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Machmud
Ihre Gattin ist eine mutige Frau«, hatte er zu mir gesagt. Als ob ich nicht wüsste, wie meine Frau ist! Begibt sie sich nicht freiwillig mit mir in Gefahr? Und dennoch, vielleicht kenne ich Catherine wirklich nicht. Lassen wir das jetzt beiseite! Jedenfalls hat er sie sicher nicht zufällig erwähnt, hinter jedem seiner Worte verbirgt sich eine Absicht. Aber momentan ist das Problem nicht Catherine. Außerdem werde ich kein einziges Problem lösen, wenn ich noch weiter durch die düsteren Korridore des Innenministeriums tappe, nach dieser beklemmenden Begegnung mit Mister Harvey.
Dabei war an seinen Worten überhaupt nichts Neues, abgesehen von gewissen indirekten Andeutungen, die ich zum Teil verstand, der Rest war mir ein Rätsel.
Schon bevor ich bei ihm eintrat, wusste ich, dass die Sache entschieden war. Oberst Said Bey hatte mir mitgeteilt, der Berater des Ministers habe bei Seiner Exzellenz Pascha, dem Minister für Innere Angelegenheiten, eine entsprechende Empfehlung eingereicht, und Seine Exzellenz habe bereits Order erlassen, sie weiterzuleiten und unverzüglich auszuführen. Demnach blieben mir nur wenige Tage, um mich der Karawane anzuschließen, die von Kerdasa aufbrechen werde. Als Freund rate er mir, auf die Idee zu verzichten, meine Gattin mit mir zu nehmen. Diese Reise in die Oase sei kein Spaziergang, und die Mission selbst gestalte sich äußerst schwierig, wie mir ja bekannt sein dürfte. Letzten Endes sei es meine eigene Entscheidung. Ungeachtet dessen halte er es für seine Pflicht, mich vor den Gefahren der Reise zu warnen. Selbst im günstigsten Fall und mit einem kundigen Führer werde sie mindestens zwei Wochen dauern.
Ich bin sicher, dass mir Said keine Angst machen wollte. Und bestimmt hat er alles in seinen Kräften Stehende unternommen, um mir diese Versetzung zu ersparen. Unsere Freundschaft besteht seit langer Zeit, mag sie sich auch im Laufe der Jahre gelockert haben und heute fast nur noch auf eine Beziehung zwischen Vorgesetztem und Untergebenem beschränkt sein. Trotz allem verbinden uns die Geschichten und Hintergründe einer vergangenen Epoche. Seit Jahren haben wir nicht mehr davon gesprochen, und doch weiß jeder von uns, dass der andere sich daran erinnert. Meine Kollegen haben mich ebenfalls vor der Reise gewarnt, allerdings mit verdächtigem Mitleid. Die einen sind froh, dass es mich getroffen hat und sie selbst von diesem Auftrag verschont blieben, die Übrigen gaben sich die größte Mühe, ihre Schadenfreude über mein Missgeschick zu verbergen. Sie erzählten mir von zahlreichen Karawanen, die sich in der Wüste verirrt hätten und von den Dünen verschluckt wurden. Nicht nur kleine Karawanen seien spurlos verschwunden, in alter Zeit habe die Wüste auch ein gewaltiges persisches Heer auf seinem Feldzug gegen die Oase besiegt und für immer unter den Sandmassen begraben. Glücklich die Karawane, sagten sie, die ihre Reise beendete, bevor der Wasservorrat aufgebraucht war, bevor die Sturmwinde alle Wegzeichen auslöschten und Hügel auftürmten, die es vorher dort nicht gab, und bevor sie die Brunnen verschütteten, auf die man zum Tränken der Kamele angewiesen war. Und glücklich die Karawane, die beim nächtlichen Lagern nicht von Wölfen und Hyänen überfallen wurde oder ein, zwei Reisende durch Schlangenbisse verlor.
All das und noch manches andere, was sie daherredeten, interessierte mich gar nicht. Meine Befürchtung, die Karawane könnte ihren Weg verfehlen, war nicht geringer als meine Angst, dass sie wohlbehalten ihr Ziel erreichte. Ich weiß ganz genau, dass ich mich an einen Ort begebe, wo ich vom Tod bedroht bin. Und mit mir vielleicht Catherine.
War das auch eine von Mister Harveys Andeutungen, die er in unser heutiges Gespräch eingestreut hatte?
Als ich sein Büro betrat, war ich entschlossen, ihn zu provozieren. Was hatte ich schon zu verlieren?
Es war das erste Mal, dass ich bei diesem Berater, der alle Fäden des Ministeriums in Händen hielt, vorgeladen wurde. Sein diplomatisches Geschwafel erschien mir affektiert, und ihn selbst fand ich einigermaßen aufgeblasen, wie er da mit seinem kurz geratenen Körper und dem achtlos auf den Kopf gestülpten Tarbusch, unter dem seine blonden Haare hervorschauten, hinter einem protzigen Schreibtisch thronte. Er sprach mich nicht direkt an, richtete vielmehr die meiste Zeit seine Worte an ein unsichtbares Etwas irgendwo in der rechten Ecke des Büros. Er wiederholte die gleichen Informationen, die ich bereits von Oberst Said vernommen hatte, bis er schließlich auf etwas zu sprechen kam, was er für meinen schwachen Punkt halten mochte: »Gewiss sind Sie glücklich, Captain Machmud Abdel Sahir Effendi - äh, Verzeihung, nunmehr Major Machmud -, über Ihre Ernennung zum Distriktkommissar der Oase!« Er tat, als läse er in meiner Dienstakte, die vor ihm lag, dann setzte er hinzu, unter normalen Umständen hätte ich auf diese Beförderung wohl noch lange warten müssen.
»Wobei zu bedenken ist, Eure Exzellenz«, unterbrach ich ihn mit einem möglichst höflichen Lächeln, »dass nur wenige im Ministerium diese Beförderung begrüßen dürften!«
Er ging nicht darauf ein und schaute mich auch nicht an. Stattdessen blätterte er in einem anderen Dossier, auf dem in großen englischen Buchstaben geschrieben stand: »OASIS SIWA«. Was er las, schien ihn zu amüsieren. »Interesting«, murmelte er von Zeit zu Zeit vor sich hin, »very interesting.« Schließlich hob er den Kopf und sagte, den Anflug eines Lächelns auf den Lippen: »Also, mein lieber Major Machmud, Sie werden wissen, dass Sie dort ausschließlich mit diesen Oberhäuptern der Familien in Beziehung zu treten haben, die man in der Oase >Adschwad< nennt.«
»Selbstverständlich. Said Bey hat mir alle notwendigen Instruktionen gegeben.«
Als hätte ich nichts gesagt, fuhr er fort: Mit den Landarbeitern hätte ich nichts zu tun, das seien die . Er blickte wieder in das Dossier, um nach der Bezeichnung zu suchen. Ich warf ein, sie hießen »Saggala«.
Er vergewisserte sich mit einem erneuten Blick in die Mappe. »Ja, genau«, sagte er. »Saggala. Nun, solange sie mit diesem System zufrieden sind - was gehts uns an? Freilich fühlt man sich doch irgendwie an Sparta erinnert. Haben Sie von Sparta im antiken Griechenland gehört, Mister Abdel Sahir?«
»Ich habe davon gehört, Mister Harvey.«
In seinem Gesicht zeigte sich etwas wie Enttäuschung darüber, dass ich Sparta kannte. Dennoch entschloss er sich, in seinem Vortrag fortzufahren. »Jawohl, Sparta! Mit einem Unterschied natürlich. Sparta war eine Stadt, die ihre Krieger geradezu produzierte. Von klein auf erzogen sie die Kinder zu Soldaten und hielten sie getrennt von der übrigen Einwohnerschaft. So wurde schließlich ganz Sparta zu einer Armee, die in einer Stadt lebte. Die stärkste Armee in Griechenland vor Alexander! Und diese, äh . diese Saggala in der Oase sind eigentlich auch rekrutiert, nur eben zur Arbeit in der Landwirtschaft. Bis zu ihrem vierzigsten Lebensjahr müssen sie den Boden bearbeiten. Sie dürfen nicht heiraten, ja nicht einmal nach Sonnenuntergang die Tore passieren und die Stadt betreten.« Er persönlich halte diese Regelung für eine bemerkenswerte Organisation der Gesellschaft und der Arbeit. Ja, fast würde er sagen, sie verdiene Bewunderung. »Sehen Sie sich nur einmal unsere Kolonien in Afrika und Asien an, Mister Sahir! Das reine Chaos herrscht dort, weil eben die Arbeit .«
Ich unterbrach ihn noch einmal. »Aber Eure Exzellenz«, sagte ich lachend. »Wir besitzen gar keine Kolonien in Afrika oder Asien.«
Den Rest behielt ich lieber für mich: »Wir sind die Kolonisierten!«
Für einen Moment runzelte er die Stirn und stockte in seinem Redefluss. Von Neuem warf er einen Blick in das Dossier, dann hob er den Kopf. »Wiederum andere Aspekte ihres Systems«, sagte er plötzlich mit einem verschlagenen Lächeln, »etwa die Trennung der Jugendlichen von den Frauen, frequentieren uns selbstverständlich nicht. Dieses Thema ist für uns uninteressant. Mit ihren primitiven Bräuchen haben wir nichts zu schaffen.«
Ich begriff, was er mir sagen wollte, reagierte jedoch nicht auf seine Worte, sodass er sich wieder an das unsichtbare Etwas rechts in der Ecke wandte. Ohnehin hatte ich bereits von Said Bey gehört, dass die dortige Bevölkerung in zwei verfeindete Sippen gespalten war.
Meine Geduld war erschöpft. Ja, ja, ich weiß! Gewiss, die Kämpfe zwischen ihnen nehmen kein Ende.
Er kehrte mir sein Gesicht wieder zu. »Aber nicht einmal das geht uns etwas an«, erklärte er mit Nachdruck. »Diese Kämpfe sind Bestandteil ihres Lebens, und es steht ihnen frei, selbst zu bestimmen, was sie sich gegenseitig antun - außer natürlich, es böte sich die Möglichkeit, diese Feindseligkeiten durch bestimmte Allianzen mit der einen oder der anderen Sippe als Mittel zur Sicherung unserer Herrschaft zu nutzen. Es ist eine zuverlässige und bewährte Methode, vorausgesetzt, die Allianz mit einer Partei währt nicht zu lange. Das Bündnis muss einmal mit der einen Seite geschlossen werden und das nächste Mal mit ihren Gegnern. Sie verstehen?«
»Ich bemühe mich, Eure Exzellenz. Diese Politik ist mir bekannt, nur habe ich sie selber noch nie ausprobiert.«
»Sie werden es lernen, Herr Kommissar«, sagte er, und zum ersten Mal schwang etwas wie...
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