckt hervorragend als Sashimi nach Yakishimo-Art, fein gewürzt und am Spieß gegrillt oder als Hauptzutat in einem Nabe-Eintopf.
Möwen am blauen Himmel. Sie kannte sie, diese Art Möwen, aus Bildbänden oder aus dem Fernsehen, doch sah sie die Vögel heute zum ersten Mal in echt. »Maau, maaau .« Ihr Ruf erinnerte wahrhaftig an das Miauen von Katzen, kein Wunder also, dass man sie Umineko, Meereskatzen, nannte. Doch in diesem Ruf lag auch etwas Trauriges. Ein Kätzchen, das sich verirrt hatte?
Die zwanzigjährige Kotoko Niki befand sich in einem Küstendorf in der Uchibo-Bucht der Präfektur Chiba. Sie hatte am frühen Morgen in Tokio den Zug hierhergenommen. Mit den Sandalen im Sand stehend, blickte sie in den Himmel und über das Meer. In einiger Entfernung ging ein schmaler Pfad ab. Er war nicht asphaltiert, sondern vollständig mit weißen Muscheln ausgelegt. Den Informationen zufolge, die Kotoko am Telefon erhalten hatte, musste das Chibis Kitchen am Ende dieses Pfads liegen.
Chibis Kitchen, das kleine Restaurant am Meer, war der Grund, weshalb Kotoko heute früh den weiten Weg aus der Stadt auf sich genommen hatte. Es war noch nicht einmal neun Uhr, und am Strand war noch kein Mensch zu sehen. Auch auf dem Weg vom Bahnhof war Kotoko kaum jemandem begegnet. Wie ruhig es hier doch war. Das kannte Kotoko aus Tokio nicht. »Ein Dorf am Meer .«, flüsterte sie.
Nachdem sie noch eine Weile über den Sandstrand geblickt und den Möwen zugeschaut hatte, betrat sie den weißen Muschelpfad. Das Knirschen ihrer Schritte hallte so laut in die Stille, dass sie fürchtete, damit das ganze Dorf zu wecken.
Obwohl sie schon Mitte Oktober hatten, war das Wetter noch immer sommerlich und die Sonne schien gleißend an einem wolkenlosen blauen Himmel. Kotoko war froh, dass sie ihren Hut dabeihatte. Mit seiner breiten Krempe bot er ihr Schutz vor dem starken Sonnenlicht. Er war weiß und passte perfekt zum ebenfalls weißen Kleid, das sie heute trug. Mit ihrer hellen Haut und dem langen schwarzen Haar stand ihr dieser etwas altmodische Stil gut. »Meine junge Lady aus der Showa-Zeit!«, hatte ihr zwei Jahre älterer Bruder Yuito sie oft hochgenommen. Bei diesem Gedanken füllten sich Kotokos Augen unwillkürlich mit Tränen. Nein, nicht etwa, weil sie beleidigt gewesen wäre. Die Tränen kamen, weil Yuito nicht mehr da war.
Yuito war nicht mehr auf dieser Welt.
Vor drei Monaten hatte er gehen müssen.
Und sie war schuld daran.
Es war ein Sommerabend zu Beginn der Schulferien. Das neue Buch ihrer Lieblingsautorin war gerade erschienen, und sie beschloss, sich zur großen Buchhandlung am Bahnhof aufzumachen. Natürlich hätte sie es auch online bestellen können, doch um gegen das grassierende Sterben der Buchläden anzukämpfen, kaufte sie Bücher, wenn möglich, im Laden. »Ich bin kurz draußen!«, rief sie ins Wohnzimmer und sprang aus dem Haus. In der Buchhandlung lag der Roman bereits in mehreren Stapeln aus. Sie war offensichtlich nicht die Einzige, die gebannt auf ihn gewartet hatte. Sie schnappte sich ein Exemplar und ging zur Kasse. Als sie wieder aus dem Laden trat, war es kurz nach sechs Uhr. Die orangefarbene Abendsonne blendete sie. Sie blinzelte zum Bahnhof hinüber, da sah sie ihren Bruder auf sich zukommen. »Oh, hey!«, begrüßte sie ihn. Sie waren nicht verabredet, aber die Wahrscheinlichkeit war groß, Yuito hier über den Weg zu laufen. Der Bahnhof lag etwa zehn Gehminuten von ihrem Zuhause entfernt, und wenn sie pünktlich zum Abendessen daheim sein wollten, war es höchste Zeit loszulaufen.
»Na, auf dem Heimweg?«, fragte Yuito ruhig.
»Mhm«, gab Kotoko zur Antwort. Auf dem Weg sagte keiner etwas. Sie verstanden sich zwar gut, zählten aber nicht zu den Geschwistern, die sich ständig über alles austauschten. Sie genossen es, schweigend nebeneinander hergehen zu können, ohne dabei ein ungutes Gefühl haben zu müssen. Kotoko war in Gedanken bei dem Roman, den sie gerade gekauft hatte. Sie konnte es kaum erwarten, zu Hause mit dem Lesen zu beginnen. Es würde ein gemütlicher Abend werden. Als sie etwa fünf Minuten so nebeneinander hergeschlendert waren, kamen sie zu einer schmalen Kreuzung an der Straße, die direkt zum Bahnhof führte und an der es sich häufig staute. Sie standen an der Ampel und warteten. Kotoko schaute nicht zu ihrem Bruder hinüber. Warum auch? Einen Augenblick später wurde es grün. Kotoko lief los, noch immer ohne sich nach Yuito umzudrehen.
Es geschah, als sie den Zebrastreifen etwa zur Hälfte überquert hatten. Kotoko hörte plötzlich ein dröhnendes Motorgeräusch. Sie schaute erschrocken auf. In einem Höllentempo raste ein Auto auf sie zu. Hilfe! Vor Schreck erstarrte sie vollends und konnte sich nicht mehr bewegen, ihre Beine waren wie gelähmt. Sie wollte nur noch ihre Augen schließen. In dieser Sekunde spürte sie einen heftigen Stoß im Rücken. Zunächst glaubte sie, vom Auto erwischt worden zu sein, aber nein, es fühlte sich anders an. Mit voller Wucht schlug Kotokos Körper auf dem gegenüberliegenden Gehweg auf. Ihre Knie waren aufgeschürft. Ihre Ellbogen schmerzten. Doch wie es schien, hatte das Auto sie nicht erwischt. Was war passiert? Benommen drehte sie sich zur Straße um. Da sah sie es. Warum hatte sie ihre Augen nicht geschlossen gehalten? Warum musste sie das sehen?
Es war Yuito gewesen, der sie auf den Gehweg gestoßen, der sie gerettet hatte. Einen winzigen Augenblick bevor das Auto sie erfassen konnte.
»Warum .?«
Niemand hörte ihr Flüstern.
Kotoko war heil davongekommen. Doch für Yuito war es zu spät. Das Auto, das auf den Zebrastreifen zugerast war, hatte ihn erfasst. Er wurde durch die Luft geschleudert, um wenig später, gleich einer Marionette, der man die Fäden abschneidet, wieder auf die Straße zu plumpsen. Dort blieb er in einer unnatürlich verbogenen Haltung reglos liegen und gab kein einziges Zucken von sich. Lautes Hupen von allen Seiten. Irgendwo ein greller Schrei. Passanten begannen zu rufen: »Einen Krankenwagen!«, »Einen Krankenwagen, schnell!«
»He, alles in Ordnung mit dir?« Die Frage war an Kotoko gerichtet. Sie realisierte es, konnte aber nicht antworten. Sie konnte an nichts denken. Ihre Stimme war weg. Die vielen Fragen der Leute drangen nicht zu ihr durch, sie starrte nur auf Yuitos reglosen Körper. »Yuito«, flüsterte sie leise. Sirenen heulten auf. Als der Krankenwagen kam, war ihr Bruder bereits tot.
Kotoko ging den mit Muscheln gepflasterten Pfad entlang. Ihre Augen füllten sich immer mehr mit Tränen, die Landschaft um sie herum verschwamm. Seit Yuitos Tod konnte sie nicht aufhören zu weinen. Unaufhörlich liefen ihr Tränen über die Wangen. Doch jetzt wollte sie das nicht. Es wäre peinlich, so verheult im Restaurant aufzutauchen. Wenn sie nicht rasch aufhörte, wären ihre Augen gleich völlig verquollen. Kotoko blieb stehen und warf ihren Kopf in den Nacken. Sie blickte in den Himmel. Das grenzenlose Blau umhüllte sie wie eine Umarmung. Nur langsam beruhigte sie sich. Sie schaute auf die Armbanduhr. Schon so spät? Die Reservierung! Jetzt aber los, dachte sie und schritt entschlossen voran, als ihr plötzlich ein heftiger Windstoß den Hut vom Kopf blies. Bei diesem heiteren Wetter war sie darauf nicht gefasst gewesen. »Oje . was nun?« Ihr weißer Hut wirbelte hoch in den Himmel und segelte Richtung Meer. Ernüchtert sah sie ihn bereits irgendwo ins Wasser fallen. Sie hatte zwei Möglichkeiten. Entweder sie rannte ihm nach, oder sie ließ es bleiben und würde ihn damit für immer verlieren. Aber sie mochte diesen Hut doch! Nein, sie konnte das nicht einfach geschehen lassen! Obwohl sie noch nie eine gute Sprinterin gewesen war, spurtete sie dem Hut hinterher. Doch was war das? Plötzlich bemerkte sie, wie der Schatten eines jungen Mannes an ihr vorbeizog. Versuchte er etwa, ihren Hut zu fangen? Diese Frage kam Kotoko jedoch erst später. Zu sehr erschrak sie bei seinem Anblick. Er sah von hinten wie Yuito aus! Dieser hohe, gerade Rücken, schlank und doch muskulös. Auch das halblange Haar war das ihres Bruders. »Yuito .«, rief sie zaghaft, doch ihre Stimme verlor sich im Wind. Der junge Mann blickte nicht zurück, sondern sprang hoch ins Sonnenlicht. Wie wunderschön seine Silhouette aussah. Wie ein Engel mit Flügeln am Rücken, dachte sie. Yuito! Das ist Yuito! Ihr Bruder war aus dem Jenseits zurückgekehrt. Auf dem ganzen Weg hierher hatte sie nur an ihn gedacht, ja, sie war hergekommen, um ihn wiederzusehen, um dieses Wunder zu erleben. War es wirklich geschehen? Ein größeres Glück konnte es nicht geben!
Doch natürlich war dem nicht so. Es war kein Wunder geschehen, wie sie gleich erfuhr.
Der junge Mann schaffte es tatsächlich, den Hut einzufangen, der bereits fast über dem Wasser segelte. Er schnappte ihn mit der rechten Hand und landete galant im Sand. Dann drehte er sich zu Kotoko um. Jetzt erst konnte sie sein Gesicht sehen. Er musste, wie auch Yuito, etwa Anfang zwanzig sein, doch sah er überhaupt nicht aus wie ihr Bruder. Während Yuito ein männliches, markantes Gesicht hatte, dem die Sonnenbräune stand, hatte dieser junge Mann etwas Knabenhaftes an sich. Seine Züge waren fein und zierlich, seine Haut schneeweiß, fast durchsichtig. Auf der Nase trug er eine teuer anmutende Brille mit dünnem Rahmen. Kotoko fragte sich, ob das nicht eher eine Frauenbrille war, doch zu...
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