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Rosie
Ich hasste und liebte erste Tage gleichermaßen. Erste Tage waren meine Schrödingers Katze. Wenn sich eine Katze in einer Box mit Gift befand, gab es in diesem Augenblick die Möglichkeit, dass sie entweder tot oder am Leben war. Man musste erst die Box öffnen, um es zu erfahren.
Es war sechs Uhr morgens. Der erste Juni. Ich lag noch im Bett. Dieser Tag hatte in dem Augenblick das Potenzial, der beste oder der schlimmste meines Lebens zu werden. Ich musste nur aufstehen, um es herauszufinden.
Aber ich traute mich nicht. Noch nicht. Ich gönnte mir noch eine Minute, in der ich die alte Rosie Thorn war. Ich starrte auf meine nackten rechten Zehen, die unter meiner Bettdecke hervorlugten. Irgendwie seltsam. Ich meine, ich ging jeden Abend mit Socken ins Bett, aber seltsamerweise wachte ich immer nur mit einem auf. Mein rechter Fuß schien ein Sockenhasser zu sein. Ich schob den linken, der in einer rot-weißen Ringelsocke steckte, ebenfalls hinaus, rieb ihn gegen den kalten rechten Fuß und gähnte, bis meine Kiefer knackten. Meine Augen fühlten sich geschwollen und verklebt an. Normalerweise schlief ich wie ein Stein, doch diesmal hatte ich es kaum geschafft abzuschalten. Mein Hirn war die ganze Nacht in diesem ekligen Zustand zwischen schlafen und doch nicht schlafen herumgedümpelt.
Der Ventilator über mir flatterte und versuchte, ein wenig frische Luft in das stickige, kleine Zimmer zu bringen. Es war zwar erst Juni, aber es fühlte sich bereits wie Hochsommer an. An meiner Zimmertür, die ich mit Pokémon-Stickern aus der Cap'n-Crunch-Packung vollgeklebt hatte, rumpelte es, und sie wurde so hart aufgestoßen, dass die Türklinke gegen die Wand krachte. Das passierte derart oft, dass an der entsprechenden Stelle bereits eine Delle die Wand einkerbte.
»Rooosie! Raus aus den Federn, heute ist ein großer Tag!«, rief mein Mitbewohner - und seit ich nach L. A. gezogen war auch bester Freund - dramatisch und warf sich mit solcher Wucht auf mein Bett, dass ich ein paar Zentimeter hochgelupft wurde und quiekte.
»Peter, was soll das?« Halb erstickt schob ich das Kissen von meinem Gesicht, das bei seinem Aufprall auf mich geklatscht war.
»Oh, sieh dich nur an, Süße, ein zukünftiger Star am Schauspielhimmel!«, schwärmte Peter weiter, zog das Kissen an sich und knüllte es in seinen Armen zusammen.
»Es ist nur das Casting für eine Netflix-Serie, krieg dich wieder ein.« Lachend pustete ich mir eine wirre rote Haarsträhne aus dem Gesicht, die dem Schlafdutt entkommen war.
Peters Grinsen wurde breiter, was sein neues Mundwinkelpiercing aufblitzen ließ. Seine Haare waren seit letztem Monat knallpink. Wegen seines schwarzen, asiatischen Haars hatte er es sich dreimal bleichen müssen, bevor die Farbe überhaupt gegriffen hatte. In letzter Zeit hatte er auch begonnen, bunte Kontaktlinsen zu tragen, was seine geschwungenen Augen größer wirken ließ. Ich sollte ihm dringend verbieten, so viele K-Pop-Videos anzusehen.
»Pardon? Wo ist dein Selbstbewusstsein hin? Das ist der Augenblick, auf den du seit ewig hingearbeitet hast! All die Jahre, in denen du nur als fettes Küken bei einer unsagbar schlechten Kindersendung das Abc getanzt hast, liegen nun hinter dir.«
»Hey, ich mag Quiko & Friends«, verteidigte ich die Show, für die ich seit über zwei Jahren Quiko das Küken spielte.
Peter warf mir einen schiefen Blick zu. »Süße, die Show wurde bereits öfter verklagt als die Teletubbies.«
»Ja, aber nur, weil .«
»Jedenfalls«, schnitt er mir resolut das Wort ab, schlang seinen Arm um meinen Hals, drückte mich an sich und beschrieb mit der anderen Hand einen Regenbogen über uns, ». liegen diese peinlichen Zeiten jetzt hinter dir. Du wirst gleich zu diesem Casting marschieren und diesem Regisseur Takimoto .«
»Nakamura«, verbesserte ich ihn.
Peter winkte ab. »Sag ich doch. Du wirst diesem Takota die beste Show seines Lebens liefern. Sie werden dich lieben, und in einem Jahr wird nicht mehr jeder den Namen deiner Cousine kennen, sondern deinen: Rosie Thorn. Die Starschauspielerin von Spank me up.«
»Light it up. Und ich bewerbe mich nur für eine Nebenrolle. Meine Cousine hat die Hauptrolle«, nuschelte ich mühsam, weil Peter mich so fest an sich drückte, dass meine Wangen zu einem Fischmund zusammengedrückt wurden.
Ich spürte das nervöse Flattern bis in meinen Magen. 56. So viele Castings hatte ich bereits hinter mir. Ohne jeden Erfolg. Die Rolle für heute wäre damit Casting Nummer 57.
»Glaubst du wirklich, dass sie mich nehmen?«, fragte ich leise.
Peter nickte feierlich. »Absolut, sogar dein Mundgeruch ist heute angenehmer. Ein Star-Mundgeruch eben«, schwärmte er übertrieben.
Ich grunzte, machte mich von ihm los und schlug ihm gegen den Oberarm. »Du kannst mich mal!«
»Gesprochen wie ein Star. Hey, willst du meine Banane signieren? Die kann ich dann auf eBay versteigern, sobald du berühmt bist.«
»Nee, lass mal, ich will deine Banane nicht .«, setzte ich an und hielt inne, als er mir tatsächlich eine leicht zerquetschte Banane unter die Nase hielt. »Hattest du die in deiner Jeanstasche?«, fragte ich skeptisch und schob sie in böser Vorahnung mit spitzen Fingern von mir weg.
Peters dunkle Augen funkelten amüsiert. »Ja, sagen wir mal, sie war außerhalb meiner Hose.«
»Oh, Peter, du bist manchmal so eklig!« Kreischend warf ich die Banane quer durch mein Zimmer, sodass sie unter einen Haufen ungewaschener Wäsche rutschte. Ich musste mir merken, dass sie dort war, sonst würde ich sie erst wiederfinden, wenn ich die Wäsche machte, und das konnte noch etwas dauern. Mein Schmutzwäscheberg wuchs manchmal in solch exorbitante Höhen, dass er sogar einen Namen hatte: Schmutzwäsche-Horst. Horst war im Augenblick dabei, einen Größenrekord aufzustellen, aber ich hatte in den letzten Wochen einfach zu viel um die Ohren gehabt, um mich um die Hausarbeit zu kümmern.
»Warum guckst du so finster, Rosilein? Die Sonne scheint . okay, noch nicht ganz. Die Vögel singen . auch noch nicht, aber du solltest scheiße noch mal vor Freude trällern«, schnurrte Peter und stupste mich auf die Nase.
Irritiert sah ich zu ihm auf. »Peter . bist du stoned?«, fragte ich.
Peter guckte unschuldig und leicht bekifft. »Höchstens ein wenig blau.« Er deutete mit Daumen und Zeigefinger einen kleinen Spalt an und kicherte. »Der Job hat unendlich lange gedauert, und die Party ist so eskaliert, dass sie von der Polizei aufgehoben wurde. Ist fast ein Wunder, dass ich noch rechtzeitig gekommen bin, um dir Glück zu wünschen und dich aus dem Bett zu werfen, bevor du dir noch einen Grund ausdenkst, unter der Decke zu bleiben und den besten Tag deines Lebens zu verpassen.« Wieder stupste er mich auf die Nase, und ich fing seine Hand ab.
»Der beste Tag meines Lebens wird der sein, an dem du endlich ausziehst«, stichelte ich, rollte mich ächzend über ihn hinweg und setzte meine Füße auf den kalten Fußboden.
»Lügnerin! Der beste Tag deines Lebens war der, als du mich bei dieser Party getroffen hast, völlig verzweifelt auf Wohnungssuche und frisch aus der Provinz. Hach, du warst so süß mit deinen Zöpfen.«
»Du hast mich angekotzt«, erinnerte ich ihn, zog mir das Schlafshirt über den Kopf und warf es auf Horst.
Ich hatte keinerlei Probleme damit, vor Peter nur in Unterwäsche herumzulaufen. Er hatte mich schon in wesentlich weniger gesehen, genauso wie ich ihn. Dazu kam, dass Peter mich sexuell in etwa so anziehend fand wie einen Chihuahua. Leicht Respekt einflößend, wenn er knurrte und sich in eine Wade verbiss, aber im Großen und Ganzen nur putzig. Seine Worte. Nicht meine. Ich nahm das nicht persönlich. Sein Typ war eher Zac Efron. Meiner ja auch.
»Und du hast mich in den Pool geschubst, und seitdem sind wir beste Freunde und WG-Kumpel. Also gern geschehen«, sagte Peter und machte einen Schnee-Engel in meinem Bett - warum auch immer -, während ich eine schwarze Skinny Jeans mit Rissen am Knie und ein grünes T-Shirt von der Kleiderstange nahm.
Mehr brauchte ich nicht. Auch kein Make-up, da sie für das Casting explizit ein ungeschminktes Gesicht sehen wollten. O Gott, das Casting. Mein Herz raste allein bei dem Gedanken los, begleitet von einem leichten Anflug von Panik. Ich war aufgestanden. Meine Füße hatten den Boden berührt. Der Tag hatte also offiziell begonnen, und ich würde tatsächlich ins Filmstudio fahren. Ich hatte heute Nachmittag zwar noch einen Dreh von Quiko & Friends, aber mit etwas Glück würde ich die Studios vielleicht mit mehr als nur dem Geschmack nach Käsefüßen wegen des Outfits verlassen.
Ich hatte für die Rolle der Mac wochenlang geübt. Ich konnte jede einzelne Zeile auswendig. Ich war jedes mögliche Szenario, das bei diesem Casting passieren konnte, in meinem Kopf durchgegangen und hatte für so ziemlich alles einen Notfallplan. Außer das Studio wurde spontan von einem Meteoriten getroffen und ging in Flammen auf. Aber selbst dann wusste ich, wo die Löschdecken waren.
»Hey, Süße, du hast erst ein Hosenbein an, und ich will deinen blassen Arsch nicht aus Horst ziehen müssen, wenn du umkippst«, holte mich Peter ins Hier und Jetzt zurück.
Tief atmete ich durch. »O Gott, Peter, ich bin so aufgeregt!«, krächzte ich und schaffte es mit etwas Hopsen endlich auch ins zweite Hosenbein.
Mein Mitbewohner lächelte mich sanft von meinem Bett aus an und setzte sich dann schwungvoll auf. »Als ich meinen ersten Gig als DJ hatte, habe ich mich vor...
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