Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Kapitel 2
Logan konnte Charlie gar nicht mehr loslassen.
Eine Brise, die den beißenden Duft von Rauch mit sich trug, wehte die roten Locken seiner kleinen Tochter gegen seine Wange, als sie sich an seinen Hals schmiegte. Ihre Arme hingen locker um ihn, ihr Atem ging schwer. Faszinierend, wie sie mitten in diesem Lärm von angstbeherrschten Bewohnern und umherschwärmenden Feuerwehrmännern hatte einschlafen können.
Es war jetzt schon fünfundvierzig Minuten her, dass der Feuerwehrmann mit Charlie in den Armen aus dem Haus gelaufen war, doch Logans Puls hatte sich immer noch nicht beruhigt.
»Ich habe gehört, dass eine Mikrowelle Feuer gefangen haben soll.«
Theo war immer noch hier? Hatte er etwa die ganze Zeit neben Logan gestanden? Die Muskeln in seinen Armen fingen an zu schmerzen. »Wie schlimm ist es?«
»Nicht allzu schlimm, glaube ich. Wahrscheinlich können die Bewohner bald wieder zurück in ihre Appartements. Ich habe übrigens den Veranstalter von heute Abend angerufen und ihn wissen lassen, dass du nicht zu seiner Wohltätigkeitsveranstaltung kommst.«
»Danke.« Seine Stimme klang ruhig, auch wenn es sein Herz nicht war. Es war egal, ob das Feuer Schaden angerichtet hatte. Egal, ob er jemals die Serviette mit der Rede finden würde.
Alles, was zählte, war sein kleines Mädchen.
In diesen Schreckensminuten war er wieder zu dem gleichen Logan Walker geworden, der fassungslos mit Charlie im Kinderwagen auf Emmas Beerdigung gestanden hatte, drei Tage, nachdem der betrunkene Autofahrer sie ihm geraubt hatte. Er hatte sich plötzlich wieder genauso einsam und verzweifelt gefühlt.
Überzeugt davon, dass er es niemals allein schaffen könnte.
Ohne seine geliebte Emma.
»Es geht ihr gut, Walker.«
Theo. Theo, dessen Frau heute Abend zu Hause auf ihn warten würde. Theo, der nie wirklich verstehen würde, wie Logan sich fühlte, auch wenn er sich noch so sehr bemühte.
»Aber versprich mir bitte, dass du die Nanny feuern wirst.«
Logan legte sich Charlie auf die andere Schulter. Sie schlief ungestört weiter.
»Er muss mich nicht feuern. Ich kündige.«
Sowohl Logan als auch Theo drehten sich um. Krista stand mit in die Hüften gestemmten Armen hinter ihnen und blitzte sie böse an. Verschwunden waren die Tränen von vorhin. Jetzt sprühten Funken aus ihren Augen.
»Sie kündigen?« Logans Arme spannten sich an.
»Habe ich doch gesagt.«
Theo wurde ungehalten. »Sie haben Nerven, junge Frau -«
Logan brachte Theo mit einem Blick zum Schweigen, dann starrte er Krista mit dem gleichen Blick an, den er seinem kleinen Bruder früher immer zugeworfen hatte, wenn der ihn beim Basketball gefoult hatte. »Sie haben meine Tochter in einem brennenden Gebäude zurückgelassen und sind jetzt böse auf mich?«
Sie legte den Kopf schief. »Ja, ich bin böse. Ziemlich wütend sogar. Sie antwortet nicht. Charlotte antwortet nie. Sie spricht überhaupt nicht.« Sie gestikulierte in Richtung des kleinen Mädchens. »Ich habe nach ihr gerufen. Geschrien. Ich war panisch. Habe sie überall gesucht. Haben Sie eine Ahnung, was ich für eine Angst hatte?«
»Sie hatten Angst? Ich bin ihr Vater.«
»Dann verhalten Sie sich auch so.« Die Worte trafen ihn wie ein Schlag. »Besorgen Sie ihr Hilfe. Sie ist fast vier Jahre. Sie müsste schon lange sprechen. Sie sollte wenigstens antworten können, wenn jemand ihren Namen ruft.«
Sein Beschützerinstinkt lief jetzt auf Hochtouren und Wut durchströmte ihn. »Sie haben ja keine Ahnung, wovon Sie da reden.« Ihr Streit fing an, Aufmerksamkeit zu erregen. Er konnte die Blicke der Nachbarn spüren, die er aus Zeitgründen nie richtig kennengelernt hatte.
»Machen Sie sich ruhig etwas vor, aber es braucht keinen Kinderpsychologen, um zu erkennen, dass da etwas nicht stimmt.« Krista schwang sich ihren Rucksack auf die Schulter. »Und ich kann einfach nicht länger dastehen und zusehen, wie Sie Ihr Kind vernachlässigen.«
»Das reicht.« Theos feste Stimme unterbrach Kristas Tirade. »Sie kennen den Mann, für den Sie arbeiten, offensichtlich nicht. Vernachlässigung kommt im Vokabular der Walkers überhaupt nicht vor. Wenn Sie kündigen wollen, tun Sie das. Aber niemand hier will Ihre haltlosen Anschuldigungen hören.«
Kristas Blick wurde noch dunkler, als sie von Logan zu Theo und wieder zurück blickte. Dann schaute sie Charlie an und ihr Gesicht wurde weicher. Sie blickte Logan in die Augen. »Wenn Sie noch zwei Wochen brauchen, um eine neue -«
»Nein danke.«
Sie nickte steif und wandte sich zum Gehen. Doch dann warf sie noch einmal einen Blick über die Schulter. »Wo hatte sie sich eigentlich versteckt?«
»Im Kleiderschrank.« Der Feuerwehrmann hatte gar nichts sagen müssen. Logan hatte es gewusst. Auf Emmas Seite des Schrankes, hinter den Kleidern, eingewickelt in den Tüll ihres Hochzeitskleides.
Ein Schauer überlief ihn jetzt, der Schmerz wollte sich Bahn brechen. Und Krista sah es. Sie sah die Panik in seinem Blick, die Seelenqualen, die ihn hier vor allen anderen zu übermannen drohten.
Doch sie drehte sich einfach wieder um und ging weg.
Logan blinzelte. Schluckte. Atmete tief ein und aus. Und in dem Augenblick, als er sich wieder unter Kontrolle hatte und die Trauer zurück in die dunkle Ecke seines Herzens gedrängt hatte, machte sich plötzlich eine Frage in ihm breit. Was sollte er ohne eine Nanny tun? Wer würde morgen während der Pressekonferenz auf Charlie aufpassen? Konnte er in seiner Wohnung überhaupt noch leben?
Charlie regte sich in seinen Armen und er spürte ihren warmen Atem an seinem Hals. Er drückte sie an sich und küsste sie auf die Stirn. Er würde eine Lösung finden. Er würde für alles eine Lösung finden. Denn das tat er immer. Seit zwei Jahren schon.
»Hör zu, ich muss jetzt zurück.«
Er blinzelte zum wahrscheinlich hundertsten Mal. »Natürlich. Willst du mein Auto nehmen?«
»Ich hab mir schon ein Taxi gerufen.« Theo tätschelte Charlies Rücken. »Ich bin froh, dass es ihr gut geht.«
Doch . es ging ihr nicht gut, oder? Krista hatte recht. Charlie würde im August ihren vierten Geburtstag feiern und sie hatte noch nie einen ganzen Satz gesprochen. Höchstens einmal ein leises Wörtchen.
Ein Kinderarzt hatte im letzten Sommer Logans Bedenken beruhigt. Hatte ihm erklärt, dass es ohne älteres Geschwisterchen manchmal etwas länger dauerte mit dem Sprechenlernen. »Kommen Sie in einem halben Jahr noch einmal vorbei. Aber ich wette, bis dahin kaut sie Ihnen schon das Ohr ab.«
Die drückende Sonne erhitzte ihn jetzt. Sechs Monate. Es waren jetzt schon mehr als acht. Und er hatte nicht einmal angerufen, um einen Termin auszumachen.
»Ach, bevor ich fahre . wir sollten uns so schnell wie möglich mit Hadley in Verbindung setzen.« Theo hatte schon sein Handy gezückt, als er auf das Taxi zuging. »Ist es in Ordnung für dich, wenn ich die Leitung übernehme?«
War es erst eine Stunde her, dass er und Theo sich in Vorstellungen über die Senatorin ergangen hatten? Dass sie sich eine Karriere wie aus einem Film für sich vorgestellt hatten? »Na klar, nichts wie ran.« Seine Stimme klang rau und kratzig, als wäre er selbst in dem verrauchten Gebäude gewesen.
Doch das war er nicht. Jemand anderes hatte vor dem Feuer auf seine Tochter aufgepasst. Jemand anderes hatte sie gerettet.
Er war nur der Kerl, der sich nachher hilflos an sie klammerte, als alles andere vorbei war.
Genau wie an den unzähligen Abenden, als er viel zu spät nach Hause gekommen war und Charlie schon geschlafen hatte. Dann hatte er sie trotzdem in den Arm genommen und sich wieder und wieder eingeredet, dass es funktionierte, alleinerziehend zu sein und gleichzeitig eine zeitraubende Karriere zu verfolgen.
Doch es wurde immer schwerer, seinen eigenen Versicherungen zu glauben.
Eine Männerstimme, die durch ein Megafon sprach, riss ihn aus seinen trübsinnigen Gedanken. »Achtung, bitte!«
Theo blieb stehen und lehnte sich gegen die offene Taxitür. »Tu dir das nicht an, Walker.«
Logan blickte seinen Freund an. Hatte er ihn durchschaut?
»Mach dir keine Vorwürfe, dass du früher hättest hier sein sollen oder dass du ein schlechter Vater bist. Jeder, den ich kenne, bewundert die Art und Weise, wie du dich um Charlie kümmerst, seit Emma .«
Die Stimme des Feuerwehrmannes dröhnte über den Platz und ließ die Bewohner wissen, dass es nur leichte Schäden an einigen der Wohnungen gegeben hatte. Die meisten würden in ein paar Minuten schon wieder zurückkehren können. Nur im sechsten Stock - dort, wo Logan lebte - hatte es Rauchschäden gegeben.
»Ich rufe dich an, wenn ich mit Roberta S. Hadley gesprochen habe, okay?«
Logan suchte nach dem Interesse, das er hätte empfinden sollen. Roberta S. Hadley. Präsidentschaftskampagne. Eine Riesenchance für uns.
Augenblicke später schaute er dem Taxi hinterher, das sich seinen Weg durch die geparkten Autos und kreuz und quer stehenden Feuerwehrfahrzeuge suchte. Er spürte die Weichheit von Charlies Wange und blickte auf sie hinunter. Sie war wach und strahlte ihn mit ihren smaragdgrünen Augen an....
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.