Schweitzer Fachinformationen
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Die Spatzen und der bernsteinfarbene Sonnenuntergang, das hat sie geschrieben«, las Matteo vor und legte sein Handy beiseite.
»Das gefällt dir an Rom am besten? Im Ernst?«, fragte Alessandra ungläubig.
»Ja, und dieser Artikel hat sogar mehr Likes gekriegt als jeder andere, stellt euch vor!« Cesca warf lachend die Arme hoch.
»Also, die meisten Menschen würden sagen, das Kolosseum oder das Forum Romanum oder das Pantheon«, erwiderte Alé spöttisch. »Sogar die Rosenverkäufer an der Spanischen Treppe hätten mehr Chancen als die räudigen braunen Spatzen, die einem das Essen vom Teller picken.«
»Ja, aber die meisten Menschen sind eben einfallslos. Ich reihe mich nicht in die Masse ein. Ich bin kein Klischee. Vielleicht gefällt den Leuten ja deshalb mein kleiner Blog so gut.«
»Von wegen klein«, warf Matteo trocken ein. »Du hast ja mittlerweile so viele Follower, dass bald die Werbeindustrie anklopfen wird. Und dann machst du das große Geld.«
»Ach ja? Wenn sie sich bloß beeilen würden .«, meinte Cesca zynisch.
Aber es stimmte, ihr Blog, den sie »Römische Liebschaften« nannte, traf offenbar einen Nerv. Ihre Online-Hommage an die Wiege der Alten Welt, an Pecorino und la dolce vita fand immer mehr begeisterte Leser, Cesca konnte es selbst kaum fassen. Nach den ersten schüchternen Anfängen vor sieben Monaten hatte sie nun ihren Stil und ihren Ton gefunden. Sie schrieb über alles Mögliche, über die Bienenstöcke in den Bergen des Aventin, wo hervorragender Honig erzeugt wurde, über kleine Hinterhofläden, die sie begeisterten, und über das, was sie bei ihrer Arbeit als Fremdenführerin täglich erlebte.
Guido grinste, seine Glatze schimmerte im goldenen Laternenschein. »Na, jetzt wissen wir wenigstens, warum du deinen knochentrockenen Job als Rechtsanwältin aufgegeben und London verlassen hast. Niemand, der so poetisch über unser Rom schreibt, kann im Labyrinth des englischen Rechtssystems sein Glück finden.«
»Danke, Guido«, sagte Cesca und hob ihr Glas. »Darauf lasst uns anstoßen.«
Sie leerten ihre Grappagläser und lehnten sich mit einem entspannten Lächeln zurück. Es war eine samtig warme, sternenklare Nacht, in der Luft lag ein betäubender Duft von Jasmin. In dem Restaurant auf der kleinen Piazza war jeder Tisch besetzt. Sie hatten sich satt gegessen, an Meeresfrüchten und Pasta, und es war bereits nach zehn Uhr, aber das war für römische Verhältnisse noch nicht sehr spät. Auch für Cesca nicht, die sich inzwischen an den Lebensrhythmus angepasst hatte.
»Und was jetzt? Sollen wir ins Zizi gehen?«, schlug Alé vor und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie hob ihre schlanken, nackten Arme und fasste ihr langes dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Heute spielt eine Rockband. Es ist die aus Rock in Roma, wir haben sie im Juni gesehen, wisst ihr noch?«
»Was, die mit diesen heißen Leadsängern?« Matteo beugte sich interessiert vor, wie stets, wenn die Rede auf attraktive Frauen kam.
»Ich fand ihn jedenfalls heiß«, sagte Alé lachend und ließ ihre Haarmähne wieder auf ihre Schultern fallen. »Aber dass du auch auf Bärte stehst, ist mir neu.«
Alle lachten und bewarfen Matteo, der betreten den Kopf hängen ließ, mit ihren Papierservietten. »Ich dachte, du meinst die .«
»Die drei Schwestern, ich weiß.«
»Also, ich hätte nichts gegen das Zizi einzuwenden«, meinte Guido. Er stand nämlich durchaus auf Bärte.
»Ohne mich, fürchte ich«, seufzte Cesca. Sie beugte sich zur Seite und griff nach ihrer Handtasche, die sie neben ihrem Stuhl abgestellt hatte. »Ich hab morgen früh um sechs eine Führung, was heißt, dass ich um fünf aufstehen muss.«
»Och, wie langweilig«, murrte Alé und sah zu, wie Cesca die Rechnung vom Teller nahm und, an ihrer Lippe kauend, ihren Anteil ausrechnete.
»Du sagst es«, erwiderte Cesca, als sie fertig gerechnet hatte, und verdrehte die Augen. »Aber die Miete will nun mal bezahlt werden.«
Alé schnalzte missbilligend. »Dass du für diese Bruchbude überhaupt was bezahlen musst, ist eine Frechheit!« Sie schenkte dem Kellner ein laszives Lächeln, der gerade mit einer weiteren Runde Verdauungsschnäpsen auftauchte.
»Also, ich finde meine kleine Bude charmant und gemütlich. Du würdest nicht glauben, was ich für das Gleiche in London berappen müsste. Hier ist zumindest alles so .« Cesca überlegte stirnrunzelnd. »Was heißt eigentlich >malerisch< auf Italienisch?«
Die Antwort erfolgte prompt im Chor.
»Ach, so nennt man das also.« Cesca nickte und kramte in ihrer Brieftasche den passenden Betrag zusammen. Ihr Italienisch ließ leider immer noch zu wünschen übrig, was hauptsächlich daran lag, dass ihre Freunde so gut Englisch sprachen und sie daher nur selten gefordert wurde. Eigentlich hätte sie sie bitten müssen, ausschließlich Italienisch mit ihr zu sprechen, damit sie vorankam. Aber vermutlich hätten sie dann nur halb so viel Spaß.
»Weißt du noch, dass dir nachts mal eine Kakerlake übers Gesicht gelaufen ist?«, erinnerte sich Alé mit Schaudern.
»Ja, aber das war nur ein Mal und auch nur in der ersten Woche. Vermutlich hab ich sie inzwischen verscheucht.«
»Das elektrische Licht flackert, wenn man im Raum auf und ab geht«, fügte Matteo hinzu. »Und da drin steht noch ein uralter Schwarzweißfernseher! Sicher der einzige, den es in Italien noch gibt.«
»In ganz Europa«, berichtigte Guido.
Matteo schaute ihn an. »Stimmt.«
»Außerdem riecht's wie in einem Pferdestall.« Alé kräuselte angeekelt die Nase.
»Dagegen gibt's schließlich Duftkerzen«, meinte Cesca ungerührt. »Und der Schwarzweißfernseher ist ein Designstatement, das findet jeder - so wie Guidos Craftbiere und sein Hipsterbart.« Sie kraulte grinsend Guidos Bart, als wäre er ein irischer Terrier. Sie kannte ihn nicht anders, konnte ihn sich rasiert gar nicht vorstellen. Er würde ihr geradezu nackt vorkommen. »Außerdem hab ich eine Badewanne und .«
»Igitt!« Matteo verzog das Gesicht. »Was findet ihr Engländer nur dabei, in eurem eigenen Schmutzwasser zu sitzen?«
»Es entspannt! Ich möchte dich mal in einem englischen Winter erleben, da würdest du mit Freuden in deiner eigenen Brühe sitzen! Ein heißes Bad war oft das Einzige, das mich warm gehalten hat, als ich noch auf der Uni war.« Sie holte tief Luft und sah, wie sich alle grinsend freuten, dass sie sich so aufregte. »Außerdem lebt ihr ja selbst nicht gerade in Luxuswohnungen, oder?«, schmollte sie, während sich die anderen bogen vor Lachen.
»Ach komm, bleib noch ein bisschen. Wenigstens noch auf einen Drink«, bat Alé.
»Nein, im Ernst, das ist unmöglich.« Cesca beugte sich vor und küsste sie der Reihe nach. »Ich hab in letzter Zeit schon zu oft geschludert, und ihr wisst ja, wie ich morgens bin.«
»Ich wünschte, ich wüsste es.« Matteo streckte sich und zeigte seine beeindruckenden Muskeln.
»Du bist einfach unverbesserlich«, erwiderte Cesca lachend. »Aber ich brauche diesen Job. Ich hab von der ganzen Lauferei schon Löcher in den Schuhen, und neue kann ich mir nicht leisten.« Wie zum Beweis hob sie ihre gelben Converse und zeigte ihnen die dünnen Sohlen.
»Aber den Wein im Restaurant kannst du dir offenbar schon noch leisten«, meinte Guido und legte demonstrativ eine der Flaschen, die auf dem Tisch standen, um.
»Na klar, es gibt schließlich Prioritäten, Baby«, scherzte sie.
»Ich dachte, deine Schuhe müssen so sein«, sagte Matteo. »Du weißt schon, sie passen zum Rest deiner Aufmachung.« Er beäugte sie skeptisch.
»He! Bloß weil du kein Auge für Vintage-Klamotten hast!«, sprang Alé ihrer Freundin solidarisch bei. »Bei dir muss doch immer alles brandneu und von Gucci sein, alles andere ist Müll für dich.«
Matteos Blick richtete sich vielsagend auf das Loch in der Seitennaht von Cescas weißer Belle-Époque-Rüschenbluse. Sie deckte es mit der Hand zu. »Du weißt ja, wie man sagt: nicht gebraucht, sondern geliebt.« Lachend setzte sie ihren ebenfalls schon ein wenig angeknabbert aussehenden Panamahut auf, der über der Sitzlehne gehangen hatte. Dann warf sie Handküsse in die Runde. »Bis dann, Freunde. Ihr seid die Besten! Man sieht sich!« Winkend ging sie davon. Die anderen diskutierten bereits lautstark darüber, wo es denn nun noch hingehen solle.
Der Heimweg war nicht lang. In Rom lag irgendwie alles in Fußnähe. Sie überquerte die Piazza San Cosima, an deren Rändern die Verkaufstische für den morgigen Markttag aufeinandergestapelt und mit Ketten gesichert worden waren, und tauchte ins Gewirr der schmalen Gassen und Gässchen ein mit ihren jasmin- und efeubewachsenen Fassaden. Überall schlenderten Menschen umher oder saßen vor den Restaurants und Kneipen, deren Tische an den Wänden klebten, damit die Airport-Limousinen noch durchkamen. Dazwischen standen, dicht an dicht wie Dominosteine, lange Reihen von Vespas und Scootern. Aus fast jedem offenen Fenster drang Musik.
Ihre kleine Wohnung lag im Centro Storico, versteckt im Labyrinth der Gässchen zwischen der Piazza Navona und dem Campo de' Fiori. Es war zwar nicht die feinste Gegend - nicht so schick wie die Apartments ihrer Freunde im hippen Trastevere, wo sich Künstler und Designer die Klinke in die Hand gaben, wo es jede Menge Nachtclubs und Kneipen und trendige Pop-up-Lokale gab - und sie mochte allein durch ihre Anwesenheit den Altersdurchschnitt der Bewohner um vierzig Jahre hochgetrieben haben, aber es lag zentral, und das war für ihren Job äußerst praktisch. Sie war beruflich...
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