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Den meisten Leuten fällt es irgendwann im Laufe ihres Erwachsenenlebens schwer, sich zu überlegen, was sie auf ihren Wunschzettel setzen sollen, mir jedoch nicht. Seit ich achtzehn war, habe ich mir jedes Jahr das Gleiche zu Weihnachten gewünscht, was sichergestellt hat, dass ich dieses spezielle Problem nie gehabt habe, und jetzt, fast zwanzig Jahre später, steht noch immer derselbe Wunsch ganz oben auf meiner Liste.
Den ganzen Dezember über jeden Tag, einschließlich der Weihnachtsfeiertage, zu arbeiten, ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber für mich hat es sich in den letzten zwei Jahrzehnten als absolute Rettung meiner geistigen Gesundheit erwiesen. Allerdings ist es ein Geschenk, um das ich mich selbst kümmern muss, und es muss rechtzeitig vor dem großen Tag verpackt sein. Um mir die bestmögliche Chance zu geben, die richtige Stelle an Land zu ziehen, beginne ich mit der Suche, wenn im Herbst die ersten Blätter fallen. Und dieses Jahr war keine Ausnahme. Bis Mitte November hatte ich zwei Angebote, aber es war die abgeschiedene Lage der einen Anstellung, der ich nicht widerstehen konnte.
»Und was würden Sie sagen, wie weit abgelegen ist Wynthorpe Hall genau ?«, fragte ich während des kurzen telefonischen Vorstellungsgesprächs mit Angus Connelly, der erpicht darauf schien, dass ich den befristeten Job, den er anzubieten hatte, annahm.
»Sehr«, antwortete er vorsichtig. »Das hier ist wirklich nicht die Art Ort, wo Sie mal eben kurz einkaufen gehen können, fürchte ich. Es sind eher vierzig Minuten in die Stadt und zurück, und es gibt keine anderen Häuser in der Nähe. Glauben Sie, dass das ein Problem sein wird ?«
Er konnte ja nicht ahnen, dass seine Worte Musik in meinen Ohren waren. Der andere Job, der mir angeboten worden war, war im Zentrum Londons, und auch wenn die Bezahlung und die Zulagen um einiges besser waren, konnte man das von der Atmosphäre um diese Jahreszeit nicht gerade behaupten. Die Großstadt würde von Lichtern, kitschigen Melodien und weihnachtlichem Trubel bereits überflutet sein, und aus meiner Sicht war das ein viel zu saftiger Preis für eine zusätzliche Null beim Gehalt. Mich in der kargen und frostigen Fenland-Landschaft zu verschanzen, ohne auch nur einen Sternsinger in Sicht, würde ein sehr willkommener Balsam für meine bekümmerte Seele sein.
»Zugegeben, verglichen mit manch anderen, haben wir nicht allzu viele Anreize zu bieten«, fuhr Mr. Connelly fort, der mein Zögern zweifellos als Ablehnung auffasste, »aber die Arbeit ist leicht, und es wird hier die meiste Zeit ruhig sein. Meine Frau, Catherine, erholt sich inzwischen auch gut von ihrer Operation .«
»Und das ist, was ich nicht wirklich verstehe«, warf ich ein. »Ihrer E-Mail zufolge liegt die Knieoperation Ihrer Frau schon ein paar Wochen zurück. Wenn sie jetzt wieder auf den Beinen ist, braucht sie doch sicher niemanden, der sich um sie kümmert, zumal Sie, wie Sie eben selbst sagten, in diesem Jahr für Weihnachten nichts Großes geplant haben.«
Ich wusste, dass ich unverblümt klang, aber ich musste unbedingt einen Job landen, der mich beschäftigen und auf Trab halten würde. Ich mochte es zu keinem Zeitpunkt des Jahres, Zeit totzuschlagen, aber schon gar nicht im Dezember. Däumchen zu drehen, würde zum Nachdenken führen, und nachzudenken, nachdem die Weihnachtsdekorationen vom Dachboden geholt worden waren, war die eine Sache, die ich mir nie gestattete.
Dieses Telefongespräch war meine eine Gelegenheit, mich zu vergewissern, dass ich nicht von freier Zeit bedrängt werden würde - oder umgekehrt, dass ich nicht eingespannt werden würde, dabei zu helfen, irgendein prächtiges Landhaus-Weihnachten vorzubereiten -, daher war ich entschlossen, jedes mögliche Problem ausgebügelt zu haben, bevor ich meine endgültige Entscheidung traf.
»Na ja, wissen Sie, die Sache ist die, ich kann nicht umhin zu denken, dass sie es in letzter Zeit etwas übertreibt«, führte Mr. Connelly aus, wobei er seine Stimme ein wenig dämpfte. »Sie will natürlich nichts davon wissen, aber ich denke, dass sie sich zu viel zumutet. Sie behauptet beharrlich, dass sie nur ein bisschen herumwerkelt, aber ich fürchte, langfristig wird sie darunter leiden, dabei hat sie schon so viele Fortschritte gemacht. Ich will nur nicht sehen, dass sie wieder ganz von vorne anfangen muss.«
Seine Stimme brach ab, aber die Zärtlichkeit seines Tons hatte mein Herz durchdrungen und unerwartet dafür gesorgt, dass sich meine Augen ein klein wenig verschleierten.
»Wenn sie jemanden hier hätte, an den sie delegieren könnte«, fuhr er seufzend fort, »jemand Diskretes und Unaufdringliches, der ihr unter die Arme greifen und sie unauffällig im Auge behalten könnte .«
»Nun, diskret bin ich«, räumte ich ein.
»Heißt das, Sie werden kommen ?« Nun schwang Hoffnung in seiner Stimme mit. »Sie lässt mich und das Personal kaum etwas für sie tun, daher müssten wir anfangs vielleicht ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten . aber Sie werden den Job doch annehmen, oder ?«
Ich dachte zurück an meine letzten drei Arbeitsverhältnisse, bei denen ich mich in verschiedenen Großstädten des Landes um eine Reihe durchaus verwöhnter Unter-Acht-Jähriger gekümmert hatte, und die Idylle eines kinderfreien, ruhigen Weihnachten mitten im Nirgendwo klang auf einmal verlockender denn je.
Als »Mädchen für alles« hatte ich schon die unterschiedlichsten Jobs, darunter Kindermädchen, Haushälterin, Assistentin, Gesellschafterin und Pflegerin. Ich habe all diese Rollen geliebt, meistens jedenfalls, und diese Position schien, nach der Anzeige zu schließen, praktisch alle davon zu vereinen, mit dem zusätzlichen Vorteil für mich, alles zu vermeiden, was mit einem kommerziellen Großstadtweihnachten einherging.
Selbst wenn mein Schützling anfangs schonend behandelt werden musste, war das hier genau die Art kurzes und unkompliziertes Arrangement, das ich suchte, um mich bis Januar über die Runden zu bringen.
»In Ordnung«, entschied ich. »Ich nehme den Job an. Dann sehen wir uns kommenden Freitagnachmittag, Mr. Connelly.«
»Oh, das ist ja wundervoll !«, rief er freudig aus. »Und bitte, nennen Sie mich doch Angus.«
»Angus. In Ordnung.«
»Und Sie sind ganz sicher, dass Sie nicht zuerst vorbeikommen und sich den Ort ansehen wollen, nur um absolut sicherzugehen, dass Sie hier glücklich sein werden ?«
Ich hatte bereits einen kurzen Blick auf Google Maps geworfen, der mir bestätigt hatte, dass das Herrenhaus tatsächlich der ideale Ort für einen Weihnachtsmuffel wie mich war. Und was mein Glücksempfinden betraf, so nahm ich nicht an, dass ein paar Wochen auch nur annähernd lange genug waren, als dass es bei der Entscheidung eine Rolle spielen musste.
»Danke, aber nein«, versicherte ich ihm, »das wird wirklich nicht nötig sein.«
»Na ja, wenn das so ist«, er stieß einen zufrieden Seufzer aus, »dann sehen wir uns nächste Woche.«
Bis zum darauffolgenden Freitag zog Nebel und Frost auf, und die Straßenverhältnisse von meiner letzten Stelle in Winchester zu meiner neuen am Rande der hintersten Ausläufer von Wynbridge hätten nicht schlimmer sein können. Ich hatte nicht vorgehabt, unterwegs überhaupt anzuhalten, aber während aus den drei Stunden Fahrt allmählich vier wurden, begann ich zu schwächeln, und ich wusste, wenn ich mich in Wynthorpe Hall von meiner besten Seite zeigen wollte, würde ich mich vorher noch ein bisschen frisch machen müssen.
Mein Herz schlug augenblicklich schneller, als ich die Brücke zu der kleinen Marktstadt überquerte und mein Blick auf mehrere Grüppchen Einheimischer fiel, die mit Klemmbrettern, Lichterketten und Kartons voller riesiger Weihnachtsbaumkugeln bewaffnet herumwuselten. Auf Wynthorpe Hall hatte man vielleicht eine schlichte Feier geplant, aber hier in der Stadt sah es verdächtig danach aus, als ob die Vorbereitungen für Weihnachten bereits auf Hochtouren liefen.
Ich suchte mir ein ruhiges Plätzchen im hinteren Teil eines gemütlich aussehenden Cafés namens Kirschblütencafé.
»Was kann ich Ihnen bringen ?«, fragte eine Bedienung in einer Schürze mit Cupcake-Muster. »Wir fangen gleich an, das Mittagessen zu servieren, falls Sie Lust auf etwas Warmes haben.«
Der köstliche Duft, der aus der Küche strömte, genügte, um meinen Magen knurren zu lassen, und obwohl ich normalerweise mittags keine warme Mahlzeit aß, nahm ich an, dass die Kälte in meinen Knochen in diesem Fall eine Ausnahme rechtfertigte. Ich hatte nur ein kurzes Stück von meinem Wagen zu dem Café zurücklegen müssen, aber mein altbewährtes winterliches »Erster-Eindruck-Outfit«, bestehend aus einem grauen Bleistiftrock und einem zart cremefarbenen Kaschmirpullover, half kaum, die Kälte abzuhalten, auch wenn ich noch immer meine Burberry-Steppjacke anhatte.
»Wir starten heute mit unserem speziellen Winter-Menü«, fuhr die Frau fort, als spürte sie, dass ich im Begriff war, einzuknicken. »Die Butternusskürbissuppe wird mit Kürbisbrot gereicht, und zu der gegrillten Gemüsequiche gibt es eine zweifach gebackene Käse-Ofenkartoffel und einen Wintersalat.«
»In dem Fall nehme ich die Quiche, bitte«, gab ich nach. »Und einen Kaffee.«
»Ich lasse Ihnen den Kaffee gleich bringen«, sagte sie mit Blick auf meine Hände, die ich aneinanderrieb. »Der wird Sie aufwärmen.«
In dem gemütlichen Café brauchte ich nicht lange, um aufzutauen, und während ich hungrig die köstliche Quiche verschlang, sah ich...
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